Kein Schwein ruft mich an: Sigmar Gabriel allein zuhaus

Von Hans S. Mundi

Ausgerechnet der Sigmar, der Gabriel, der „Siggi Pop“ der Es-Pe-Deh. Er packte über die von der SPD gestützte Merkelstrategie öffentlich aus, öffnete den Vorhang und ließ einen Einblick in den Berliner Alltag der Mächtigen zu. Authentisch und grauenvoll, ein Mit-Lügner schmeißt den Kram hin und sagt mal kurz wie es wirklich ist.

Müsste eigentlich alle interessieren, gehört auf jede Titelseite der Medien, in jede Talkshow und in den Deutschen Bundestag. Nix is‘, Deutschland wirkt nach über einem Jahrzehnt Merkel ausgelaugt, konform, lau, feige und in entpolitisierender Beliebigkeit vor sich hin dümpelnd – zumindest was den Zustand der medialisierten und gelenkten Öffentlichkeit betrifft. Volkes Meinung bewegt sich ganz woanders…

„Berlin (dts Nachrichtenagentur) Frage: „Wünschen Sie sich, dass Ex-Außenminister Sigmar Gabriel in der SPD weiterhin eine wichtige Rolle spielt?“ – Eine Woche vor dem SPD-Parteitag wünscht sich eine Mehrheit der Deutschen, dass Ex-Außenminister Sigmar Gabriel in der SPD weiterhin eine wichtige Rolle spielt. 57 Prozent der Befragten sagten das in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für „Bild am Sonntag“. Gegen eine wichtige Rolle für den früheren SPD-Parteichef sprachen sich 24 Prozent aus. 19 Prozent der Befragten waren unentschlossen oder gaben keine Antwort. Bei den SPD-Anhängern waren sogar 67 Prozent dafür, 17 Prozent dagegen. Für die Umfrage hat Emnid am 12. April genau 501 Personen befragt.“ BamS

Ein Ex-Vizekanzler und Ex-Bundesaußenminister, zeitweise ranghöchster deutscher Sozialdemokrat, an der Spitze einer Partei, die einst durch deren Ikone Willy Brandt politisch weltberühmt wurde. Dieser Mann liest der herrschenden Kaste die Leviten, wenn auch aus durchsichtigen und fragwürdigen charakterlichen Gründen. Egal. Der Teufel steckt im Detail und hat es in sich, denn das Gesagte klingt nun mal anders bei Siggi, als wenn dasselbe von Alice Weidel oder Alexander Gaulandt käme.

Doch, oh Wunder, fast keine Sau interessiert das…?! Dabei kam der böse Onkel Gabriel doch statt Florett gleich mit dem Vorschlaghammer und zertrümmerte quasi hochoffiziell das Lügengebäude des immer totalitärer agierenden deutschen Mainstreams. Also eine Steilvorlage für politisch unabhängige Medien, die hier offiziell gewordenen Widersprüchen in der Regierungspolitik des Landes hätten nun Punkt für Punkt nachgehen können. Hallo… ist da jemand…???!!!

„Dass unser Staat in vielen Bereichen exzellent funktioniert, zeigt nur, dass wir mindestens zwei Realitäten in unserem Land haben: gut geordnete, sichere und mit allen Vorteilen einer modernen demokratischen Gesellschaften ausgestattete Lebensbereiche – und das genaue Gegenteil. So sehr wir seit geraumer Zeit über Integration sprechen und damit nach Deutschland Zugewanderte oder ihre Kinder meinen, so sehr gibt es eine immer stärkere Segregation in Deutschland: in Stadt und Land, wohlhabende und arme Stadtteile, Ost- und Westdeutschland … jede Antwort (darauf) muss zuerst die schwierigen Realitäten in den Blick nehmen. So wie es Kommunalpolitiker wie der frühere SPD-Bezirksbürgermeister Neuköllns Heinz Buschkowsky seit Jahren tun.

Oder wie es jüngst die Verantwortlichen der Essener Tafel (!!!) getan haben, denen wir Dank und keine staatlich verordnete Kritik schulden. Beschreibungen dieser Realitäten gibt es seit Jahren genug. Allerdings hat im wahrsten Sinne des Wortes auch die Entfernung vieler Entscheidungsträger von diesen Realitäten ebenso zugenommen. Biografisch, räumlich und intellektuell.

Unsere Kinder gehen zumeist nicht in Kitas und Schulen mit mehr als 80 Prozent Migrantenanteil, wir gehen nicht nachts über unbewachte Plätze oder sind auf überfüllte öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, leben nicht in der Rigaer Straße in Berlin und wenn wir zum Arzt gehen, bekommen wir schnell Termine und Chefarztbehandlung selbst dann, wenn wir Kassenpatienten sind. Und vor allen Dingen: Wir ahnen nicht, wie man sich fühlt, wenn man jeden Tag arbeiten geht und trotzdem nicht vorankommt. Oder wie es ist, nach 45 Jahren Arbeit mit weniger als 1000 Euro im Monat klarkommen zu müssen.“ Sigmar Gabriel!

Was der Politiker da vom Stapel lässt, ist ja in Teilen schon seit Jahrzehnten (!) an den deutschen Stammtischen und in den wild gewordenen sozialen Netzwerken zu hören und zu lesen – nur, derartige Kritik „von unten“ prallt überall ab, wer so was äußert, der wird als „Pack“ diffamiert, wie es wortwörtlich Gabriel früher selbst gegenüber irgendwelchen „Rechten“ im Osten bekanntlich mal raus rotzte.

Nun schlafen aber Freund und Feind über diesen brisanten Aussagen. Den SPD-Genossen plus dem gesamten GroKo-Regierungslager um Kanzlette Merkel herum dürfte das durchs Raster gefallene Ex-Kabinettsmitglied höchst unangenehm sein – wie umgehen mit der Wahrheit, wenn sie einen doch selbst bloß stellt?! Den Anderen, von der Linkspartei über FDP bis AfD, scheint der Gabriel offensichtlich der falsche Kronzeuge zu sein, weshalb auch der politische Gegner die Riesenchance der öffentlichen Debatte über die formulierten Inhalte eines zornigen Genossen vergeigt. Lieb Vaterland, magst ruhig sein…

„Vom französischen Philosophen Alain Finkielkraut ist eine gute Definition von ‚politischer Korrektheit‘ überliefert: ‚Nicht sehen wollen, was zu sehen ist‘. So verstanden ist political correctness also weder ein zivilisierter Sprachgebrauch noch ist die Kritik an ihr gleichzusetzen mit der Missachtung gesellschaftlicher Normen und Wertvorstellungen. Sondern es geht um Wirklichkeitsverweigerung. Um das Schließen der Augen vor unbequemen Realitäten aus Sorge, falsch verstanden zu werden, Beifall von der falschen Seite zu bekommen, aus Mutlosigkeit oder Rücksichtnahme und leider oft auch aus Gleichgültigkeit. In diesem Sinn erleben wir hoffentlich gerade das Ende der Zeit ‚politischer Korrektheit‘.

Schlimm genug, dass uns die Rechtspopulisten zwingen, über Teile der Wirklichkeit zu reden, die wir bislang gern im liberalen Diskurs ausgeblendet haben oder von denen wir dachten, wir könnten sie im Stillen bewältigen. Wir sind diesen Teilen der deutschen (und europäischen) Wirklichkeit zu lange ausgewichen. Nicht zuletzt weil der größere Teil der politischen, wirtschaftlichen und medialen Eliten dieser Wirklichkeit im eigenen Lebensalltag nicht begegnet. Das war bequem für uns und für die, die wir haben gewähren lassen. Und immer unbequemer für die, die in ihrem Lebensalltag nicht die Chance hatten, auszuweichen.“ Sigmar Gabriel!

In einer ersten Reaktion schrieb der Autor dieser Zeilen bereits unlängst:

„Gabriel durchlebt offenbar gerade einen Realitätsschock und reflektiert diesen – kurz nachdem er keine politischen Ämter mehr bekleidet, von Merkel nicht mehr beaufsichtigt wird, in keine Kabinetts- oder Parteidisziplin mehr eingebunden ist.

Und es geschieht ein Wunder: Siggi aus Goslar sitzt auf der Hinterbank des Merkelschen Bundestages und bewirft das gesamte Parlament mit Schmutz. Dieser Dreck besteht aus Brocken, die der intime Kenner des moralisch herunter gekommenen Ladens, aus ganz realen Fakten, sinnhaften Erklärungen und unabweisbaren Zuständen der Berliner Elitenrepublik formt.“

Es ist aber noch etwas anderes Gravierendes an diesem Befund: Sigmar Gabriel legt als Ex-Mächtiger den Mechanismus aus verantwortungsloser, volksferner und elitenhöriger Machtpolitik in Verbindung mit undemokratischem Mainstream offen, einer Art von Zensur, die seit Jahren unter dem Namen „political correctness“ für eine Hinwendung zu Meinungsdiktatur und Volkskontrolle sorgt. Das wäre doch mindestens ein Grund gewesen, diese Gabriel-Reime offen unters Volk zu bringen und auf ihnen herum zu trampeln, bis sich die Elitzen selbst zu diesem Spuk äußern.

„Niemand wird mehr gehasst, als derjenige der die Wahrheit sagt“, soll der berühmte Platon einst gesagt haben. Einige wenige Reaktionen von Gabriels SPD-Weggefährten wirkten wenig überraschend. Nun drohe in der Gestalt dieser neuen politischen Unperson eine Art „Lafontaine von Rechts“ zu werden, munkelt man in SPD-Kreisen über den abtrünnigen Gabriel. Das war’s dann auch schon, denn alle haben von Merkel gelernt, haben verstanden, wie man das auch in der DDR schon mit den Dissidenten so machte: Totschweigen, Ignorieren, weitermachen als ob nichts passiert sei.

„Wenn 20 Prozent der deutschen Gemeinden weder eine Schule, einen Hausarzt, eine Apotheke noch einen Laden oder auch nur eine Bushaltestelle haben, dann gehört das für die dort lebenden Menschen auch zum „Staatsversagen“. Kein Wunder also, wenn ganze Landstriche die AfD zur stärksten politischen Kraft machen, weil nach Finanzamt, Amtsgericht, geburtshilflicher Abteilung nun auch das ganze Krankenhaus geschlossen werden soll. Es sind wie in den USA nicht selten „Can you hear me now“-Wahlen. Solche Wahlentscheidungen sind mehr ein Not- als ein rechtsradikales Signal, um die demokratischen Parteien auf die immer bedrohlicher wirkende Lebenssituation vor Ort aufmerksam zu machen. Getreu dem Motto: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Das allein erklärt noch nicht den Erfolg der Rechtspopulisten, aber einen erheblichen Teil davon schon.“ Sigmar Gabriel!

Der vorauseilende Gehorsam war immer schon ein Markenzeichen deutscher Mentalität. Revoluzzer Lenin gab seinerzeit zu Protokoll, dass Deutsche, wenn sie denn mal eine Revolution machen und den Bahnhof stürmen wollten, sie alle zuerst brav ein Ticket am Schalter kaufen würden. Diese Mentalität hat das Land berühmter Dichter, Denker und Erfinder in zwei üble Diktaturen auf deutschem Boden geführt. Auch jetzt lässt sich fatalerweise bemerken, dass hier die Masse keine Kontroversen wünscht – gemeckert wird heimlich in den Nischen, am Tag wird alles abgenickt und denen „da oben“ brav zugesehen.

Würde Merkel zugeben, dass sie bei all ihren einsamen Entscheidungen wie der Energiewende, der Euro-Rettung und der Einwanderungswelle, niemals einen Plan hatte und noch immer keinen hat, würde sie vermutlich kurz darauf in den Umfragewerten unermesslich steigen, würde sämtliche Medien ihre „Offenheit“ loben. Es kann offenbar geschehen was will, nur eine Minderheit begehrt auf und muss aufpassen, was sie sagt – vor allem dann, wenn sie die Wahrheit sagt, denn die will keiner hören.

„Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick. Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muss die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts.“ Der Dichter Heinrich Heine über den deutschen Untertanengeist

*

„Ich habe viele Berufspolitiker aller Parteien gut genug kennengelernt, um zu wissen, welche Interessen und Zwänge sie täglich zähmen. Sehr viel mehr von ihnen wissen ganz genau, dass sie öffentlich nicht die Wahrheit sagen, sind froh, wenn sie nicht gefragt werden, verstecken sich gern in ihren angeeigneten Fachgebieten. Die Zahl der Berufspolitiker und Berufsjournalisten, die dem was Gabriel in seinem Gastkommentar sagt, schon lange zustimmen, aber weiter nicht öffentlich sagen und schreiben werden, ist viel größer, als die meisten Bürger sich vorstellen können.“ Fritz Goergen in Tichyseinblick


Quelle und Kommentare hier:
https://www.journalistenwatch.com/2018/04/16/kein-schwein-ruft-mich-an-sigmar-gabriel-allein-zuhaus/