Das Recht, in dem wir leben

von Udo Walendy

Recht oder Macht

Auszug aus Historische Tatsachen Nr. 12 aus 1982

Das Recht, in dem wir leben, begann mit dem Besatzungsrecht der Siegermächte, das Deutschland zu einem total entrechteten Volk machte. Leben und Ei­gentum des deutschen Volkes war der Willkür der Sieger übergeben. Rechtskodifikationen, die den machtpoliti­schen Interessen der Besatzungsmächte entsprachen, fan­den ihren Ausdruck in ihren außenpolitischen Verträgen, Erklärungen, Kontrollratsgesetzen und -direktiven, in ihren eigenen Besatzungsgesetzen und Maßnahmen.

Zu diesen Maßnahmen in ihren jeweiligen Besatzungsgebie­ten gehörten ihre Verwaltungsakte, Rechtsverfahren (nach ihren Maßstäben, wohlgemerkt) und Spruchver­dikte, ihre Personalpolitik hinsichtlich einer nach ihren Richtlinien tätig werdenden deutschen Verwaltung, schließlich Regierung.

Schon während der Besatzungszeit konnte auf diese Weise dem formellen Schein nach eine deutsche Gesetz­gebung sowohl für das Zivil- als auch für das Strafrecht anlaufen, die nach Aufhebung des Besatzungsrechts dann weiter in Kraft blieb, zum größten Teil bis zum heutigen Tage. Nachdem Zweifelsfälle im Überleitungs­vertrag vom 30.3.1955 geregelt wurden, konnte ein neuer staatsrechtlicher Zustand Westdeutschlands ohne Bruch mit der „Tradition des Jahres 0 (1945)“ bewerk­stelligt werden.

So blieb bis zum heutigen Tag bedeut­sam:
Für den Schutz des Andenkens Verstorbener ist zwar eine Strafrechtssicherung für „Angehörige, die im Wider­stand gegen eine Gewaltherrschaft gestanden waren“ gewährleistet, nicht jedoch gleichartig für das deutsche Volk und seine Geschichte, die so mit pauschal von morgens bis abends verunglimpft werden können, ohne daß dies jemand durch Strafantrag beim Staatsanwalt unterbinden könnte.

Im Überleitungsvertrag vom 30.3.1955 hat die Bun­desregierung alle Besatzungsgesetze und -richtersprüche rückwirkend für rechtens anerkannt und sich zur Ein­haltung der dort vorgezeichneten Rechtsgrundlagen auch für die Zukunft verpflichtet. Die entsprechenden Passa­gen im Überleitungsvertrag lauten:

Art. 2 (Weitergeltung von Maßnahmen der Besatzungsbehörden)
(1) Alle Rechte und Verpflichtungen, die durch gesetzgeberi­sche, gerichtliche oder Verwaltungsmaßnahmen der Besatzungs­behörden oder auf Grund solcher Maßnahmen begründet oderfestgestellt worden sind, sind und bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht in Kraft, ohne Rücksicht darauf, ob sie in Übereinstimmung mit anderen Rechtsvorschriften begründet oder festgestellt worden sind. Diese Rechte und Verpflichtungen unter­ liegen ohne Diskriminierung denselben künftigen gesetzgeberischen, gerichtlichen und Verwaltungsmaßnahmen wie gleichartige nach innerstaatlichem deutschem Recht begründete oder festgestellte Rechte und Verpflichtungen.


(2) Alle Rechte und Verpflichtungen, die aus den Verträgen und internationalen Abkommen herrühren, die von den Besatzungsbehörden oder von einer oder mehreren der Regierungen der Drei Mächte vor Inkrafttreten dieses Vertrags für eine oder mehrere der drei westlichen Besatzungszonen abgeschlossen wur­den, sind und bleiben in Kraft, als ob sie aus gültigen, von der Bundesrepublik abgeschlossenen Verträgen und internationalen Abkommen herrührten.

Art. 3 (Bisherige Zusammenarbeit mit den Besatzungsmächten und deutsche Gerichtsbarkeit)
(1) Niemand darf allein deswegen unter Anklage gestellt oder durch Maßnahmen deutscher Gerichte oder Behörden in seinen Bürgerrechten oder seiner wirtschaftlichen Stellung nur deswegen beeinträchtigt werden, weil er vor Inkrafttreten dieses Vertrages mit der Sache der Drei Mächte sympathisiert, sie oder ihre Politik oder Interessen unterstützt oder den Streitkräften, Behörden oder Dienststellen einer oder mehrerer der Drei Mächte oder einem Beauftragten einer dieser Mächte Nachrichten geliefert oder Dienste geleistet hat .


(2) Soweit nicht in Absatz 3 dieses Artikels oder durch besondere Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Drei Mächte oder der betreffenden Macht etwas anderes bestimmt ist, sind deutsche Gerichte und Behörden nicht zuständig in strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Verfahren, die sich auf eine vor Inkrafttreten dieses Vertrages begangene Handlung oder Unterlassung beziehen, wenn unmittelbar vor Inkrafttreten dieses Vertrags die deutschen Gerichte und Be­hörden hinsichtlich solcher Handlungen oder Unterlassungen nicht zuständig waren,

Art. 5 (Rechtskraft von nichtstrafrechtlichen Besatzungs­-Gerichtsentscheidungen)
(1) Alle Urteile und Entscheidungen in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte oder einer derselben bisher in Deutsch­land erlassen worden sind oder später erlassen werden, bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechts­ wirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln und auf Antrag einer Partei von diesen in der gleichen Weise wie Urteile und Entscheidungen deutscher Gerichte und Behörden zu vollstrecken.

Art. 7 (Besatzungsgerichtsurteile in Strafsachen)
(1) Alle Urteile und Entscheidungen in Strafsachen, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte oder einer derselben bisher in Deutschland gefällt worden sind oder später gefällt werden, bleiben in jeder Hinsicht nach deut­schem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln.

…“

Weiter blieb entscheidend :
Deutschland verharrte in einer beschränkten Souverä­nität auch dadurch, daß es kein Mitbestimmungsrecht in den Fragenbereichen erhielt, die zu den gesamtdeut­schen Belangen zählen. Deutschland als ganzes und in seinen Teilen blieb in eine Völkerrechtsordnung eingebettet, die den Sieger­mächten mit Hilfe der Feindstaatenklauseln der Verin­ten Nationen (UNO-Satzung § 53 und 107) einen Frei­brief für jegliche Völkerrechtsbrüche gegenüber den „Feinden der Vereinten Nationen“, das sind jetzt die Besiegten, gewährt.

Mit anderen Woren:
Die Sieger­mächte gestatteten sich selbst, sich an keine Bestimmung des Völkerrechts halten zu brauchen, um ihre macht­politischen Interessen „gegenüber den Feinden“ durch­ zusetzen. Man hatte sich dahingehend geeinigt, das kriegführende Deutschland „aus der Familie der Völker“ auszuschließen, als „outlaw nation“ (so Cordell Hull als US-Außenminister 1941) zu behandeln. Präsident F.D. Roosevelt verdeutlichte noch 1944, daß damit nicht der nationalsozialistische Staat oder die NSDAP als Partei gemeint war, sonder er bezog dies unabhängig von Staat und Partei ausdrücklich auf das deutsche Volk.

Wörtlich zitierte ihn sein Außenminister Hull:

„Dem ganzen deutschen Volk muß es heimgezahlt werden, daß die ganze Nation in einer gesetzlosen Verschwörung gegen die Anstandsformen moderner Zivilisation engagiert war.“ (C. Hull, „The Memoirs of Cordeil Hul“, New York 1948, S. 1603)

Da für die Sowjets entsprechend ihren kommunisti­schen Lehrideologien ohnehin nur Völkerrechtsnormen existieren, die der Ausbreitung und Festigung des Bol­schewismus zu dienen geeiget sind, können wir auf diesbezügliche Zitate aus Moskau verzichten. Immerhin blieb diese moralische Entwurzelung auch der westlichen Alliierten aus der Kriegszeit in den § 53 und 107 der UNO-Satzung bis zum heutigen Tage erhalten, und auch kein deutscher Politiker hat sich bisher bemüht, hier eine Änderung zu erreichen.

§ 53 lautet:

„(1) Der Sicherheitsrat soll sich gegebenenfalls der regionalen Abkommen oder Organe zur Durchführung von Zwangsmaßnah­men unter seiner Autorität bedienen. Auf Grund regionaler Abkommen oder durch regionale Organe sollen indessen ohne Ermächtigung durch den Sicherheitsrat keine Zwangsmaßnahmen ergriffen werden. Hiervon ausgenommen sind Maßnahmen gegen einen Feindstaat im Sinne des Absatzes 2 dieses Artikels, die in Anwendung des Artikels 107 oder auf Grund regionaler Abkom­men gegen eine erneute Angriffspolitik eines solchen Staates getroffen werden, bis die Organisation auf Ersuchen der betrof­fenen Regierungen mit der Verantwortlichkeit für die Verhinde­rung weiterer Angrife eines solchen Staates betraut wird.

(2) Die Bezeichnung ‚Feindstaat‘ im Sinne von Absatz 1 dieses Artikels findet auf jeden Staat Anwendung, der während des zweiten Weltkrieges ein Feind eines der Signatarstaaten der vorliegenden Satzung gewesen ist.“

§ 107 lautet:

„Keine Bestimmung der vorliegenden Satzung soll Maßnahmen einem Staate gegenüber, der im Verlauf des zweiten Weltkrieges ein Feind irgendeines Signatarstaates der vorliegenden Satzung gewesen ist, unwirksam machen oder ausschließen, die als Folge dieses Krieges von den für diese Maßnahmen zuständigen Rege­rungn getroffen oder gestattet worden sind“

Seit Mai 1941 wird Rudolf Heß gefangengehalten.
Das Siegergericht in Nürnberg 1945/1946 hat ihn be­schuldigt, auf Grund seiner Unterschrift unter das Ge­setz über die allgemeine Wehrpflicht 1935 an der „Ver­schwörung gegen den Frieden“ mitgewikt zu haben, und hat ihn unter Hinweis auf diese einzige „konkrete Begründung“ zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Bereits über 40 Jahre sitzt dieser Repräsentant Deutschlands hinter Kerkermauem, obgleich er so intensiv wie kein anderer unter Einsatz seines Lebens für den Frieden gekämpft hat. – Noch kürzlich scheiterte ein Versuch seines Anwalts Dr. Seidl, das „Weltgewissen“ der Ver­einten Nationen aufzurütteln und diesen speziellen Fall vor die UNO-Menschenrechtskommission zu bringen.

Auswahl_694Unter Hinweis auf die § 53 und 107 der Satzung der Vereinten Nationen lehnte das Generalsekretariat in New York einen Einsatz für Rudolf Heß ab! Rudolf Heß ist jedoch ein lebendig bleibendes Beispiel für jene morlisch-rechtliche Entwurzelung, – demzufolge noch zahlreiche andere ehemalige deutsche Soldaten in aus­ländischen Gefängnissen und auch deutschen Strafan­stalten sitzen, – derzufolge nach wie vor das ganze deutsche Volk an den Pranger der Welt gestellt ist, wobei die Hinweise auf die „bewußten 12 Jahre“, den ersten Weltkieg, auf Preußen oder überhaupt die ganze bisheri­ge deutsche Geschichte je nach dem Grad des gegen­wärtigen Nützlichkeitseffekts variabel gehandhabt wer­den.

Zu einer grundsätzlichen Rechtsgleichheit des deut­schen Volkes, zu Sachlichkeit und Wahrheit hinsichtlich der europäischen Geschichtsentwicklungen hat sich bis­her leider weder ein deutscher noch ein ausländischer Politiker der Nachkriegszeit auch nur in Ansätzen auf­gerafft! Wie lange glaubt man noch, mit solchen Maß­stäben und Wertordnungen den Weltfrieden erhalten zu können?

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Quelle und Kommentare hier:
http://de.scribd.com/doc/33518572/Historische-Tatsachen-Nr-12-Udo-Walendy-Das-Recht-in-dem-wir-leben