Britische Ausflüchte

von Craig Murray

Theresa May und Boris Johnson tauchen ab,
während sich ihre Lügen in Luft auflösen.

Nun ist es raus: Das Nervengift, dem die Skripals offenbar zum Opfer fielen, ist Novichok oder gehört zu einer Familie ähnlicher Substanzen. Dies stellte der Leiter des britischen Forschungslabors Porton Down in einem kurzen Interview mit Sky News klar. Was er allerdings offenließ: den Herstellungsort des Giftes. Der frühere britische Botschafter Craig Murray analysiert den Medienauftritt.

Die Regierung hat in einem Versuch, die Kontrolle über das Narrativ zu behalten, endlich eingeräumt, was ihr bereits seit drei Wochen bekannt war: Es gebe keinen Beweis dafür, dass die beim Anschlag von Salisbury verwendete Substanz in Russland hergestellt wurde. Dies geschah nur kurz vor der Äußerung der Experten der Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW). Das Interview mit dem Geschäftsführer von Porton Down ist nur in diesem Tweet von Sky zu sehen:

Sollte jemand eine Kopie des Interviews anfertigen und mir diese senden oder einen sicheren dauerhaften Beitrag erstellen können, den ich verlinken kann, wäre ich dankbar (Kontakt oben rechts auf meinem Blog). Auf der Website von Sky findet sich lediglich ein sehr kurzes Video und mir ist es wichtig, es zu speichern – die Gründe dafür werde ich erläutern.

Im heutigen von den Tories regierten Großbritannien sollte es niemanden überraschen, dass für den Chefposten von Großbritanniens Chemiewaffen-Einrichtung ein Radio-Verkäufereingestellt wurde.

Offenbar nahm man an, Aitkenheads PR-Kompetenzen würden ausreichen, die Kernpunkte der Regierungspropaganda zu vermitteln. Wie schwer ihm diese Aufgabe während des gesamten Sky-Interview fiel, ist vielsagend. In den letzten drei Wochen befand sich Aitkenhead in einer äußerst schwierigen Lage, er saß zwischen zwei Stühlen: Einerseits musste er seinen Wissenschaftlern genüge tun, die unnachgiebig darauf pochen, nicht bestätigen zu wollen, dass die Substanz in Russland hergestellt worden ist; andererseits musste er der Regierung zu Diensten sein, die sich außerordentlich dafür ins Zeug legt, die Forscher zu genau dieser Aussage zu bringen.

Nach genau 5 Minuten und 3 Sekunden in diesem Interview lügt Boris Johnson offenkundig über das, was Porton Down ihm mitgeteilt hat.

Es ist eindeutig, dass Aitkenhead gegenüber Sky sagt: „Die Wissenschaftler können nicht beweisen, dass es aus Russland stammt. Die Regierung behauptet jedoch, dass sie über Geheimdienstquellen verfügt, die diese Herkunft bestätigen.“ Seine Bemühungen, die ihm vorgegebenen Formulierungen, die er zu Propagandazwecken nachbeten soll, an die recht ordentlichen Interviewfragen anzupassen, muten beinahe komisch an: Er kommt nicht um zahlreiche „ähmms“ und „hms“ herum.

Man darf nicht vergessen, dass die präzisen Formulierungen, die im offiziellen Sprachgebrauch zu verwenden sind, Gegenstand zäher Verhandlungen zwischen den Wissenschaftlern und Porton-Down-Bürokraten, dann zwischen Porton-Down-Bürokraten und Beamten des Verteidigungsministeriums und schließlich zwischen Beamten des Verteidigungsministeriums und denen des Außenministeriums sowie der Geheimdienste gewesen waren, bevor sie von den Ministerien abgesegnet wurden. Diesen Abstimmungsprozess kenne ich aus erster Hand.

Der Abgleich gegensätzlicher Interessen erklärt, warum Aitkenhead zu Beginn versichert, es sei „Nowitschok“, nach 1 Minute und 30 Sekunden dann jedoch wahrheitsgemäßer von „Nowitschok oder einer Substanz aus derselben Familie“ spricht, was mit den Beweismitteln übereinstimmt, die Porton Down an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet hat.

Der entscheidende Moment allerdings erfolgt nach 3 Minuten und 27 Sekunden. Die für Aitkenhead zuständige Regierungsaufsicht war offenkundig unzufrieden mit dem Interview, und dessen letzter Teil ist eine Stellungnahme, keine Antwort auf eine Frage, sondern die Darstellung von Regierungspropaganda. Sie wurde in einem schlecht bearbeiteten Schnitt angefügt, nachdem das Interview bereits beendet war. Der Anschluss ist misslungen – nicht nur wurde aus einem weiteren Winkel gefilmt, es wurden eindeutig auch Kamera und Stativ verrückt. In diesem Schlussstatement erklärt Aitkenhead im verzweifelten letzten Versuch, Russland zu beschuldigen, die Herstellung dieses Nervengifts bedürfe

„höchst anspruchsvoller Herstellungsmethoden, welche möglicherweise nur mit den Fähigkeiten staatlicher Akteure durchgeführt werden können.“

Äußerst seltsam ist, dass Sky News dem zugehörigen Website-Artikel lediglich eine sehr kurze Videoaufnahme des Interviews beifügt. Der Artikel selbst ist zudem stark tendenziös. Beispielsweise heißt es darin:

Allerdings bestätigte er, dass die Substanz „höchst anspruchsvoller Herstellungsmethoden“ bedürfe, „welche nur mit den Fähigkeiten staatlicher Akteure durchgeführt werden können“.

Das Löschen des Wortes „möglicherweise“ ist Ausdruck eines zutiefst tendenziösen Journalismus seitens des Sky-Reporters Paul Kelso.

Interessanterweise habe ich nie zuvor eine solch groß angelegte und von oben koordinierte Medienaktivität der Tories erlebt, wie jene, die augenblicklich nach dem Interview mit Aitkenhead angestoßen wurde. Hunderte bekennender Tory-Aktivisten wurden aktiv, indem sie von „staatlichen Akteuren“ – dabei das Wörtchen „möglicherweise“ auslassend – und „anderen Quellen der Regierung“ sprachen.

Die BBC ignorierte in ihrem Beitrag die Aussagen von Porton Down vollständig und tat so, als sei nichts geschehen. Als Teil dieser PR-Strategie – die offenkundig dazu dienen sollte, der OPCW zuvorzukommen, die Klippen der Regierungslügen zu überwinden und dabei weiterhin Russland zu beschuldigen – hielten sich Boris Johnson und Theresa May total bedeckt. Sie standen für Presseauftritte nicht zur Verfügung.

In Kürze werde ich eine durchdachte Einschätzung dazu veröffentlichen, was umfassenderen Analysen zufolge in Salisbury passiert sein könnte. Hier sehen Sie meine unmittelbare Reaktion auf Aitkenheads Aussage bei Russia Today.

Seltsamerweise hat mich die BBC nicht eingeladen.

 


Quelle und Kommentare hier:
https://www.rubikon.news/artikel/britische-ausfluchte