Österreich: 807 Opfer einer sinnlosen Malariatherapie

von monopoli

Ehemalige Heimkinder und ahnungslose Patienten mussten in den 1950er und 1960er Jahren fragwürdige „Malariafiebertherapien“ über sich ergehen lassen. Sie wurden in der Wiener „Malaria Klinik Hoff“ für zweifelhafte Therapien und Versuche mit der Tropenkrankheit Malaria infiziert.

Wilhelm Jäger ist einer von ihnen. Seit Jahren kämpft er um Öffentlichkeit um sein Schicksal bekannt zu machen. Seit 2012 vertritt ihn der Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. aus Wien der den Fall pro bono übernommen hat, als sich ein weiteres Opfer zu Wort meldete und nun kam endlich Bewegung in die Sache. Nach und nach kamen immer mehr skandalöse Details ans Licht, obwohl man sich solche Mühe gab sie bei den Kellerleichen zu begraben. Doch der Weg zur Wahrheit war lang.

Denn die Opfer gaben einfach nicht auf. Ihr Anwalt forderte energisch eine Untersuchung und schliesslich setzten das MedUni Wien und die Stadt Wien eine Historikerkommission unter Leitung von Gernot Heiss ein. Den hatten sie sich sorgsam ausgesucht.

In der Zeitung erschien 2012 eine kleine Notiz, dass der psychisch kranke W. Jäger schwere Vorwürfe gegen die Klinik erhebt. Die unterschwellige Botschaft dahinter – Psycho führt Privatkrieg gegen renomierte Ärzte.

Naja man kennt das ja.

Wilhelms Geschichte

Aber wie kam es eigentlich dazu?
Nun der 16jährige Wilhelm war ein bisschen faul und schwänzte die Schule. Daraufhin kam er in ein Heim. Die schickten ihm zum Psychiater in die Hoff-Klinik und die Ärzte diagnostizierten „Psychopathie“. Ein äußerst zweifelhaftes Krankheitsbild das eher aus den 1920igern stammte.

Während der Junge keine Ahnung hatte, wurde zum Versuchskaninchen einer sogenannten „Malariatherapie“ und auf die Liste von Dr. Pilz gesetzt.

„Malariatherapie“, das hört sich harmlos an und war der Name den die Klinik für diese „Heilbehandlung“ benutzte mit der man psychische Krankheit therapieren wollten. Tatsächlich wurde sie einst benutzt um Syphilis-Patienten im letzten Stadium zu therapieren. Aber schon damals war sie wirkungslos.

Diese Therapie sah folgendermaßen aus. 14 Tage lang injizierten sie ihm abwechselnd Erreger und Chinin, maßen Puls, Herzschlag und Fieber. Angeblich würde man durch das Fieber die Krankheit „ausschwitzen“ oder „verbrennen“. Nunja, das klingt wirklich wie aus dem Mittelalter.

Und das Fieber stieg. Tagelang lag der kleine Wilhelm mit 40 und bis zu 42 Grad Fieber praktisch völlig apathisch im Delirium oder verkrampfte sich.

„Ich wusste nicht mal wo ich war“ beschreibt Wilhelm Jäger seine Erinnerungen.

Nach fünf bis zehn Fieberschüben, die gewöhnlich alle 48 Stunden auftreten und mehr als zwölf Stunden andauern, wird dieser Malariaschub mit Chinin oder einem anderen Anti-Malaria-Mittel behandelt, das die im Blut lebenden Erreger bis zu einem gewissem Maße abtötet.
Das Wilhelm das überlebte, lag wohl an seiner robusten Jugend.

Doch einen Satz konnte der kleine Wilhelm nicht vergessen. Eine Ärztin sagte ihm damals

„Es wurden Versuche gemacht.“

Eine zuverlässige Chininquelle hatte das Heimkind Wilhelm in den 60igern, 70igern und 80igern allerdings nicht. Die Folge, er erlitt mehr oder weniger regelmässig große Fieberschübe und das bis zu 6 mal pro Jahr. Bis zu seinem 60igsten Lebensjahr lebte er mit den Folgen der „Heilbehandlung“.
Inzwischen hat er sie im Griff.

Wilhelm der nie wieder in psychiatrischer Behandlung war, möchte Gerechtigkeit. Natürlich war sein Leben und damit auch sein Arbeitsleben stark eingeschränkt. Die kleine Rente reicht hinten und vorn nicht. Er möchte auch das sein Schicksal bekannt wird, eine Entschädigungsrente von der er leben kann und endlich damit abschliessen.

Inzwischen gibt es noch 772 lebende Opfer, die vorsätzlich mit Malaria infiziert wurden, einige davon Heimkinder. Sie alle hatten das Pech auf der „Liste Pilz“ gelandet zu sein.

„Ich fordere eine Entschuldigung und eine Entschädigung“,

so Rechtsanwalt Johannes Öhlböck.

„Heimkinder wurden als menschliche Wirte für Parasiten verwendet. Viele Heimkinder waren betroffen, weil sie am ehesten für diese Art von Medizin verfügbar waren“,

so Peter Kolba von der „Liste Pilz“.

Die Opfer kämpfen um Anerkennung und eine Änderung des Opferrechtes in Österreich. Nun haben sie endlich Fakten und Beweise und können vor Gericht ziehen.

Die Historikerkommission

Gernot Heiss stellte nach zwei Jahren Ermittlungen 2015 auch prompt einen Persilschein aus, denn Kommissionsleiter Heiss ist befangen: Sein Bruder war an der Klinik tätig. Noch schwerer wiegt, das die Opfer trotz mehrfacher Aufforderung vom Anwalt Dr. Öhlböck nicht gehört wurden und die Untersuchung sich folglich nur auf die Ärzte konzentrierte. Doch nicht alle Mitglieder der Kommission waren damit einverstanden. Auf eigene Faust hörten sie sich die Berichte der Opfer an und waren nicht mehr bereit dieses Ergebnis mitzutragen. Die Frage ob die Patienten oder ihre gesetzlichen Vertreter der Behandlung zustimmten, wurde im Projekt nicht gestellt.

Daraufhin verließen einige die Kommission so wie Elisabeth Brainin, Psychiaterin und Ex-Kommissionsbeirat. Sie betitelte das Ergebnis als

„Weißwaschen von Dingen, die eigentlich nicht in Ordnung waren“.

Michael Hubenstorf der Kommissionsbeirat lies verlauten

„Ein Teil der Historiker in dieser Kommission wird das vielleicht unterschreiben , ein anderer Teil aber ganz und gar nicht.“

Auch die Studie die mit öffentlichen Geldern finanziert wurde, wurde unter Verweis auf das Urheberrecht bisher nicht öffentlich publiziert. Doch die Opfer geben nicht auf, zuviel haben sie durchlitten als das man es einfach übergehen kann.

Laut dem Leiter der Kommission, Gernot Heiss, war die Fiebertherapie nach „damaligen Anschauungen zulässig“. Dennoch räumt der Historiker ein, dass diese Methode nach Kriegsende im deutschsprachigen Raum nicht mehr angewandt wurde.

Die zweijährige Studie fand z.b. heraus, dass insgesamt 807 Patienten belegbar mit dem Malariaerreger infiziert wurden, um durch das entstehende Fieber psychische Erkrankungen zu therapieren. Unter den Infizierten waren 35 Kinder, einer von ihnen der damals 16 jährige Wilhelm Jäger.

Die Dunkelziffer könnte aber noch um einiges höher sein, denn ein Drittel der Kinder-Krankenakten wurde vernichtet.

Die Studie zeigt auch, dass im Jahr 1959 kein einziger Patient mit dem Malariaerreger behandelt wurde. Man bestellte die Erreger neu aus einem Tropeninstitut in Hamburg, um damit die Malaria-Therapie fortzusetzen.

Das wohl brisanteste Detail der Studienergebnisse ist, dass 20 Patienten willentlich nur zur Erhaltung des Malaria-Erregers infiziert wurden. In deren Akten bezeichnete man sie damals als sogenannte „Stammträger“. „Wegen der beschränkten Haltbarkeit des infizierten Blutes mussten in der klinischen Praxis regelmäßig Patienten neu infiziert werden“, heißt es in einer Ausstrahlung in der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Studie befragt wurden – natürlich waren sie nur in Umrissen sichtbar, sie wollten nämlich anonym bleiben.

Malaria und seine Folgen

Die Symptome der Malaria sind hohes, wiederkehrendes bis periodisches (Wechsel-)Fieber, Schüttelfrost, Beschwerden des Magen-Darm-Trakts und Krämpfe. Besonders bei Kindern kann die Krankheit rasch zu Koma und Tod führen.Daneben gehören Nierenversagen, Lokale Lämungserscheinungen und neurologische Schäden zum Krankheitsbild.

Die wesentlichen Folgen sind u.a. Herz- und Kreislaufkrankheiten wegen der körperlichen Belastung unter Fieber über 40 Grad Celsius sowie Blut- und Milzerkrankungen, insbesondere Anämie, wegen der Zerstörung einer großen Zahl roter Blutkörperchen durch die Plasmodien.

Malaria Tropica ist die schwerste Verlaufsform der Malaria. Ein hohes Fieber über 39,5 °C tritt häufig bei Kindern auf. Bewusstseinsstörungen, die bis zum Koma oder sogar zum Tod reichen können, stellen eine typische Komplikation der Malaria tropica dar.

Bei Schwangeren und Kindern können Hypoglykämien auftreten, die allein oder mit der zentralen Problematik zum Koma oder zum Nierenversagen führen.

Die Malariatherapie (also die Heilung von irgendwelchen Krankheiten durch Malaria-Fieberschübe) hat in keiner Studie ihre Wirksamkeit bewiesen.

Der Begriff Malariatherapie ist also irreführend und wiegt Patienten in Sicherheit. Doch es handelt sich vielmehr um eine vorsätzliche Malaria-Infektion.

Das Bekämpfen von Malaria Erreger mit Artemisinin oder deren Derivaten wie auch mit Chinin ist medizinisch gesehen keine Malariatherapie und grundsätzlich wirksam. Aber das setzt eine längere Eingabe von Medikamenten voraus.

Doch in jüngster Zeit wird die Malariatherapie wieder zur Behandlung der Borreliose und der HIV-Erkrankung vorgeschlagen und z. T. versuchsweise eingesetzt.

Mit wissenschaftlichen Computermodellen wurden für das Jahr 2010 rund 1,2 Millionen Todesfälle aufgrund einer Malariainfektion errechnet, nachdem Daten von 1980 bis 2010 gesammelt worden waren.

Malaria war auch die Krankheit an der der Sohn von Heinz Sielmann damals verstarb, als man gemeinsam den Film drehte „Serengeti darf nicht sterben“.

Norbert Blüm schrieb 2003 dazu:

„Die Pharmaindustrie gibt weltweit doppelt so viel Forschungsmittel im Kampf gegen Haarausfall und Erektionsschwächen aus wie gegen Malaria, Gelbfieber und Bilharziose. Das ist marktwirtschaftlich konsequent, denn die Kunden mit Erektionsschwächen und Haarausfall haben in der Regel mehr Kaufkraft als die Malaria- und Gelbfieberkranken.

Quellen: Tropeninstitut,  Webseite RA Dr. Johannes Öhlböck


Quelle und Kommentare hier:
https://antilobby.wordpress.com/2018/05/07/oesterreich-807-opfer-einer-sinnlosen-malariatherapie/