BRD will mehr Umsatzsteuer eintreiben

von  Claus Vogt

Laut EU entgehen dem deutschen Staat jährlich 23 Milliarden Euro Umsatzsteuer. Nun will der Fiskus diese Summe durch deutlich verschärfte Maßnahmen eintreiben, schreibt Gotthilf Steuerzahler.*

Durch die Umsatzsteuer werden Lieferungen und Leistungen besteuert, die ein Unternehmen im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit erbringt. Wirtschaftlich gesehen, trägt der Endverbraucher die sich aus der Umsatzsteuerpflicht ergebende Belastung. Die entstandene Umsatzsteuer muss im Wege der Selbstveranlagung vom steuerpflichtigen Unternehmen berechnet, per Umsatzsteuer-Voranmeldung mehrmals im Jahr an das Finanzamt gemeldet und abgeführt werden.

Nach Ablauf des Jahres werden in der Umsatzsteuererklärung die bereits geleisteten Zahlungen angerechnet. Wegen dieser Selbstveranlagung der Steuerpflichtigen ist die Umsatzsteuer für die Finanzverwaltung eine Steuer, die wenig Erhebungsaufwand verursacht, die Finanzämter können sich auf die Überwachung der Steuerpflichtigen beschränken.

Schaden in Höhe von 23 Milliarden Euro

Innerhalb der Europäischen Union ist die Umsatzsteuer einheitlich geregelt. Allerdings gilt die Umsatzsteuer aufgrund ihrer Systematik als besonders anfällig für organisierten Betrug, insbesondere durch sog. Karussellgeschäfte, bei denen mehrere Unternehmen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zusammenwirken. Die EU-Kommission schätzte vor einigen Jahren den daraus resultierenden Schaden für Deutschland auf über 23 Milliarden Euro im Jahr. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Finanzämter ihre Bemühungen verstärken, steuerliche Risiken bei der Erhebung der Umsatzsteuer frühzeitig zu erkennen.

Eine interne Untersuchung in einem größeren Bundesland ergab, dass sich die Risikoerkennung noch deutlich verbessern lässt. In dem betreffenden Bundesland werden jährlich 250.000 Umsatzsteuererklärungen mit einem steuerlichen Gesamtvolumen von rund 3,9 Milliarden Euro abgegeben. Die Finanzämter werden bei der Bearbeitung durch maschinelle Plausibilitätsprüfungen unterstützt. Diese Fachprogramme können aus technischen Gründen bisher aber keine komplette Risikobeurteilung leisten. Die Finanzämter müssen deshalb jede Umsatzsteuererklärung personell prüfen. Dafür stehen lediglich rund 30 Vollzeitkräfte zur Verfügung.

Auffälligkeiten wurde nicht nachgegangen

 Mit vielen im Rahmen der Umsatzsteuererklärung auftretenden Auffälligkeiten hatten sich die Finanzämter nicht näher beschäftigt. Für Fälle mit Nachzahlungsbeträgen von mehr als 5000 Euro liefert ein Fachprogramm normalerweise einen Hinweis, weil ein solcher Sachverhalt u.a. auf Mängel in der Buchführung hindeuten kann, was unter Umständen sogar strafrechtlich relevant sein kann. Gleichwohl unterblieb die personelle Überprüfung in einer Vielzahl von Fällen. Das ging darauf zurück, dass der für den Bearbeitungsanstoß maßgebliche maschinelle Risikohinweis aufgrund von festgesetzten Grenzwerten nicht erfolgte.

Bei Umsatzsteuererklärungen mit Erstattungsansprüchen müssen die Finanzämter vor der Auszahlung zustimmen. Die interne Untersuchung fand in einer Vielzahl von Fällen keine Aufzeichnungen vor, welche die Ursachenanalyse der Finanzämter zur Rechtmäßigkeit der Auszahlungen dokumentierte und die erteilte Zustimmung rechtfertigte. Bei den im Rahmen einer Stichprobe untersuchten Fällen wurde ein steuerliches Risiko von insgesamt 0,5 Millionen Euro festgestellt.

Zur Plausibilitätsprüfung von Ausfuhr- bzw. innergemeinschaftlichen Lieferungen standen den Finanzämtern zwei elektronische Kontrollverfahren zur Verfügung. In keinem von stichprobenweise untersuchten rund 200 Fällen hatten die Finanzämter diese Verfahren genutzt. Die insoweit ungeprüften steuerlichen Risiken summierten sich auf annähernd 50 Millionen Euro.

Neues Risikomanagementsystem für die Umsatzsteuererklärungen

Die Finanzverwaltung des in Rede stehenden Bundeslandes hatte sich im Jahr 2007 mit der Bitte an den Programmierverbund der Länder (KONSENS) gewandt, die beiden Kontrollverfahren in eine maschinelle Fallprüfung der Umsatzsteuer einzubinden. Ob und wann dieses Anliegen umgesetzt wird, war im Jahr 2017 noch immer ungeklärt.

Die Verfahren der Finanzämter zur Aktenführung und Datenspeicherung erschweren es den für die Bearbeitung der Umsatzsteuererklärungen zuständigen Mitarbeitern, sich schnell und unkompliziert über alle entscheidungserheblichen Tatsachen zu informieren. Ursächlich hierfür ist u.a. die dezentrale Aktenführung in den verschiedenen Arbeitsgebieten sowie die unsystematische, wenig zielgerichtete Informationsbereitstellung in verschiedenen Steuerakten und Programmen. Dies gilt insbesondere für Informationen über Maßnahmen der Außendienste.

Aufgrund der internen Untersuchung hat die Finanzverwaltung des betreffenden Bundeslandes eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Bearbeitungsqualität bei der Umsatzsteuerveranlagung ergriffen. Die Finanzämter wurden angewiesen, die vorhandenen elektronischen Abfrage- und Kontrollverfahren verstärkt zu nutzen. Die elektronischen Verfahren selbst wurden technisch verbessert.

Ein neues Risikomanagementsystem für die Umsatzsteuererklärungen wurde zwischenzeitlich eingeführt. Zur Softwareentwicklung im Konsens-Verbund sagt das Finanzministerium des betreffenden Bundeslandes, dass seine Einflussmöglichkeiten auf den Programmier-Verbund stark begrenzt seien. Insofern sei weiterhin offen, wann die angeforderten verbesserten Softwarelösungen tatsächlich bereitgestellt würden. Erneut zeigt sich, wie schwer es dem deutschen Staat fällt, technische Großprojekte, hier gemeinsame Softwareentwicklungen, in überschaubarer Zeit zu realisieren.

*Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar.


Quelle und Kommentare hier:
https://www.geolitico.de/2018/07/13/staat-will-umsatzsteuer-eintreiben/