Unser Rechtsstaat ist entehrt worden

Offener Brief an den ehemaligen Innenminister Otto Schily, den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Dr. Hans-Georg Maaßen und den ehemaligen Leiter des Bundesnachrichtendienstes Gerhard Schindler 

Sehr geehrte Herren,

unser Land schwimmt in eisigem Gewässer und steuert titanisch dem Eisberg entgegen. Der junge Idealismus einer neuen Demokratie hatte schon mit Helmut Kohl durch die Gier der Parteien seine Unschuld verloren, unter Gerhard Schröder das politisch Erwartbare ausgedehnt und während der Epoche Merkel die politische Verlässlichkeit auf das Abwarten und den Weg des geringsten Widerstandes beschränkt. Mit Verweis nach Brüssel werden Veränderungen als alternativlos, gleichsam zur Naturkatastrophe erklärt, der Europäische Gerichtshof steht auf dünner demokratischer Basis, aber oberhalb des Grundgesetzes und die politische Debatte wird zur Verwaltung des äußeren Zwangs degradiert, aber gleichzeitig der Vorwurf eines Marionettenkabinetts zum Reichsbürgersprech, als jenseits des Verfassungsbogens gebannt.

Bereits 2008 warf der Steuermann das Steuer von Berlin nach Frankfurt, 7 Jahre später komplett über Bord. Der Verzicht auf den Schutz der Staatsgrenzen und damit einhergehend die Akzeptanz und Förderung des tausendfachen Rechtsbruchs hat bereits den Rechtsstaat entehrt. Entehrt ist auch das deutsche Volk durch die Beliebigkeit des universalistischen Menschheitsbegriffs, der ein kollektives Eigentum in kommunistischer Tradition nicht anerkennen mag. Die Inklusion, als Endstadium der Immigration, propagiert gegen die seit Jahrhunderten geübte Praxis der Assimilation mit der Kraft die Zugehörigkeit zum Volk durchzusetzen, wird nicht im glorifizierten und bunten Benetton-Einerlei resultieren, sondern in ethnischer Schichtung, Segregation, Sezession oder Bürgerkrieg enden.

Der Griff in den deutschen Steuertopf über internationale Zahlungssalden, die in vergangenen Zeiten den Staatsschatz in Gold erbrachten, aber heute mit Target-2-Salden den Realverlust kaschieren, karikiert die proklamierte „Schwarze Null“ zum Placebo, zum „Brot und Spiele“ einer längst im Verborgenen agierenden Regierung. Die Worte Jean-Claude Junckers treffen das Verhalten der Bundesregierung seit einiger Zeit sehr treffend:

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Der ideologische Kompass einer globalen Menschheitsverbrüderung scheint nur attraktiv, wem das Bewusstsein von Distanz und Nähe abhanden kam. Weder die Vergötterung noch die Verteufelung des Eigenen ist Ausdruck humanistischer Weltanschauung, sondern Wegbereiter eines Faschismus im ursprünglichen Sinn, einer Bündelung aller zivilen Kräfte und deren Kontrolle durch ein totalitäres Regime. Die negativen Teile des Liberalismus und des Egalitarismus bereiteten den Weg von „Soldaten sind Mörder“ über „Deutschland du mieses Stück Scheiße“ bis zur parlamentarisch verkündeten Freude über die künftige Minderheit der Deutschen im eigenen Land.

Das ius soli, welches im transatlantischen Siedlungsgebiet historisch gewachsen war, wurde mit der Jahrtausendwende als Vorleistung einer zu gelingenden Integration und Assimilation eingeführt. Nur 14 Jahre später kämpften „deutsche“ Dschihadisten gegen eine säkulare Regierung Syriens und der damalige Innenminister glaubte, dass wir Verantwortung übernehmen müssten, für eine Radikalisierung „unserer Söhne und Töchter“, die nach islamischem Brauch Hände und Köpfe von Körpern trennten, deren einziges Verbrechen es war, der falschen Religion anzugehören.

In einem Land, reich an kultureller Vergangenheit und seiner kulturellen Schätze beneidet, findet die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz keine spezifische Kultur jenseits der Sprache.

Diese Torheit als Provokation verbuchend wurde das existente Volk der Deutschen ein paar Monate zuvor seiner ethnischen Kategorie beraubt. Mit der Feststellung, dass der ethnische Volksbegriff „dem nationalsozialistischen Ungeist nicht unähnlich“ sei, entkernt das Bundesverfassungsgericht nicht nur die verfassungsrechtliche Eidesformel, sondern gibt die ewige Antwort auf die elementare Frage Ernst-Wolfgang Böckenfördes:

„Wieweit können staatlich geeinte Völker allein aus der Gewährleistung der Freiheit des Einzelnen leben ohne ein einigendes Band, das dieser Freiheit vorausliegt?“

auch im Widerspruch zu Papst Benedikt XVI.

Der kleinste gemeinsame Nenner eines Volkes ist die gemeinsame Vergangenheit und der Wille zu einer gemeinsamen Zukunft. Dieser kann Armuts- und Arbeitsmigranten nur bedingt unterstellt werden. Aber auch Flüchtlinge verlassen ihre Heimat nicht aus Liebe zu Deutschland oder mit dem Willen ein Deutscher zu werden.

Willy Brandt sagte angesichts der Wiedervereinigung Deutschlands:

„Es wächst nun zusammen, was zusammen gehört“

und Carlo Schmid erklärte im Parlamentarischen Rat:

„Es wird kein westdeutsches Staatsvolk geben!“.

Die ethnische, die Kultur der Volksgruppe betreffende Semantik des Begriffs scheint untrennbar mit der in unserer Nationalhymne besungenen Einigkeit verbunden. Diese ist gerade nicht starr an biologische Eigenschaften geknüpft, die einer biologistischen Rassenlehre der Nationalsozialisten gleichkäme.

Beinahe 70 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes müssten die Väter der Verfassung heute die Beobachtung des Verfassungsschutzes fürchten?

Auf keine der mir bekannten neurechten Bewegungen und Parteien trifft zu, dass taktische Zurückhaltung eine versteckte Sympathie mit Rassenwahn und Nazi-Glorifizierung die Furcht eines Wolfs im Schafspelz begründen könnte. Der Blogger Feroz Khan darf ebenso wie Martin Sellner und vielen anderen als authentisch in Sprache und Tat verstanden werden.

Der erkennbare Irrsinn in unserem Land macht eine nicht unerhebliche Anzahl von Ausländern und Migranten zu ehrlichen, teils patriotischen Migrationsgegnern. Es ist der von Franz Josef Strauß stets befürchtete, aber in dieser Dimension wohl kaum für möglich gehaltene Linksdrall der Bürgerparteien, dessen Pendelbewegung das linke Spektrum noch lange schmelzen lassen wird. Ein freiheitliches, wiedererkennbares und selbstbestimmtes Deutschland liegt uns aufrichtig am Herzen.

Es ist unsere allgegenwärtige Drangsalierung, die einerseits die Gefahr der Radikalisierung erhöht, andererseits jedoch für ein stetiges Anwachsen aus der stillen Reserve einer an Gerechtigkeit orientierten Bevölkerungsmehrheit sicherstellt. Die geduldige Vernunft der Deutschen, die bereits Lenin überspitzt formulierte, stellt sicher, dass trotz nahendem Eisberg die „Bahnsteigkarten“ gelöst werden.

Der ungleiche Kampf, legitimiert durch die Verallgemeinerung von konservativ, identitär und nazistisch, führt den mehrfachen Bruch der Parlamentskonventionen und geltenden Rechts vor Augen. Gleichbehandlungsgrundsatz, Rückwirkungsverbot und das Verbot von Einzelfallgesetzen werden im Umgang mit der AfD bei der Wahl der Stellvertreter des Bundestagspräsidenten, der Parteienfinanzierung oder beim Vorsitz in Ausschüssen zumindest dem Zweck nach missachtet und sogar Petitionen verhindert.

Hilfsorganisationen wie der „Weiße Ring“ säubern ihre Stellen und nehmen noch nicht einmal Spenden der Partei entgegen. Erste-Hilfe-Kurse werden den parlamentarischen Mitarbeitern unter Verweis auf eine unrühmliche Verquickung von Religionsfreiheit und Menschenwürde, die jeder Form von Kritik an der Ausprägung einer noch so archaischen Religion entgegen stünde, verwehrt.

Es war kein Unfall der CDU, sondern ein lange anhaltender Wandel. Die ehemals konservativen Pfeiler sind gewichen und die Streben verdreht. Ein Jahrzehnte langer Kampf gegen Rechts hat die Spirale des Schweigens in Gang gesetzt, die einer Demokratie nicht förderlich ist. Es ist die Last der späten Geburt, der Zwang zur Untätigkeit, der Stefan Georges „Kommt Wort vor Tat“ missbrauchend, jedem konservativen Wort einen extremen Gedanken unterstellt, um in dessen Folge eine Wiederholung der Geschichte zu sehen.

Die Gedanken Ignazio Silone verkennend, blendet die Wut über den scheinbaren Mangel an heroischer Gelegenheit das Erkennen aus und so gewinnt ein Faschismus an Tatkraft, der von sich behauptet „Ich bin der Antifaschismus“, wie in Hamburg beim G-20-Gipfel deutlich zu sehen war.

Ich kenne Sie soweit, um zu wissen, dass Sie die freislerisch pöbelnde Einfalt eines Ralf Stegner, Martin Schulz oder Johannes Kahrs so sehr schätzen, wie ein Thilo Sarrazin die Anwesenheit beim Parteitag der Grünen. Wer nur schreit, ausgrenzt und nicht zuhört, hat Angst die Paradigmen der eigenen Überzeugung überdenken zu müssen. Wahrheit und Freiheit sind untrennbarer Kernbestand der Demokratie und beide sind heute begrenzt wahrnehmbar. Meine persönlichen Erfahrungen in Chemnitz erlauben die Einschätzung von Herrn Maaßen zu teilen, deren Folge sollte uns wachrütteln.

Dieser Brief richtet einen Appell an die ehemals geistige Elite der Sicherheitsarchitektur Deutschlands. Lassen Sie sich nicht von der Schlagseite der Medienlandschaft in Ihren richtigen Aussagen begrenzen. Die ehemals etablierte Presse fährt der Titanic Deutschlands voraus und rammte bereits den rechts von ihr liegenden Eisberg. Ein Großteil der Bevölkerung vertraut Ihnen und schätzt Ihre Urteilskraft.

Hochachtungsvoll

Stefan Kirschbaum


Quelle und Kommentare hier:
https://www.journalistenwatch.com/2018/11/09/unser-rechtsstaat-ist-entehrt-worden/