Eurokrise: Schäuble zum Rapport?

von JB

In Sachen Eurokrise scheint das Finale nicht mehr weit. Ein starkes Indiz dafür ist in dieser eher unscheinbar daherkommenden Meldung zu erkennen:

Euro-Schuldenkrise: Geithner und Schäuble treffen auf Sylt zusammen

Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Euro-Schuldenkrise trifft US-Finanzminister Timothy Geithner heute (Montag) mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zusammen. Das kurzfristig anberaumte Treffen findet auf Schäubles Urlaubsinsel Sylt statt.

Anschließend reist Geithner nach Frankfurt am Main weiter, wo er mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, zusammentrifft. Am Wochenende hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Italiens Premier Mario Monti und Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker versichert, die Eurozone mit allen Mittel verteidigen zu wollen.

Schäuble hatte am Wochenende zudem erklärt, dass für Spanien mit seinem maroden Bankensystem kein neues Hilfsprogramm – über die bisher zugesagten 100 Milliarden Euro hinaus – geplant sei. Gleichzeitig berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ über Pläne in Brüssel, wonach die EZB im Namen des Rettungsschirms EFSF spanische Anleihen aufkaufen solle.

Übersetzt: Schäuble unterbricht seinen Urlaub auf Sylt weil der Finanzminster der USA wissen will wie die Lage ist. Sowas klärt man in der Regel über offizielle Kanäle (Botschafter etc.), wenn es undebingt sein muß dann über ein persönliches Telefongespräch. Dass aber ein US-Finanzminster kurzfristig nach German düst um seinen deutschen Kollegen in dessen Urlaubsdomizil aufzusuchen stellt eine neue Qualität dar. Offenbar sind in Washington ob der Eurokrise alle roten Lichter angegangen und man will abseits der offiziellen Beteuerungen wissen was Sache ist, darauf deutet auch die nächste Station von Herrn Geithner hin: EZB-Chef Mario Draghi.

Bzgl. der üblichen Beteuerungen man werde “alles tun um den Euro zu retten” gab es bereits am Wochende einen guten Artikel in Welt-Online:

Gemeinschaftswährung: Der Euro sprengt in der Schuldenkrise Europa

Merkels und Hollandes Bekenntnis sind die letzten Zuckungen der gemeinsamen Euro-Diplomatie. Das politische Europa hat die Grenzen seiner Leistungskraft überschritten. Es wirken gewaltige Fliehkräfte.

Spätestens in der vergangenen Woche ist klar geworden, dass das politische Europa die Grenzen seiner Leistungskraft überschritten hat. Die gemeinsame Erklärung von Frankreichs Präsident Hollande und Bundeskanzlerin Merkel, “alles zu tun, um die Euro-Zone zu schützen” war nicht mehr als eine Verzweiflungstat.

Denn schon im dritten Satz der Erklärung wurde offenbar, wie weit die einzelnen Euro-Staaten, inklusive Deutschland und Frankreich, in der Wahrnehmung der Krise inzwischen auseinanderliegen. Jeder solle “in seinem Kompetenzbereich seinen Verpflichtungen nachkommen”, hieß es. Man könnte das auch als Kapitulation deuten: Soll halt jeder sehen, wie er selbst klarkommt.

Fliehkräfte nehmen zu

Es sind die letzten Zuckungen der gemeinsamen Euro-Diplomatie. Übereinstimmungen gibt es nur noch an der Oberfläche. Darunter wirken gewaltige Fliehkräfte, und die nehmen zu. An einem Tag stellt EZB-Chef Draghi weitere Hilfen für Pleitestaaten in Aussicht, anderntags kassiert Finanzminister Schäuble die Zusage wieder ein. Griechenland fordert mehr Zeit, während täglich neue Meldungen über die Versäumnisse der Regierung in Athen eintreffen und deutsche Politiker offen den Euro-Ausschluss des Landes fordern.

Ein spanischer Europa-Minister redet nicht über die Probleme seines Landes, sondern ruft lieber nach mehr Geld aus Deutschland. Und über die Instrumente – direkte oder indirekte Anleihenkäufe, Bankenhilfen und Sparprogramme – herrscht ebenfalls keine Einigkeit.

Der Euro stirbt im Süden

Eine Minderheitsposition hat die deutsche Regierung im Übrigen nur im EZB-Rat. Nimmt man die EU-Mitglieder im Osten hinzu, sieht die Lage schon ganz anders aus. Ein tiefer Graben klafft zwischen Nord und Süd. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Moment kommt, an dem wir uns tief in die Augen schauen und zugeben müssen: Es geht einfach nicht mehr.

Die Wirtschaftsräume in Nord und Süd haben sich in den elf Jahren Euro nicht aufeinander zubewegt, sondern auseinanderentwickelt. Unter diesen Bedingungen ergibt eine gemeinsame Währung keinen Sinn.

Eine in der Wortwahl eher sanfte, inhaltlich aber überraschend offene Beschreibung der Situation. Ich denke in Washington sieht man die Sache ähnlich und will von den Hauptakteuren in der Krise wissen was nun wirklich Sache ist.

Wer in dem Besuch von Geithner ein Wahlkampfmanöver Obamas vermutet dürfte falsch liegen, Aussenpolitik spielt in den US-Öffentlichkeit kaum eine Rolle, damit lässt sich bei Wählern kaum punkten.

Amerika mischt sich ein

Man darf sich aber schon fragen was es die USA interessiert welche Währung es in Europa gibt, großartige Exporte aus den USA gen Europa gibt es kaum, wirtschaftlich dürfte es den Amerikanern weitgehend egal sein mit welcher Münze in Europa bezahlt wird, es stellt sich also die Frage nach der Motivation der USA sich mit einer solchen Hau-Ruck Aktion auf die europäische Bühne zu drängen, man beachte: Man hat das Treffen öffentlich gemacht, das wäre nicht notwendig gewesen, es sei denn man will damit eine gewisse Aussage verbinden.

Eine der Theorien dazu lautet dass der Euro den Amerikanern ein Dorn im Auge ist, da diese dadurch Gefahr laufen ihr Monopol als Weltreservewährung (und damit die Lizenz zum straffreien Geldrucken) zu verlieren. Manche mutmaßten sogar der Hintergrund der Spannungen mit dem Iran sei in der Ankündigung des Irans begründet seine Ölgeschäfte zukünftig in Euro und nicht mehr in Dollar abzuwickeln. Ähnliche lautende Aussagen gab es aus verschiedenen Ecken, u.a. auch von Gaddafi. Geschehen ist aber nie etwas, diese Ankündigung war immer nur ein Mittel um die Amerikaner zu ärgern. Wie dem auch sei, da der Euro derzeit in sich zusammenfällt hat sich die Sache wohl ohnehin erledigt.

Wenn nun aber, wie behauptet, der Euro den Amerikanern ein Dorn im Auge ist, warum lässt man dann die Sache nicht einfach so laufen? Besser als die Europäer selbst werden auch die USA den Euro nicht runieren können. In dem Zusammenhang erscheint auch der Vorwurf die US Rating-Agenturen würden gezielt gegen Eruopa schiessen in einem anderen Licht. Im Nachhinein ist man immer schlauer, man darf aber feststellen dass die Rating-Agenuren mit ihren Einschätzungen in den letzen Jahren im Grossen & Ganzen immer richtig gelegen haben. D.h. nicht die Ratings verschlimmern die Situation, sondern die Situation ist so schlimm dass die Ratings nur die Realität darstellen.

Man kann nur spekulieren

Diese Variante erscheint mir derzeit als naheliegendesten: Der Ausblick des Ratings für Deutschland wurde auf ein Minus gesenkt wurde, die Tendenz ist damit fallend. Zwar sind deutsche Staatsanleihen derzeit noch so beliebt dass sie sogar bei negtiven Zinsen noch Abnehmer finden, die Eurokrise und die damit verbundenen Risiken gehen aber auf Dauer auch an Deutschland nicht vorbei, die Gefahr dass auch Deutschland mit in den Strudel des Eurodebakels gerissen wird liegt auf der Hand, selbst die MSM sprechen dies mittlerweile offen aus, auch wenn sie es in Neusprech wie etwa “Deutschland droht Überlastung” kleiden.

Man weiss in den USA genau wer den EU-Chaosladen letzen Endes finanziert. Als der Kalte Krieg endete bot der damalige US-Präsdent Bush sen. Helmut Kohl “Partnership in Leadership” an, Deutschland sollte mit US-Segen die Ordnungsmacht auf dem europäischen Kontinent werden. Kohl ging auf das Angebot nicht ein, zumindest nicht öffentlich. Er wäre auch nicht sonderlich klug gewesen die europäischen Nachbarn Frankreich und Großbritanien, denen man gerade erst mühsam die Zustimmung zur Wiedervereinigung abgerungen hatte, zu brüskieren. Offiziell war diese Idee also gestorben, inoffiziell gab es eine Teilung Europas: Deutschland erhielt die Federführung in Sachen Osteruopa, Frankreich die über Südeuropa.

Aus welcher Region die aktuellen Probelme rühren ist kein Geheimnis. Deutschland hat seine Hausaufgaben gemacht, die Ost-EU steht trotz Krise vergleichsweise gut da, sie wären eigentlich die nächsten Beitrittskanidaten für den Euro gewesen, wollen nun aber nicht mehr, auch wenn sie es in der Offenheit noch nicht aussprechen.

Chaos auf den Finanzmärkten

Wirtschaftlicher Hintergrund der Intenvention der USA dürfte auch die Sorge um die Finanzmärkte sein, schliesslich ist Europa nach den USA der zweitgrösste Markt in dem Bereich. Zwar kann man auf den Finanzmärkten auch kurzfristig Geld aus einem Niedergang des Euros generieren, aber die langfristigen Turbulenzen dürften wesentlich schwerer wiegen als ein paar schnelle Dollars. Nicht zuletzt steck in der Eurokrise auch eine Krise der EU und damit langfristig auch die Stabilität des Kontinents. Die Krise hat das Potenzial auch geopolitisch einiges durcheinader zu würfeln. Dabei müssen wir jetzt nicht unebdingt den schllimmsten Fall (Krieg) betrachten, aber die Animositäten nehmen zu, nicht nur die anderer gegenüber Deutschland, auch umgekehrt ist dem so, auch wenn die deutsche Politik, im Gegensatz zu Griechenland und Spanien, das nicht offen ausspricht.

Merkels Macht in der EU reicht offenkundig nicht aus um die Euromitglieder auf eine gemeinsame Linie einzuschwören, vom Putsch der Südschiene ist die Rede. Während Frankreich unter Sarkozy, wenn auch zähneknirschend, die deutsche Position stütze (Merkozy) verhält es sich mit Hollande als Präsident grundlegend anders: Er torpediert die deutsche Europolitik wo er nur kann und ist damit endgültig von einem Teil der Lösung zu einem Teil des Problems geworden.

Osteuropa Liebling der US-Aussenpolitik

Da den USA der ehemalige Ostblock aus geopolitischen Gründen besonders am Herzen liegt (siehe “USA stationieren erstmals Soldaten in Polen“) dürfte die Tendenz der USA pro-deutsch sein – schliesslich ist im “deutschen Hinterhof” alles in Ordnung – “Mission Accomplished” sozusagen.

Objektiv lässt sich feststellen dass die USA nun offiziell die Eurobühne betreten haben. Die Motivation lässt sich, wenn auch mit einer gewissen Unschärfe, ebenfalls ableiten, über konkrete Schritte kann man zwar nur wild spekulieren, aber die Tendenz liegt auf der Hand.

Eine Spaltung (oder gar Auflösung) des Euro ist damit ein gutes Stück weit wahrscheinlicher geworden. Die USA haben kein Interesse an einem EU-Ostblock, der, sobald in den Euro eingetreten, die Südschiene mitfinanzieren muss. Sarkastisch könnte man sagen dass das deutsche Schicksal den europäischen Zahlemann geben zu müssen den EU-Ländern im Osten erspart bleiben soll. Sollten sich die USA tatsächlich mit all ihrer Macht dafür einsetzen dass der Euro-Wahnsinn ein Ende im deutschen Sinne findet dann nicht weil man uns so lieb hat, sondern weil man um die Stabilität, insbesondere der osteruopäischen Länder, fürchtet.

Notbremse Transatlantiker?

Man sollte dabei nicht vergessen dass der geistige Vater der Nord-/Süd-Euro Idee, Hans-Olaf Henkel, Mitglied bei den Transatlantikern ist. Zudem war er über viele Jahre hinweg (erfolgreicher) Chef von IBM Europa. Sein Leumund bei den Amerikaner dürfte also einwandfrei sein. Nun wäre es vermessen zu behaupten der Henkel hätte hintenrum seinen Einfluß geltend gemacht und so die USA “rumbekommen”, sehr wohl wird man aber davon ausgehen können dass Henkels Worte dort ein gewisses Gewicht haben und man ihnen dort zumindest aufmerksamer lauscht als in Deutschland der Fall, ein Prophet gilt schliesslich im eigenen Land nichts, wie der Volksmund weiss.

Nun ist das alles hochspekulativ. Man darf davon ausgehen dass weder die europäische noch die deutsche Politik grosse Lust darauf hatte in den Medien lesen zu müssen dass der grosse Bruder von der anderen Seite des grossen Teiches so besorgt ist, dass er sich einmischt. Die Meldung dass Geithner Schäuble einen Blitzbesuch abstattet kam von der Nachrichtenagentur dpa. Ich halte es nicht nur für möglich, sondern sogar für sehr wahrscheinlich, dass die USA diese Meldung bei dpa platziert haben. Die deutschen Medien sind nämlich auffallend zurückhaltend was diesen Besuch betrifft, keine Hintergründe, keine Analyse, nichtmal im Börsen-TV der Newssender N-24 und NTV wird das Thema großartig behandelt. Das ist sehr verdächtig, reagieren die Finanzmärkte doch i.d.R. selbst noch auf das leiseste Hüsteln.

Was Geithner und Schäuble besprechen kann man sich in etwa zusammenreimen, wesentlich interessanter wird sein was Geithner dem EZB-Chef Mario Draghi zu sagen hat – man beachte auch die Reihenfolge in der Geithner die Personen besucht. Interessant dürfte auch noch werden ob die Europa-Tournee von Geithner damit ein Ende findet oder er weitere auf der Euro-Bühne agierende Personen einen Besuch abstattet. Kanidaten gäbe es genug, Frankreich, Spanien, Griechenland. D.h. die USA treffen nicht nur damit eine indirekte Aussage über ihre Sicht der Dinge, wen sie besuchen, sondern auch dadurch wen sie nicht besuchen. Aber warum sollte Geithner quer durch Europa reisen, Mario Draghi ist schliesslich der Mann der Südschiene bei der EZB, es reicht also eigentlich mit diesem zu reden.

EU-Versagen offensichtlich

Peinlich für Deutschland und Europa ist die Sache bereits jetzt, dokumentiert der Besuch doch dass die Europäer es zum x-ten mal nicht geschafft haben eine gemeinsame Linie zu finden. Die deutsche Politik bezieht tagtäglich Prügel von der Öffentlichkeit ob ihrer Europolitik, Umfragen die angeblich das Gegenteil beweisen sind für die Tonne. Wäre dem nicht so hätte ein Rösler nicht letzte Woche offen den Euroaustritt von Griechenland erwähnt – selbst aus eher milden Anti-Euro Positionen lässt sich derzeit durchaus politisches Kapital schlagen, das Volk dürstet praktisch danach.

Ein Verlierer des Besuches steht allerings jetzt schon Fest: Francois Hollande. Die Tatsache dass die Grande Nation nicht auf dem Reiseplan Geithners steht spricht für sich selbst und dürfte an dem Stolz der Franzosen ziemlich nagen.

Insofern bitte ich die Leserschaft um erhöhte Aufmerksamkeit was Informationen bzgl. dieses Besuches betrifft, insbesondere Informationen aus dem angelsächsischen Raum könnten hier von Interesse sein.


Quelle und Kommentare hier:
http://fakten-fiktionen.net/2012/07/eurokrise-schauble-zum-rapport/