Was die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes für die Recht-Sicherheit bedeutet

von IfR

Ob es “Scheinurteile, Beschlüsse, oder sonstige Entscheidungen sind – Alle müssen als Verwaltungsakt auf gültigen gesetzlichen Grundlagen fußen, der Normenhierarchie, dem Vollmachtsprinzip und dem Rechtübertragungszusammenhang entsprechen. Tun sie dies nicht, handelt es sich um nichtige Verwaltungsakte, denen die rechtgebende Substanz zum Recht fehlt und somit an Existenz.

BVwVfG – Verwaltungsverfahrensgesetz

§ 44 – Nichtigkeit des Verwaltungsaktes

 (1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

 (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

 der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;

  1. der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
  2. den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
  3. den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
  4. der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
  5. der gegen die guten Sitten verstößt.

 (3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt;

  1. eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat;
  2. ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war;
  3. die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

 (4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

 (5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

Recht-Regeln aus der Wissenschaft und aus gesetzesgleich rechtsetzenden Instanzen (§ 31 BVerfGG):  

a) “Verletzt eine gesetzliche Regelung das Grundgesetz, so hat das grundsätzlich zur Folge, daß sie für nichtig zu erklären ist.”…. (BVerfGE 55, 100)

b) “Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß ein nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassenes Gesetz wegen Widerspruchs mit dem Grundgesetz nichtig ist, so ist dieses Gesetz von Anfang an rechtsunwirksam.” BVerfG – 2 BvG 1/51 vom 23. Oktober 1951

c) “Wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Norm feststellt, so hat das ebenso wie eine Nichtigerklärung die Wirkung, daß Gerichte und Verwaltung die Norm, soweit sich das aus der Entscheidung ergibt, nicht mehr anwenden dürfen (vgl. BVerfGE 37, 217 [261]). Für den Gesetzgeber begründet eine solche Entscheidung die Pflicht zur Herstellung einer der Verfassung entsprechenden Gesetzeslage.” (Erster Senat vom 8. Oktober 1980– 1 BvL 122/78, 61/79 und 21/77)

Gemäß der Entscheidung des BVerfG ist z.B. das Bemessungsgesetz spätestens seit 2002 verfassungswidrig.

Folgt man den Rechtssätzen des BVerfG, so tritt die Nichtigkeit bereits mit dem Jahr 1964, dem Jahr der Verkündung ein.

Das Gesetz verwendet in Deutschland die Begriffe Unwirksamkeit und Nichtigkeit weitgehend synonym.

Die rechtswissenschaftliche Literatur hingegen bezeichnet einen Rechtsakt (Vertrag, Willenserklärung, Verwaltungsakt, Prozesshandlung usw.) als unwirksam, wenn der Rechtsakt zunächst wirksam war, aber aufgrund späterer Ereignisse unwirksam wird und eine Heilung des vorhandenen Mangels möglich ist.

Der Begriff Nichtigkeit umfasst eine weitergehende, radikale Unterform der Unwirksamkeit.

Hierunter fallen Rechtsakte, die von Anfang an keine Rechtswirkung entfalten und bei denen eine Heilung meist nicht möglich ist – Grundrecht- und Menschenrechtverletzungen gegen Artikel 1, 20 und 25 GG haben unheilbare lebenslängliche Traumatisierungen zur Folge.

Beiden gemeinsam sind zugrunde liegende Mängel, deren Schwere über die Heilbarkeit entscheidet.

Den Begriff der Nichtigkeit verwendet der Gesetzgeber dafür, daß das Rechtsgeschäft so anzusehen sei, als ob es gar nicht vorgenommen worden wäre.

Soll Nichtigkeit eintreten, verwendet das Gesetz in der Regel den Terminus „nichtig“, jedoch werden zur Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen auch die Termini „unwirksam“ und „kann nicht“ gebraucht.

Folglich ist z.B. im Falle des “Bemessungsgesetzes” die Gemeinde und Stadt rechtlich verpflichtet, alle erhobenen Grundsteuerzahlungen nebst Zinsen und Zinseszinsen bis zum Jahr 1964 zurück zu zahlen.

Inexistent, nichtig und nicht bloß anfechtbar rechtswidrig sind Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen, wenn diese die unmittelbares Recht gegenüber der bundesdeutschen öffentlichen Gewalt bildenden Grundrechte verletzen.

Von bundesdeutscher Amtstäterseite wird sich seit inzwischen 70 Jahren beharrlich gewehrt, das Folgende von Grundgesetzes wegen bedingungslos anzuerkennen und dementsprechend grundgesetzkonform zu handeln:

»Der in der Falsch- oder Nichtanwendung einfachen Rechts liegende Grundrechtseingriff ist per definitionem nie durch ein Gesetz gedeckt und greift deshalb nicht nur in das betroffene Grundrecht ein, sondern verletzt dies auch stets, ohne das es darauf ankommt, ob z.B. eine in Rede stehende Leistung grundrechtlich definitiv geboten ist.«

Lübbe-Wolff, Bundesverfassungsrichterin, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte

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»Dem nichtigen Akte gegenüber ist jedermann, Behörde wie Untertan befugt, ihn auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, ihn als rechtswidrig zu erkennen, und demgemäß als ungültig, unverbindlich zu behandeln.«

Hans Kelsen – Rechtswissenschaftler

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«Nichturteil und wirkungsloses Urteil. Ungeachtet des Bestrebens, das Nullitätsprinzip durch das Anfechtungsprinzip zu ersetzen, hat die ZPO dieses Ziel doch nicht in vollem Umfang erreicht. Wie man schon zur Zeit des gemeinen Prozesses erkannte, gibt es eine Art natürliche Nullität, die notwendig anerkannt werden muss, ganz gleichgültig, ob sich das Gesetz darüber erklärt hat oder nicht. In der Tat lebt manches von dem, was bei der gesetzlichen Regelung der Wiederaufnahme des Verfahrens keine Berücksichtigung gefunden hat, in der modernen Lehre von Nichturteil und vom wirkungslosen Urteil weiter.

Das hat seinen Grund letztlich darin, dass das Anfechtungsprinzip nur im Hinblick auf solche Entscheidungen sinnvoll erscheint, die gewisse Mindestvoraussetzungen erfüllen und bei denen Mängel sich auch sonst in einem bestimmten, meist stillschweigend vorausgesetzten Rahmen bewegen. Fehlt es daran, so kann der Mangel nach wie vor ohne Anfechtung überall geltend gemacht werden. »

«Wirkung und Geltendmachung des Mangels: Das Nichturteil entfaltet keine Wirkungen: Ein Nichts wirkt nicht. Es beendet nicht die Instanz, erwächst nicht in Rechtskraft, erzeugt keine innerprozessuale Rechtswirkung und ist auch kostenrechtlich ohne Bedeutung. Die Parteien können sich jederzeit auf die Wirkungslosigkeit berufen.»

Prof. Dr. Ernst Wolf

Rechtsstaat gemäß Art. 1 Abs. 1 bis 3 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 97 Abs. 1 Hs 2 GG sowie den übrigen relevanten Artikeln des Bonner Grundgesetzes denn auch immer noch – Fehlanzeige -.

Quintessenz:

  • Anfechtbarkeit setzt einen gesetzlichen Rechtsweg voraus.
  • Unanfechtbar heißt nicht unumstößlich endgültig –sondern ohne Möglichkeit der Anfechtung.
  • Unanfechtbar ist darum natürlich jeder nichtige Verwaltungsakt – denn es fehlt solchem die Existenz.

Der aus einem nichtigen Verwaltungsakt entstandene rechtbodenlose Raum IST EINE RECHTLICHE KATASTROPHE!

– EIN GAU*1, der durch Anwendung in organisierter Unkenntnis und in einer „Kette des Gehorsams“ zum Super-GAU wird! 

 *1GAU = „größter anzunehmender Unfall“

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https://www.rwi.uzh.ch/dam/jcr:00000000-3d12-7c07-ffff-ffffc59ccb7b/Hans_Kelsen_und_die_Reine_Rechtslehren_JA_2001_2.pdf


Quelle und Kommentare hier:
https://institutfuerrechtsicherheit.wordpress.com/2019/03/19/was-die-nichtigkeit-des-verwaltungsaktes-fuer-die-recht-sicherheit-bedeutet/