Es gibt kein Kindergeld im Übersee-Ausland…

von johannesanunad

Wenn Recht zu Unrecht wird:
Steuern und Sozialbeiträge in Deutschland zahlen: JA
Kindergeld im Übersee-Ausland erhalten: NEIN

Wusstet Ihr, dass Kindergeld – übrigens schon seit vielen Jahren – oftmals als „vorgezogene Steuererleichterung“ betrachtet und gezahlt wird und NICHT als staatliche Förderung von Familien, also als soziale Leistung nach SGB??? Wie ich weiter darstellen werde, ist Dies ein fundamentaler Unterschied – auch (straf-)rechtlich.

Ich möchte hier, Dies vorab zur Klarstellung, nur am Rande die Rechtgrundlagen insbesondere des Deutschen Systems an sich diskutieren und grundsätzlich in Frage stellen. Auch wenn ich dazu sehr wohl eine kritische Sichtweise habe. Das ist ein anderes Thema.

Es geht mir heute eher darum, die Fragwürdigkeiten aufzuzeigen, die bereits INNERHALB dieses Systems erkennbar und spürbar sind. Und Euch damit motivieren, eigene Beispiele dafür zu finden… sie sind zahlreich… nach meinen eigenen Erfahrungen über etliche Jahre weit zahlreicher und auffälliger, als man gemeinhin vermuten würde…

Für Diejenigen, die noch alles akzeptieren, was ihnen an Vorschriften präsentiert wird (das ist auf diesem Blog gewiss wenig verbreitet!), mag das dann zunächst etwas überraschend sein…

Konkret auf den Punkt gebracht bedeutet das für das Kindergeld nämlich offenbar
(das führe ich im Anschluss weiter aus):

Es werden zwar von den „Deutschen Behörden“ Steueransprüche geltend gemacht, die gegen Ausland-Deutsche durchsetzbar sind, aber die in den Steuer‑ bzw. Sozialgesetzen vorgesehenen Steuererleichterungen bzw. Sozialleistungen über das Kindergeld nicht in gleicher Form gewährt!

Welchen Stellenwert erhält da die Familienförderung??

Reales Schicksal aus meinem direkten Umfeld

N.N. (Kürzel geändert) ist Deutscher. Er lebt mit seiner Paraguayischen Frau seit vielen Jahren in Paraguay und hat mit ihr eine heute knapp 13-jährige gemeinsame Tochter. Die Tochter hat die Deutsche Staatsangehörigkeit.
In den Jahren 2006/07 wurde für die Tochter Kindergeld bezogen.
In diesem Zeitraum zog die Familie aus Deutschland erstmals dauerhaft nach Paraguay um und das Kindergeld wurde zunächst – trotz „system-korrekter“ Abmeldung bei der zuständigen Wohngemeinde in Deutschland – von der Familienkasse etwa ein Jahr lang weiterhin ausbezahlt.
Später allerdings wurde der Vorgang als „versuchte Steuerhinter­ziehung“ staatsanwaltlich verfolgt, mit einer Geldstrafe geahndet und das Geld komplett zurück gefordert (s.u.).
Und in Paraguay wird seitdem nun KEIN Kindergeld gezahlt!
Ist das korrekt? Rechtlich: Offenbar JA. Menschlich: sicherlich NEIN!

Öffentliche Zustellung

Als der Umzug nach Paraguay der Familienkasse bekannt wurde, erfolgte zunächst – da es ja keine Wohnanschrift, auch keinen „regelmäßigen Aufenthaltsort“ mehr in Deutschland mehr gab – eine „öffentliche Zustellung“ des Bescheides, dass das Kindergeld ab dem Datum des Umzugs ins nicht-EWR-Ausland unrechtmäßiger Weise bezogen wurde und nun zurück gefordert werde.

Wisst Ihr, wie eine „öffentliche Zustellung“ funktioniert? Das zuzustellende „amtliche“ Dokument wird in dem für die Zustellung zuständigen Amtsgericht (meist ist dafür die letzte bekannte Meldeadresse des Empfängers oder aber der „Gerichtsstand“ eines Unternehmens ausschlaggebend) öffentlich ausgehängt. Das ist alles!

Wie also kann so eine amtliche Vorgehensweise den anders gerade nicht auffindbaren Empfänger erreichen, in diesem Fall in Paraguay??? Da wiehert der Amtsschimmel und mir wird spätestens in diesem Moment einmal mehr die Absurdität unseres Rechtsystems deutlich:

Der Umzug der Familie ins „Nicht-EWR-Ausland“ („Verlagerung des Lebensschwerpunktes“ wird das auf Amtsdeutsch genannt) führte also zum Verlust des Kindergeldanspruchs. WARUM??? Darauf jedenfalls reagierte die Behörde dann – sogar rückwirkend. N.N. hatte zum Zeitpunkt des Umzugs noch Anspruch auf Arbeitslosengeld. Eine Ermittlung der aktuellen Zustellanschrift erfolgte aber offenbar in dem Zusammenhang nicht!

Aber es kommt noch weit besser:

Strafandrohung wegen Steuerhinterziehung!

Erst etwa viereinhalb Jahre später, warum genau auch immer, erreichte das eben erwähnte Schreiben letztlich doch noch den beabsichtigten Empfänger N.N. Zwischenzeitlich erlitt Dieser einen schweren Schlaganfall und bekam kurze Zeit nach der physischen Zustellung dieses alten Schreibens vorzeitige Altersrente als Schwerbehinderter zugesprochen. Möglicherweise erfolgte hier ja ein – plötzlich zulässiger??? – Datenabgleich der Behörden?

Schon zwei Tage nach Eingang des Schreibens reagierte die Familie, bat schriftlich um Entschuldigung und signalisierte Kooperationsbereitschaft und Lösungswillen. Dennoch wurde zeitnah ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung angestrengt (!), gegen die zu diesem Zeitpunkt vorübergehend erneut in Deutschland wohnende Familie.

N.N. wurde letztlich zur Rückzahlung der damaligen Kindergeldleistungen plus einer Strafe von über 260 EUR inkl. Auslagen und Gebühren verurteilt.

Ironischerweise hatte N.N. just im selben Zeitraum erfolgreich erneut Kindergeld beantragt – von dem die zurückzuzahlende Summe dann monatlich abgezogen wurde. Mit erneuter Übersiedlung nach Paraguay kündigte er diesmal allerdings – aus Erfahrung klüger geworden – den Kindergeldbezug vorsorglich.

Seitdem hat er offenbar auch keinen Anspruch mehr darauf… oder doch?

Behördenmühlen mahlen langsam…

Im April dieses Jahres unterstützten Deutsche Freunde der Familie eine erneute Antragstellung. Es wurden alle Formulare miteinander ausgefüllt, nötige Nachweise dazu gefügt und von den Freunden vorab umgehend per Email an die zuständige Stelle geschickt. Die Originale wurden auf der Heimreise der Freunde zur Beschleunigung mit nach Deutschland genommen und dort in die Post gegeben. Seitdem – wir schrieben inzwischen Mitte August – keinerlei Antwort, weder zum Empfang noch zu einem Entscheid.
Was war da los?
Ich bot mich also an, der Sache nachzugehen in Deutschland.

„Bundesbehörden verschicken keine Eingangsbestätigungen!“

Kürzlich rief ich daher im Namen der Familie bei folgender im Internet angegebenen Servicenummer der Bundesagentur für Arbeit an (zu finden rechts unter „Kontakte“: Für Anrufer mit Deutscher Telefonnummer gebührenfrei (das gilt auch weltweit für deutsche VoIP-Telefonnummern, z.B. von Skype): 0800 4 5555 30; aus dem Ausland gebührenpflichtig: +49 911 12031010), um dort etwas zum Sachstand in Erfahrung zu bringen.

Meine Gesprächspartnerin wirkte durchaus kompetent. Ich brachte mit diesem Telefonat in Erfahrung:

  • Um als Außenstehender personenbezogene Auskünfte zu erhalten, muss der Agentur eine persönlich unterschriebene Vollmacht des Bezugsberechtigten im Original vorliegen. Nur dann kann der Fall von einem/r Service-Mitarbeiter/in geöffnet werden.
    Völlig verständlich für mich (Datenschutz!), wichtig zu wissen, in diesem Fall allerdings eine zeitraubende Erfordernis – reguläre Post aus Paraguay nach Europa kann auch mal 2-2,5 Monate dauern… oder generell verloren gehen… nun gut, ich konnte DAS problemlos akzeptieren.
  • Zur generellen Bearbeitungsfrist: Anträge, die im zweiten Quartal 2018 (hier: April) eingegangen seien, würden erfahrungsgemäß erst im Oktober 2018 bearbeitet! Ein halbes Jahr später also.
    Und was passiert mit all denen, die auf dieses Geld wirklich existenziell angewiesen sind, in der Zwischenzeit? Wie kommen diese Menschen finanziell „über die Runden“ bis zur Bewilligung des ihnen rechtmäßig zustehenden Geldes??
  • Warum gab es bisher keinerlei Reaktion auf den Antrag? Bundesbehörden verschicken keine Eingangsbestätigungen bzw. Statusmeldungen teilte mir die Dame dazu mit. Heißt in diesem Fall:
    Sollten irgendwelche Unterlagen gefehlt haben, verzögert sich die Bearbeitung weiter… mit Postwegen womöglich über viele Monate…
  • Es liege nach den von mir eben gemachten Angaben lt. gültiger Gesetze im Fall von N.N. KEINE Bezugsberechtigung für Kindergeld vor. Das erläutere ich unten weiter.
    Ich fürchte leider: Das stimmt so!

Gesetzestreue – oder Menschlichkeit?

Ich fragte dann die Dame an der Service-Hotline, ob sie es nicht merkwürdig fände, dass N.N. zwar ordnungsgemäß in Deutschland seine Rente zu versteuern hätte (gemäß gesetzlicher Vorgaben eben), Kranken- und auch Pflegeversicherungsbeiträge entrichte, aber keinen Anspruch auf Kindergeld habe? Daraufhin antwortete sie zunächst:

„Nun, die Gesetze haben wir Beide nicht gemacht, oder?“

Es war also gemeint wie: „Dafür bin ich nicht verantwortlich“.

Einverstanden. Ich hakte dann konkreter nach, wie sie das denn als Mensch sähe. Und da räumte sie sehr wohl ein, dass da ihrer Ansicht nach eine Unstimmigkeit in der Gesetzgebung vorläge. Dass das im Grunde nicht gerecht sei.

Ich ersparte ihr zu erwähnen, dass N.N. vor Jahren in der Sache sogar wegen angeblicher Steuerhinterziehung verfolgt werden sollte und entsprechend bestraft wurde (s.o.)… ob das eines Tages auch umgekehrt gegenüber den „Gesetzgebern“ bzw. den Verantwortlichen (gibt es die überhaupt?) in den Ämtern möglich sein wird??? Angesichts derartiger Ungleichgewichte und Lücken in der rechtlichen Behandlung der „Bürger“…

Formal-rechtlicher Kontext

Wer in Deutschland nicht unbeschränkt steuer­pflichtig ist, kann im Ausland in manchen Fällen ebenfalls Kindergeld erhalten. „Kindergeld ist dann eine Sozial­leistung nach dem BKGG“ (BKGG=Bundes-Kindergeldgesetz). Dazu müssen aller­dings einige Voraus­set­zungen erfüllt sein.

So muss der Antrag­steller in Deutschland beschäftigt oder selbständig erwerbstätig sein oder Rente nach deutschen Rechtsvorschriften beziehen UND in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR beziehungsweise in der Schweiz leben.

Ob eine Familie im Ausland Anspruch auf Kindergeld hat, hängt auch vom Wohnsitz des Kindes ab. So können Eltern für ihre Kinder nur Kindergeld bekommen, wenn das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der Europäischen Union oder des EWR hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Anspruch aus dem BKGG oder dem EStG ergibt.

Auch wenn die Kriterien für den Bezug von Kindergeld IN Deutschland erfüllt sind, so dass auch grenzüberschreitend INNERHALB der EU sowie in einigen weiteren Ländern, mit denen entsprechende Abkommen bestehen, Kindergeld gezahlt würde, so gilt dies also NICHT für Deutsche, die außerhalb der EU bzw. dem „Europäischen Wirtschaftsraum EWR“ leben.

Interessante Hinweise und mehr Details, durch die ich mich im Zuge dieses Beitrags hindurch gearbeitet habe, finden sich z.B. HIER. Auch das zugehörige Merkblatt der „Bundesagentur für Arbeit – Familienkasse“ gibt entsprechend Auskunft. Dort heißt es wörtlich:

„Für die Gewährung von steuerrechtlichem Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz beziehungsweise sozialrechtlichem Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz sind daher in grenzüberschreitenden Fällen die einschlägigen Verordnungen (EG) Nummer 883/2004 und 987/2009 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit heranzuziehen.“

Es geht also auch dort lediglich um die EU-Harmonisierung der Kindergeldzahlungen sowie um den EWR. Dort hört das „Ausland“ für den Kindergeldanspruch dann wohl leider auf…

Gibt es vielleicht „kreative Lösungen“?

Nach meinen Erkundigungen beim zuständigen Amt (s. Telefonat), lassen sich leider auch kaum „kreative Lösungen“ für die geschilderte Situation konstruieren, um der bestehenden Gesetzeslage dennoch Rechnung zu tragen.

  • N.N. selber wie auch seine Tochter aus der Ehe mit einer Paraguayerin erfüllen für den Bezug von Kindergeld die gesetzliche Erfordernis nicht, ihren Lebensschwerpunkt in Deutschland bzw. im EWR zu haben
  • Andererseits wird N.N. steuer‑ und sozialrechtlich offenbar weiterhin behandelt, als würde er in Deutschland leben. Er ist in Deutschland kranken‑ und pflegeversichert.
  • Ein formaler Melde-Wohnsitz in Europa/Deutschland erfüllt die Vorgaben nicht, bei gewöhnlichem Domizil außerhalb des EWR von Eltern und/oder Kind – und das ist natürlich auch nicht legal 😉
  • Gelegentliche Reisen nach Europa sind rechtlich keine Hilfe
  • Ein Lebensschwerpunkt in Europa – von beantragendem Elternteil und Kind – muss konkret nachweisbar sein
  • Nur regelmäßige Reisen (Flugtickets!) mehrfach jährlich und zusammenhängende Aufenthalte von mehreren Monaten in Europa wären ein zulässiges Indiz für den glaubhaften „Europäischen Lebensschwerpunkt“ des Kindes

Das Ergebnis: KEINE Familienfreundlichkeit für Aussiedler von Gesetz wegen!!!

Es macht mich wirklich betroffen, denn ich kenne ja die Familie persönlich, es sind Freunde. Ich helfe, so gut ich eben kann.
Sie sind mir ans Herz gewachsen und haben ohnehin genug an Belastungen zu tragen: Wie ich eingangs schrieb, ist N.N. seit einigen Jahren durch einen schweren Schlaganfall erheblich eingeschränkt und seitdem keinesfalls mehr erwerbsfähig. Daher bezog er bis zum regulären Renteneintritt auch eine Rente als Schwerbehinderter.

Die gesamten Familienbelange lasten seitdem auf den Schultern seiner Paraguayischen Ehefrau. Eine – wenngleich offenbar gesetzeskonforme – soziale Härte, die abgschafft gehört!

WER in der LeserInnenschaft weiß vielleicht guten Rat, der den Bezug des Kindergeldes ermöglicht?
Für entsprechende Hinweise als Kommentar wäre ich sehr dankbar und setze mich dann auch sehr gerne persönlich mit dem Ratgeber/der Ratgeberin in Verbindung!

Mein persönliches Fazit: AUFWACHEN! und HANDELN!

Für mich wird an diesem Beispiel einmal mehr deutlich, wie ungeeignet „Recht und Gesetz“ sind, um menschliche Situationen, Bedürfnisse angemessen zu erfassen und zu lösen. Dafür sind eben nur MENSCHEN geeignet.
Die ausschließlich für PERSONEN gemachten Gesetze aber definitiv NICHT!

Also: Lasst uns Menschen werden. Menschlich sein. Jeden Tag aufs Neue und immer mehr! Authentisch, transparent, wahrhaftig und: von Herzen!
Damit derartiger „rechtlicher“ Unsinn rasch ein Ende nimmt.


Quelle und Kommentare hier:
https://wirsindeins.org/2018/08/30/es-gibt-kein-kindergeld-im-uebersee-ausland/