Einstellung gegenüber Deutschland

von NPR

Vorbemerkung –  Als Roosevelt im Jahre 1933 sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten angetreten hatte, galten seine Bemühungen in erster Linie der Lösung schwerwiegender Probleme innerpolitischer Natur. Außenpolitisch lebte das amerikanische Volk im Zeichen des Isolationismus, den es mit Hilfe des Neutralitätsgesetzes von 1935 zu sichern suchte, und auch der Präsident griff zunächst nur selten in…

…nicht-nordamerikanische Fragen ein. Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und den Westmächten, die ohnehin durch das Problem der Rückzahlung der Kriegsschulden der Alliierten stark gelitten hatten, waren damals noch Wenige intensiv.

André de Laboulaye

Von umso größerer Bedeutung ist, was der Französische Botschafter in Washington, de Laboulaye, am 26. Januar 1934 über die Einstellung Roosevelts zu Deutschland berichten kann. Die deutsche Regierung sah sich in jenen Wochen gezwungen, gewisse Begrenzungen in der Transferierung von Zinszahlungen ins Ausland vorzunehmen, um der schweren Wirtschaftskrise zu begegnen, die infolge der Reparationszahlungen und der späteren, in die Form von Kreditgewährungen gekleideten Ausbeutungspolitik der Angloamerikaner entstanden war. Diese Notmaßnahmen riefen bei Roosevelt einen Wutausbruch hervor. Er vergaß sich so weit, daß er in Gegenwart mehrerer Amerikaner der Gattin des Französischen Botschafters mit lauter Stimme von seinen Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Botschafter erzählte und dabei die törichte Behauptung. vorbrachte, Deutschland habe sich aus freien Stücken selbst zugrunde gerichtet.

Botschafter de Laboulaye macht seiner Regierung von diesem, die Formen diplomatischer Gepflogenheiten völlig außeracht lassenden „Ausfall des Präsidenten“ Mitteilung, wenn dieser ihm damit freilich auch, wie er meint, „nichts Neues über seine Gesinnung gegenüber Deutschland“ gesagt habe. „Denn“, so fährt er fort, „ich kenne ihn seit 21 Jahren, und ich habe von ihm seither, besonders während des Krieges, aber auch noch vor dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, gleichartige, sogar noch stärkere Äußerungen über jenes Land zu hören bekommen; aber es schien mir  nicht uninteressant, daß Herr Roosevelt gerade gegenüber der Gattin des Französischen Botschafters seine Abneigung nicht nur gegen das Deutschland Hitlers, sondern gegen Deutschland allgemein zum Ausdruck brachte.“ Mit diesen Worten ist die Grundeinstellung Roosevelts, die seine Außenpolitik von Anfang an bestimmt hat, von einem führenden französischen Diplomaten auf das Unmißverständlichste gekennzeichnet.


Der Französische Botschafter in Washington an den Französischen Außenminister

Bericht (Auszug)

Washington, den 26. Januar 1934

Nr. 35
Streng vertraulich
Betrifft: In Washington gesammelte Urteile über Deutschland

In den letzten Tagen sind mir aus zwei ganz verschiedenen Quellen zwei in gleicher Weise abfällige Urteile über Deutschland und seine Politik zu Gehör gekommen, worüber ich Eurer Exzellenz streng vertraulich berichten zu müssen glaube.

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Das andere Urteil ist noch interessanter, denn es stammt vom Präsidenten der Vereinigten Staaten selbst. Bei einem intimen Tee im Weißen Haus, vor drei Tagen, bemerkte Herr Roosevelt mit lauter Stimme Madame de Laboulaye gegenüber, daß er des Kampfes überdrüssig sei, den er 48 Stunden hindurch mit dem Deutschen Botschafter zu bestehen gehabt habe wegen der Schlechterstellung, welche die Reichsregierung bei der Regelung der privaten Kredite auf Kosten der Amerikaner beabsichtigte. „Glücklicherweise“, fügte er hinzu, „habe ich die Oberhand behalten, und Sie können Ihrem Gatten erzählen, daß sein Kollege, Herr Luther, jetzt am Boden liegt.“

Im weiteren Verlauf der Unterhaltung erklärte der Präsident, daß er genug habe von den unlauteren Machenschaften der Deutschen, die, nachdem sie sich erst aus freien Stücken zugrunde gerichtet und die Bestimmungen des Versailler Vertrages nicht erfüllt hätten, jetzt versuchten, sich den Verpflichtungen aus ihren privaten Anleihen zu entziehen.

Alles dies wurde mit der bei Mr. Roosevelt üblichen Spontanität und Überzeugung vorgebracht, vor fünf oder sechs Zeugen, hauptsächlich Amerikanern, die sichtlich erstaunt waren, ihn mit solcher Offenheit und solchem Nachdruck zu der Frau des Französischen Botschafters über ein fremdes Land reden zu hören.

Dieser Ausfall des Präsidenten sagt uns nichts Neues über seine Gesinnung gegenüber Deutschland. Ich kenne ihn seit 21 Jahren, und ich habe von ihm seither, besonders während des Krieges, aber auch noch vor dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, gleichartige, sogar noch stärkere Äußerungen über jenes Land zu hören bekommen; aber es schien mir in Anbetracht der derzeitigen heiklen Lage der französisch-amerikanischen Beziehungen nicht uninteressant, daß Herr Roosevelt gerade gegenüber der Gattin des Französischen Botschafters seine Abneigung nicht nur gegen das Deutschland Hitlers, sondern gegen Deutschland allgemein zum Ausdruck brachte

André de Laboulaye

 


Quelle und Kommentare hier:
https://npr.news.eulu.info/2017/12/17/einstellung-gegenueber-deutschland/