Das Reich nach dem westfälischen Frieden

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Westfälische Frieden als zerstörerisch für das Reich angesehen. Fritz Hartung begründete dies mit dem Argument, der Friedensschluss habe dem Kaiser jegliche Handhabe und den Reichsständen fast unbegrenzte Handlungsfreiheit gewährt, das Reich sei durch diesen „zersplittert“, „zerbröckelt“ – es handle sich mithin um ein „nationales Unglück“. Nur die religionspolitische Frage sei gelöst worden, das Reich aber in eine Erstarrung verfallen, die letztendlich zu dessen Zerfall geführt habe.

Nach dem Westfälischen Frieden drängte eine Gruppe von Fürsten, zusammengeschlossen im Fürstenverein, auf radikale Reformen im Reich, die insbesondere die Vorherrschaft der Kurfürsten beschränken und das Königswahlprivileg auch auf andere Reichsfürsten ausdehnen sollten. Auf dem Reichstag von 1653/54, der nach den Bestimmungen des Friedens viel früher hätte stattfinden sollen, konnte sich diese Minderheit aber nicht durchsetzen. Im Reichsabschied dieses Reichstages, genannt der Jüngste – dieser Reichstag war der letzte vor der Permanenz des Gremiums – wurde beschlossen, dass die Untertanen ihren Herren Steuern zahlen müssten, damit diese Truppen unterhalten könnten. Dies führte oft zur Bildung stehender Heere in verschiedenen größeren Territorien. Diese wurden als Armierte Reichsstände bezeichnet.

Auch zerfiel das Reich nicht, da zu viele Stände ein Interesse an einem Reich hatten, das ihren Schutz gewährleisten konnte. Diese Gruppe umfasste besonders die kleineren Stände, die praktisch nie zu einem eigenen Staat werden konnten. Auch die aggressive Politik Frankreichs an der Westgrenze des Reiches und die Türkengefahr im Osten machten nahezu allen Ständen die Notwendigkeit eines hinlänglich geschlossenen Reichsverbandes und einer handlungsfähigen Reichsspitze deutlich.

Seit 1658 herrschte Kaiser Leopold I., dessen Wirken erst seit den 1990er Jahren genauer untersucht wird, im Reich. Sein Wirken wird als klug und weitsichtig beschrieben, und gemessen an der Ausgangslage nach dem Krieg und dem Tiefpunkt des kaiserlichen Ansehens war es auch außerordentlich erfolgreich. Leopold gelang es durch die Kombination verschiedener Herrschaftsinstrumente, neben den kleineren auch die größeren Reichsstände wieder an die Reichsverfassung und an das Kaisertum zu binden.

Hervorzuheben sind hier insbesondere seine Heiratspolitik, das Mittel der Standeserhöhungen und die Verleihung allerlei wohlklingender Titel. Dennoch verstärkten sich die zentrifugalen Kräfte des Reiches. Hierbei sticht insbesondere die Verleihung der neunten Kurwürde an Ernst August von Hannover 1692 hervor. Ebenso in diese Kategorie fällt das Zugeständnis an den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III., sich 1701 für das nicht zum Reich gehörende Herzogtum Preußen zum König in Preußen krönen zu dürfen.

Nach 1648 wurde die Position der Reichskreise weiter gestärkt und ihnen eine entscheidende Rolle in der Reichskriegsverfassung zugesprochen. So beschloss der Reichstag 1681 auf Grund der Bedrohung des Reiches durch die Türken eine neue Reichskriegsverfassung, in der die Truppenstärke der Reichsarmee auf 40.000 Mann festgelegt wurde. Für die Aufstellung der Truppen sollten die Reichskreise zuständig sein. Der Immerwährende Reichstag bot dem Kaiser die Möglichkeit die kleineren Reichsstände an sich zu binden und für die eigene Politik zu gewinnen. Auch durch die verbesserten Möglichkeiten der Schlichtung gelang es dem Kaiser seinen Einfluss auf das Reich wieder zu vergrößern.

Dass sich Leopold I. der Reunionspolitik des französischen Königs Ludwigs XIV. entgegenstemmte und versuchte, die Reichskreise und -stände zum Widerstand gegen die französischen Annexionen von Reichsgebieten zu bewegen, zeigt, dass die Reichspolitik noch nicht, wie unter seinen Nachfolgern im 18. Jahrhundert, zum reinen Anhängsel der habsburgischen Großmachtpolitik geworden war. Auch gelang in dieser Zeit das Zurückdrängen der Großmacht Schweden aus den nördlichen Gebieten des Reiches im Schwedisch-Brandenburgischen Krieg und im Großen Nordischen Krieg.


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