»Operation Paperclip« – neu aufgelegt: Deutsch-deutscher Patentraub in der DDR

von Thomas Ritter

Seit 1993 gelten die Konstruktionsunterlagen des hochmodernen DDR-Sturmgewehrs »Wieger« als verschollen. Am 23. März 2010 nun räumte das Bundeskanzleramt erstmals die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes (BND) am Verschwinden der Unterlagen ein. Etwa 50 Kisten Material seien 1993 im damaligen Geräte- und Werkzeugbau Wiesa bei Annaberg-Buchholz (Erzgebirge/Sachsen) von BND-Mitarbeitern abgeholt worden.

Im Gegensatz zu offiziellen Verlautbarungen wurde in der DDR trotz Ausstattung ihrer Streitkräfte mit sowjetischer Technik ebenfalls an der Entwicklung von Handfeuerwaffen geforscht. Dabei sollte die Wieger sozusagen eine »Geheimwaffe« der DDR-Führung bei der Devisenbeschaffung werden. Um am Weltmarkt zu bestehen, war das Sturmgewehr bereits für die von der NATO verwendeten Patronen konzipiert. Im Jahr 1989 hatte es alle Tests mit ausgezeichneten Ergebnissen bestanden.

»Die Wieger schoss bei minus 60 Grad Celsius ebenso zuverlässig wie bei plus 50 Grad Celsius«,

berichtet ein ehemaliger leitender Mitarbeiter des Wiesaer Rüstungsbetriebes.

»Wir haben sie mit Sand berieselt, ohne das sie verklemmte. Bei der Truppenerprobung in Peru und Indien ließ die Wieger auch in Sachen Präzision die Sturmgewehre aus den USA und Westdeutschland weit hinter sich.«

Ehe die Serienfertigung beginnen konnte, kam die Wende. Das Werk in Wiesa wurde auf zivile Produktion umgestellt. Unter Treuhandverwaltung musste der Betrieb sämtliche Pläne, Lehren und Werkzeuge für die Wieger herausgeben. Laut Übergabeprotokoll gingen diese an ein Militärarchiv in München.

Vor wenigen Monaten wollte der aus München stammende Wissenschaftler Karl Bernd Esser die Wieger in einer Manufaktur im Erzgebirge neu auflegen lassen. Dabei stellte sich heraus, dass die Konstruktionspläne verschwunden waren.

Das angebliche »Militärarchiv« hat niemals existiert. Allerdings befand sich unter seiner Münchner Adresse ein Büro des BND. Der Nachrichtendienst gab seine Beteiligung am Verschwinden der Unterlagen weder zu, noch dementierte er sie.

Eine Befragung ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter ergab inzwischen, dass in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre Waffen, Geräte und Konstruktionsunterlagen aus DDR-Rüstungsbetrieben durch den BND beschafft worden seien.

Dies verlautete am 23. März 2010 aus der Stellungnahme des Kanzleramtes. Auch die Wieger-Unterlagen sollen damals auf diese Weise »sichergestellt« und dem Bundesamt für Wehrtechnik übergeben worden sein. Derzeit ist der weitere Verbleib der Konstruktionspläne aber nach wie vor ungeklärt. Das Bundeskanzleramt schließt aber aus, dass die Materialien an einen ausländischen Geheimdienst weitergeleitet worden sind.

Eine heiße Spur führt jedoch in die USA, wo der Rüstungsbetrieb Inter Ordonance Inc. seit einigen Jahren fleißig und mit großem Gewinn Wieger-Nachbauten produziert.

Der Filmemacher Andreas Wolter folgte im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) dieser Fährte für eine Dokumentation. »Die Amerikaner versicherten uns, dass sie die Originalpläne nicht besitzen, sondern für ihre Version eine DDR-Wieger auseinandergenommen und nachgebaut haben«, heißt es in dieser Doku …

__________

Quelle:

Sächsische Zeitung vom 24. März 2010, Seite 6 (Artikel von Mario Ulbrich »Verschollene DDR-Waffe: BND ließ Akten aus Sachsen abholen«)


Quelle und Kommentare hier:
http://info.kopp-verlag.de/news/operation-paperclip-neu-aufgelegt-deutsch-deutscher-patentraub-in-der-ddr.html