Die neue kriminelle Energie der Banker

von Günther Lachmann

Banken handelten mit Phantomaktien und ergaunerten auf diese Weise Steuerrückzahlungen in unvorstellbarer Höhe. Jetzt wird ein Sonderermittler gefordert.

Seit der Weltfinanzkrise von 2008 haben Investoren und Banker nichts von ihrer kriminellen Energie verloren. Nach den Cum-Ex-Geschäften, die den Steuerzahler 32 Milliarden kosteten, sollen sie nun durch den Handel mit sogenannten „Phantom-Aktien“ viele Millionen Euro Steuerrückerstattungen ergaunert haben.

In den USA verfolgt die -Finanzaufsicht SEC diese Machenschaften bereits seit geraumer Zeit. Nachdem die Kölner Staatsanwaltschaft jetzt auch in Deutschland Ermittlungen aufgenommen hat, wächst der Druck auf Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Er soll einen Sonderermittler einsetzen, der den neuen Finanzskandal aufklärt.

Auch deutsche Banken beteiligt

Erste Hinweise auf die Machenschaften erhielten die Sicherheitsbehörden im Zuge der Cum-Ex-Ermittlungen. Dabei entdeckten die Ermittler Auffälligkeiten bei Geschäften mit sogenannten American Depositary Receipts (ADR). Solche Papiere werden von den Banken ausgestellt und in den USA stellvertretend für ausländische Aktien gehandelt. Gesetzlich muss zu jedem ADR-Schein eine Aktie hinterlegt sein. Doch daran haben sich Großbanken und Aktienhändler offenbar nicht gehalten. Sie stehen im Verdacht, in den USA Millionen von ADR-Papieren herausgegeben zu haben, die nicht mit einer echten Aktie hinterlegt waren.

Nach hartnäckigen Ermittlungen der US-Finanzaufsicht SEC stimmte die Citibank in diesem Monat einem Vergleich zu und verpflichtete sich darin zur Zahlung von 38,7 Millionen US-Dollar (33,3 Millionen Euro). Die SEC hatte nachgewiesen, dass ADR-Papiere nicht mit echten Wertpapieren hinterlegt waren. Das heißt, für diese Papiere wurden Kapitalertragssteuern erstattet, obwohl noch gar keine gezahlt worden waren.

Auch deutsche Institute gerieten ins Visier der SEC. Die beiden Deutsche-Bank-Töchter DBTCA und DBSI nach einem im Juli zustande gekommenen Vergleich sogar über 75 Millionen US-Dollar (65,7 Millionen Euro) Steuern an den US-Fiskus zahlen.

Wie groß der Schaden für den Steuerzahler in Deutschland ist, lässt sich noch nicht ermessen. Damit er nicht noch größer wird, hat das Finanzministerium per Erlass ein digitalisiertes Steuererstattungsverfahren für ADR-Geschäfte gestoppt. Den deutschen Behörden wird vorgeworfen, es den Banken und Investoren besonders leicht gemacht haben, Steuererstattung zu kassieren die ihnen rechtlich nicht zustehen.

„Fundamentales Staatsversagen“

Nun wächst der Aufklärungsdruck auf Finanzminister Olaf Scholz. Für die FDP forderte der Abgeordnete Florian Toncar den Einsatz eines Sonderermittlers. Finanzminister Scholz müsse dem Bundestag Rede und Antwort stehen.

„Die Enthüllungen rund um American Depositary Receipts sind eine Blamage für den Bundesfinanzminister und Kassenwart Olaf Scholz“,

sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Fabio de Masi. Er warf dem Staat fundamentales Versagen vor und sprach von „organisierter Kriminalität“ deutscher Banken bei der Erstattung von Kapitalertragssteuern.

Kritisch äußerte sich auch der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft. „Wir laufen der Entwicklung immer hinterher“, sagte Thomas Eigenthaler dem „Tagesspiegel“. Die „Weiße-Kragen-Kriminalität“ von Banken und Investoren sei kaum in den Griff zu bekommen. „Wir fahren mit dem Fahrrad einem Ferrari hinterher“, sagte Eigenthaler. In Deutschland seien die Finanzämter froh, wenn sie normale Steuererklärungen gut bearbeiten könnten.

Gegen solche Vorwürfe verwahrt sich das Finanzministerium und verweist auf die in Deutschland geltende Praxis, wonach Steuerbescheinigungen nur für ADR ausgestellt werden dürfen, die sich tatsächlich im Depot des jeweiligen Instituts befinden. Außerdem muss für dem ADR hinterlegte Aktie die Kapitalertragsteuer abgeführt worden sein.


Quelle und Kommentare hier:
https://www.geolitico.de/2018/11/23/die-neue-kriminelle-energie-der-banker/