Fake Science

Von (real)Asmodis

Sprechen wir heute mal über die Wissenschaft. Sie sollte nachvollziehbar und objektiv sein. Aber ist sie das wirklich? Gerade angesichts der aktuellen Diesel-Feinstaub-Debatte können da durchaus Zweifel aufkommen.

Lassen wir diese Debatte aber erst einmal Debatte sein (ich halte sie für vollkommen überflüssig) und beschränken wir uns zunächst auf die Wissenschaft. Wissenschaft: Was ist das eigentlich? Wikipedia sagt dazu:

“Wissenschaft bezeichnet auch den methodischen Prozess intersubjektiv nachvollziehbaren Forschens und Erkennens in einem bestimmten Bereich, der nach herkömmlichem Verständnis ein begründetes, geordnetes und gesichertes Wissen hervorbringt.”

Und ergänzt:

“Wissenschaft bezeichnet somit ein zusammenhängendes System von Aussagen, Theorien und Verfahrensweisen, das strengen Prüfungen der Geltung unterzogen wurde und mit dem Anspruch objektiver, überpersönlicher Gültigkeit verbunden ist.”

Man kann es nach meinem Dafürhalten sogar noch sehr viel weiter vereinfachen, wenn man sich auf die wissenschaftliche Arbeitsweise (respektive Vorgehensweise bzw. Methodik) beschränkt. Eine wissenschaftliche Methodik ist nämlich immer dann gegeben, wenn die Ergebnisse reproduzierbar und verifizierbar sind.

Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass die wissenschaftliche Vorgehensweise so beschrieben sein muss, dass jeder die betreffende Untersuchungsreihe problemlos noch einmal machen kann (Reproduzierbarkeit) und dass dabei auch immer wieder die gleichen Ergebnisse herauskommen (Verifizierbarkeit).

Nur in dem Moment lassen sich Aussagen ableiten und Hypothesen aufstellen, die in Theorien münden, welche anschließend anhand von Vorhersagen praktisch zu bestätigen sind. Das bedeutet aber auch, dass für wissenschaftliche Aussagen größte Sorgfalt und penibelste Prüfung gilt.

Wenn ein Wissenschaftler der Ansicht ist, etwas Neues entdeckt zu haben, dann versucht er, seine Resultate und Überlegungen in einem Wissenschaftsmagazin zu veröffentlichen.

Hier setzt die Selbstkontrolle der Wissenschaft ein: Seriöse Magazine setzen dabei auf das so genannte “Peer Review” – d. h. der eingereichte Beitrag wird von mindestens zwei weiteren Fachleuten auf eben diesem, speziellen Forschungsgebiet quergelesen und erst dann, wenn die nichts zu beanstanden haben, auch veröffentlicht. Nur logisch, dass so etwas seine Zeit braucht – Monate, wenn nicht sogar Jahre.

Geht es nicht vielleicht auch ein ganz klein Wenig schneller? Geht es! Wenn nämlich auf das Peer Review verzichtet wird. Dann liegen zwischen dem Einreichen und Veröffentlichen des UNGEPRÜFTEN Artikels u. U. nur noch ein paar Wochen.

Bloß: Was, wenn der so genannte “wissenschaftliche Beitrag” tatsächlich hahnebüchener Nonsens ist? Die Journale, die auf das Peer Review verzichten – man bezeichnet sie auch als “Räuberjournale” oder “Predator Journals” – interessiert das nicht. Ob echte oder gefälschte Wissenschaft – Fake Science oder Pseudo-Science genannt – ist völlig zweitrangig. Hauptsache es bringt Geld! Predator Journals gibt es wie Sand am Meer und deren Domäne ist nun einmal leider die Fake Science. Was hat der Autor – der Fälscher! – davon? Viel, solange die Qualität eines Wissenschaftlers nach dem “Impact Factor” beurteilt wird.

Wie funktioniert der Impact Factor?

Eigentlich ganz einfach: Je mehr und je häufiger ein Forscher etwas veröffentlicht – egal wo – desto größer sein Impact Factor und desto besser sind seine ganz persönlichen Chancen, einen möglichst lukrativen Job ergattern zu können. Sein berufliches Prestige steigt durch die Publikationsanzahl.

Merkt ihr, worauf das hinaus läuft? Wenn jetzt also jemand recht viel in Predator Journals als vermeintliche Wissenschaft präsentiert, dann wird seine Publikationsliste immer länger, sein Impact Factor immer höher und desto besser sind auch die künftigen, beruflichen Chancen. Der Impact Factor lässt nämlich die Qualität einer Untersuchung komplett außen vor! Hm… – macht nun nicht aber so eine Fälschung, also Fake Science, auch unglaublich viel Arbeit? Warum sollte jemand so etwas überhaupt tun? Ganz einfach: Um an Forschungsgelder zu kommen.

Nehmen wir dazu mal recht simpel konstruiertes Beispiel:

Angenommen, jemand forscht an dem ultimativen Super-Duper-Mittel gegen Fußpilz. Er hat da was gefunden, wobei die Wirksamkeit des neuen Mittels aber noch überprüft werden soll. Eine Probandengruppe erhält das Mittel. In der Hälfte der Fälle zeigt sich die Heilung. Eine andere Probandengruppe erhält das Mittel nicht. Aber auch bei der kommt es in der Hälfte der Fälle zur Spontanheilung von Fußpilz. Daraus folgern wir, dass besagtes Mittel eigentlich wirkungslos ist und die bisherige Forschung daran für die Tonne war. Schlecht – so ein Ergebnis will doch niemand haben.

Also lassen wir die Gruppe der Probanden, die das Mittel nicht erhalten haben, bei der Veröffentlichung der Studie einfach weg. Simple Zahlenspielerei: Plötzlich schnellt die Wirksamkeit des Zaubermittels von null auf 50% hoch. Das ist gut, aber noch nicht genug. Lassen wir jetzt also noch bei denjenigen, die das Mittel erhalten haben, auch noch die Hälfte derjenigen weg, bei denen es nicht funktioniert hat.

Damit zeigt das Zaubermittel urplötzlich 75% Wirksamkeit u. d. h. da steckt doch enormes Potenzial drin! Weitere Forschungsgelder fließen; der Job ist gesichert! Bei einem seriösen Journal würde dieser Schwindel im Zuge der Peer Reviews auffliegen. Nicht so bei einem Predator Journal.

Die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft wird durch Predator Journals untergraben, denn einer Bevölkerung, der es am grundlegendsten Verständnis naturwissenschaftlicher Gegebenheiten mangelt, kann man nicht nur gelbgefärbtes Wasser als alkoholfreien Whisky, sondern eben auch Lügen als Wissenschaft verkaufen.

Das Risiko für den Fälscher bleibt vergleichsweise gering, solange er sich nicht in die Karten schauen lässt (Stichwort “böse Konkurrenz”) und obendrein noch Forschung für Konzerne macht (Geheimhaltung ist alles!). Die Gefahr des Auffliegens besteht, wie Namen wie z. B. Hwang Woo-suk oder Jan Hendrik Schön belegen, nur in Ausnahmefällen: Je spezieller ein Forschungsgebiet ist, desto kleiner ist auch die Gefahr der Enttarnung!

Und nun kommt der Punkt, an dem ich mich mal ganz weit aus dem Fenster lehne. Ich behaupte nämlich, dass unser neoliberales Wirtschaftssystem eben derartige Fake Science zulasten von echter, seriöser Wissenschaft fördert. Wie komme ich darauf?

Das ist eigentlich ganz einfach. Bildung, wozu im weitesten Sinne auch die wissenschaftliche Forschung zählt, ist im Grunde genommen eine Angelegenheit des jeweiliges Staates. Wenn sich ein solcher Staat aber immer mehr zurück zieht, nicht mehr investiert und stattdessen aus einer Versammlung von schwarzen Nullen besteht, dann sind die Bildungsinstitute – allen voran die Universitäten und die Hochschulen – auf Drittmittel angewiesen. Dann sind die darauf angewiesen, zwecks Finanzierung von Forschungsvorhaben die Konzerne mit ins Boot zu holen. Damit aber sind wir wieder beim o. e. Beispiel des Zaubermittels gegen Fußpilz angekommen – na dämmert’s?

Jetzt können wir aber getrost noch einen Schritt weiter gehen – zurück zur eingangs erwähnten Feinstaubdebatte! Der Feinstaub wird als gesundheitsschädlich dargestellt. Vermutlich ist er das auch – wenn er denn aus Rußpartikeln u. ä. besteht.

Aber besteht er wirklich daraus? Mitunter lohnt es sich, einmal genauer hinzusehen. Blütenpollen zählen nämlich auch zum Feinstaub und so mancher, erhöhte Feinstaubwert ist auf Blütenpollen zurück zu führen. Unsere Medien differenzieren aber nicht. Für die sind die Dieselfahrzeuge die Verursacher.

Tja … – was ist eigentlich der Unterschied zwischen Heizöl und Diesel? In das Heizöl hat man Farbstoffe (vorzugsweise Solvent Yellow 124 und Solvent Red 19) reingekippt, um es vom wesentlich höher besteuerten Treibstoff unterscheiden zu können. Das ist alles. Ist ansonsten nämlich das Gleiche. Hat eigentlich schonmal im Rahmen der Diesel-Feinstaubdebatte einer ein Verbot von Ölheizungen gefordert?

Ich mein’ ja nur … Und Holz sowie Kohle als Heizmaterialien produzieren sogar noch sehr viel mehr an Rußpartikeln – diese Heizarten müssten dann konsequenterweise auch gleich mit verboten werden!

Wer profitiert also im Falle von Dieselfahrverboten von der Feinstaubdebatte? Die Frage drängt sich nämlich auf. Das dürften diejenigen sein, die unbedingt Elektroautos auf den Markt bringen wollen. Ich habe absolut nichts gegen Elektroautos, solange deren Strom ausschließlich aus regenerativen Quellen stammt.

Aber ein Elektroauto heute produziert unter dem Strich noch sehr viel mehr Dreck als ein Diesel – bloß sieht man das nicht, weil der Auspuff woanders sitzt, und zwar bei den dreckigsten Braunkohlekraftwerken der Welt! Dennoch beschäftigen sich auch Wissenschaftler mit der Feinstaubdiskussion.

Der Soziologe Colin Crouch hat bereits 2008 in seinem Buch “Postdemokratie” festgestellt, dass es für Industrie und Wirtschaft äußerst lukrativ sein kann, “Think Tanks” ins Leben zu rufen, die dann mit vermeintlicher Wissenschaft den Regierungen und Bevölkerungen gegenüber Konzerninteressen vertreten.

Spätestens an dem Punkt aber sind Original und Fälschung nicht mehr auseinander zu halten – vielleicht ist das ja auch einer der größten Erfolge des Neoliberalismus:

Die Leute wollen beschissen werden und folglich bescheißt man sie mit Fake Science!


Quelle und Kommentare hier:
https://quergedacht40.wordpress.com/2019/01/24/fake-science/