Wer schützt unsere Kinder? (Teil 2)

von Ulrike S.

Mein zweites noch größeres Entsetzen tut sich auf, wenn ich mir in der Unterrichtshandreichung Lesbische und schwule Lebensweisen – ein Thema für die Schule die Fragen an die Schüler auf Seite 20 ansehe. Es handelt sich hier um einen fächerübergreifenden Unterrichtsentwurf ab Klasse 7, das heißt, er ist für Schüler im Alter von zwölf bis dreizehn Jahren vorgesehen. Hier der heterosexuelle Fragebogen, wobei sich jeder jede einzelne Frage genau ansehen und auf sich wirken lassen sollte:

1 Woher glaubst du, kommt deine Heterosexualität?

Wenn ein Kind danach gefragt wird, woher seine Heterosexualität kommt, müsste es nicht auch danach gefragt werden, woher es kommt, dass es kein Gemüse mag, dass es Locken hat oder schlecht rechnen kann? Niemand käme auf die Idee, so etwas zu fragen. Wenn ich Kind wäre, würde ich antworten, dass ich so bin. Ich würde mich allerdings verunsichert fühlen und würde mich fragen, ob ich denn nicht so in Ordnung bin, wie ich bin.

2 Wann und warum hast du dich entschlossen, heterosexuell zu sein?

Mit einer solchen Frage wird suggeriert, dass Heterosexualität frei wählbar und eine reine Entscheidungssache sei, so als könnte man per Knopfdruck von einem ins andere Programm umschalten. Im Kind kann das Gefühl aufkommen, es sei „falsch“, es würde nicht „richtig“ empfinden. Im Vorwort ist nachzulesen, dass es in einer demokratischen und die Würde aller Menschen achtenden Gesellschaft selbstverständlich sein sollte, dass jede einzelne Person in ihrer Individualität und Einzigartigkeit so angenommen wird, wie sie ist. Hier stelle ich mir die Frage, ob das Kind sich selbst nicht so annehmen darf, wie es ist, und seine Heterosexualität nicht als gegeben und zu ihm gehörig empfinden darf, sondern stattdessen hinterfragen soll, warum es so ist, wie es ist?

Daneben ist eine solche Fragestellung nur dann möglich, wenn man im Hinterkopf die falschen „Forschungsergebnisse“ von Kinsey hat, nämlich dass wir in Wirklichkeit fast alle bisexuell seien. Es ist, als würde das Kind gefragt werden, ob es auch ganz sicher ist, dass es ausschließlich heterosexuell ist. Es wird ihm der Eindruck vermittelt, dass wenn es wollte, es jederzeit seine sexuelle Orientierung verändern könnte, denn schließlich sei das seine freie Entscheidung.

Warum entschließe ich mich heterosexuell zu sein? Diese Frage macht mich als Erwachsener hilflos, ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Ich entschließe mich nicht dazu, sondern es sind Gefühle, die mir innewohnen, genauso wie in mir die eine oder andere Begabung vorhanden ist. Da kann ich gar nichts entscheiden. Ich kann mich schließlich auch nicht entscheiden, ob ich musikalisch sein will oder nicht, entweder bin ich es oder nicht. Genauso bin ich auch heterosexuell oder nicht.

Was löst eine solche Frage in einem zwölfjährigen Kind aus, das gerade sein Interesse am anderen Geschlecht entdeckt, falls es in seiner Entwicklung überhaupt schon so weit ist? Das Selbstbild wird irritiert, es könnten Ängste entstehen, seine Sexualität überhaupt zu entwickeln, denn es könnte falsch sein, wie es empfindet. Allein die Frage danach, warum jemand so ist, wie er ist, ist völlig absurd. Das Kind könnte auch dahin gelenkt werden, genau die sexuelle Orientierung anzunehmen, die ihm als „richtig“ vermittelt wird, obwohl diese ihm gar nicht eigen ist. Vielleicht ist das genau die Absicht, die hinter der Unterrichtshandreichung steckt.

3 Ist es möglich, dass deine Heterosexualität nur eine Phase ist und dass du diese Phase überwinden wirst?

Aus dieser Frage wird sehr deutlich, davon ausgegangen wird, dass eine reine Heterosexualität eine Minderheit in der Bevölkerung darstellen würde und man nur lange genug fragen muss, bis das Kind „entdeckt“, dass es auch bisexuelle Gefühle hat. Hier wird ganz klar nach Kinseys nicht repräsentativen „Forschungsergebnissen“ gearbeitet.

Warum wird in den Raum gestellt, dass das Kind seine Heterosexualität überwinden kann? Was ist falsch daran, warum darf es nicht einfach heterosexuell sein? Das Kind wird im höchsten Maße verwirrt, ich sehe hier eine Manipulation, mit der das Kind von seiner Identität als Junge oder Mädchen abgebracht werden soll. Es könnte sich fragen, ob es „richtig“ ist, sich zum jeweiligen anderen Geschlecht hingezogen zu fühlen, denn es scheint nicht „normal“ zu sein, ständig heterosexuell zu empfinden. Es ist, als ob es dazu angehalten wird, irgendeine Schwäche zu überwinden, die Schwäche der Heterosexualität.

4 Ist es möglich, dass deine Heterosexualität von einer neurotischen Angst vor Menschen des gleichen Geschlechtes kommt?

Heterosexualität ist nicht normal, nein, sie ist aus einer neurotischen Angst vor Menschen des gleichen Geschlechts entstanden. Eine Neurose wiederum ist eine psychische Störung ohne erkennbare körperliche Ursachen. Das heißt also, wer heterosexuell ist, ist womöglich psychisch gestört. Das schlägt dem Fass den Boden aus! Demnach wäre der größte Teil der Bevölkerung psychisch gestört, denn der überwiegende Teil ist heterosexuell. Die Möglichkeit hingegen, dass es ganz einfach eine Veranlagung ist, wird völlig ausgeschlossen. Eine normale und weit verbreitete Empfindung oder auch Veranlagung wird hier zu einer psychischen Störung umfunktioniert.

Im Gegenzug müsste man hier allerdings auch fragen, ob denn Lesben und Schwule aus Angst vor dem anderen Geschlecht lesbisch und schwul geworden sind. Warum wird diese Frage eigentlich nicht gestellt? Weil klar ist, dass der größte Teil der Schüler heterosexuell empfindet, und es offenbar nicht darum geht, mögliche Ursachen für ein schwul oder lesbisch Werden genauer zu betrachten. Es geht nur darum, zu schauen, warum jemand heterosexuell sein könnte.

5 Wissen deine Eltern, dass du heterosexuell bist? Wissen es Deine Freundinnen und Freunde? Wie haben sie reagiert?

Also ich glaube, für Eltern und auch Freunde ist es nichts Außergewöhnliches, wenn sie merken, dass ihr Kind oder die Freunde und Freundinnen heterosexuell sind. Es ist das Normale, und deshalb wird es hierauf keine besondere Reaktion geben. Ich weiß gar nicht, warum eine solche Frage überhaupt gestellt wird.

Warum wird nicht die Frage gestellt, ob Eltern und Freunde wissen, ob das Kind schwul oder lesbisch ist? Hier wären andere Reaktionen zu erwarten, weil es von der Norm abweicht. An diesem Punkt könnte dann an einer möglichen Ablehnung der Eltern oder auch der Freunde gearbeitet werden. Aber ist es nicht eigentlich auch so, als wenn hier gefragt werden würde, ob die Eltern wissen, dass ihr Kind normal ist?

6 Eine ungleich starke Mehrheit der Kinderbelästiger ist heterosexuell. Kannst Du es verantworten, deine Kinder heterosexuellen Lehrer/innen auszusetzen?

Moment mal, hier sollen zwölf- bis dreizehnjährige Kinder darüber nachdenken, was sie später einmal mit ihren Kindern machen!? Aber ging es nicht eigentlich um den Abbau von Diskriminierung von Lesben und Schwulen? Was hat das damit zu tun, ob die Lehrer ihrer späteren Kinder heterosexuell sind oder nicht? Und soll das heißen, dass Kinder sicherer sind, wenn sie von Lesben oder Schwulen unterrichtet werden? Lesben und Schwule sind gut und Heterosexuelle neigen zur Pädophilie, ist es das, was hier vermittelt werden soll?

Man könnte glatt meinen, heterosexuelle Menschen stellten eine absolute Gefahr dar. Es wird das Wort „aussetzen“ verwendet, so als sei ein heterosexueller Lehrer ein gefährliches Tier und das Kind hiermit einer besonderen Gefahr „ausgesetzt“. Vielleicht sollte in diesem Zusammenhang auch einmal erwähnt werden, dass der größere Anteil der Bevölkerung heterosexuell ist, da ist es nur logisch, dass hier eine größere Anzahl von Pädophilen zu finden ist, als in einer sehr kleinen Gruppe von Schwulen und Lesben. Frage: Was ist, wenn ein Schüler tatsächlich seine Heterosexualität „überwunden“ hat, wo kommen denn dann seine Kinder her? Aus dem Reagenzglas?

7 Was machen Männer und Frauen denn eigentlich im Bett zusammen? Wie können sie wirklich wissen, wie sie sich gegenseitig befriedigen können, wo sie doch anatomisch so unterschiedlich sind?

Vielleicht können sie das erfahren, indem sie miteinander sprechen? Gerade der Unterschied, das Anderssein macht hier den Reiz aus und rein anatomisch passen sie wunderbar zusammen. Der Gegenpart hat das, was er sich zur Befriedigung wünscht. Es geht hier um das gegenseitige Ergänzen, ein Empfinden des Komplettwerdens, wenn der andere, der anatomisch anders ist, bei einem ist. Es ist irrig, davon auszugehen, dass ein geschlechtlicher Unterschied dazu führen würde, nicht zu wissen, wie man beim anderen eine Befriedigung herbeiführen könnte. Die Aussage dieser Frage ist, dass jemand mit einem anatomischen Unterschied nicht wirklich in der Lage sein kann, den anderen zu befriedigen. Auch das ist absurd.

8 Obwohl die Gesellschaft die Ehe so stark unterstützt, steigt die Scheidungsrate immer mehr. Warum gibt es so wenige langjährige, stabile Beziehungen unter Heterosexuellen?

Gegenfrage: Wie viele langjährige, stabile Beziehungen gibt es unter Homosexuellen? Als wenn die sexuelle Orientierung etwas mit Beziehungsproblemen bzw. Konflikten innerhalb einer Partnerschaft zu tun hätte. Dass allein aus einem Zusammenleben mit einem Partner, egal welchen Geschlechts er ist, Problematiken entstehen können, wird gänzlich ausgeschlossen. Homosexuelle haben sicherlich ähnliche Beziehungsprobleme, weshalb sich auch diese voneinander trennen werden.

Womit unterstützt die Gesellschaft denn die Ehe überhaupt? Habe ich da etwas verpasst? Auch hier wird ein völlig verzerrter Zusammenhang hergestellt, nämlich der, dass, obwohl die Gesellschaft die Ehe unterstützen würde, es zu steigenden Scheidungsraten käme. Kann es vielleicht daran liegen, dass man sich heute schneller als früher scheiden lässt, weil die kirchlichen Dogmen immer weniger Einfluss auf die Entscheidungen der Bevölkerung haben? Früher war eine Scheidung mehr oder weniger tabu, in heutigen Zeiten hat sich das aber sehr verändert. Welche Antwort wird hier eigentlich erwartet? Ich vermute, die Schüler sollen erkennen, dass sich so viele scheiden lassen, weil sie zu unterschiedlich sind. Zwischen den Zeilen wird ausgesagt, dass es bei Schwulen und Lesben stabilere Beziehungen gäbe, weil sie aufgrund ihrer Gleichgeschlechtlichkeit besser wüssten, was der andere will oder braucht.

9 Laut Statistik kommen Geschlechtskrankheiten bei Lesben am wenigsten vor. Ist es daher für Frauen wirklich sinnvoll, eine heterosexuelle Lebensweise zu führen und so das Risiko von Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft einzugehen?

Diese Frage stellt ja wohl das reinste Plädoyer für das lesbisch Werden dar! Den Kindern wird ganz klar davon abgeraten, heterosexuell zu sein. Ihnen wird Angst gemacht, dass sie sonst krank werden könnten. Ach ja und Schwangerschaft ist ein Risiko, so als wenn das ebenfalls so etwas wie eine Krankheit oder eine völlig unerwünschte Folge wäre. Dass es tatsächlich auch gewollte Schwangerschaften gibt, wird außen vor gelassen. Wie abartig ist das denn, muss ich mal fragen? Soll verhindert werden, dass überhaupt noch Kinder geboren werden? Wahrscheinlich ja, sonst würde nicht versucht werden, unsere Kinder umzuerziehen.

10 In Anbetracht der Übervölkerung stellt sich folgende Frage: Wie könnte die Menschheit überleben, wenn alle heterosexuell wären?

Hier wird mit der Mär der Überbevölkerung gearbeitet, die es in Wahrheit gar nicht gibt, denn trotz einer wachsenden Bevölkerung sinkt die Anzahl der Hungertoten. Ist das eventuell eine Aufforderung schwul oder lesbisch zu werden? Heterosexuell geht gar nicht, denn dann vermehrt sich die Menschheit ja.

Was kann aus dieser Frage noch herausgelesen werden? Dass eine Übervölkerung das Aussterben der Menschheit herbeiführen würde, so als wenn alle des Hungers sterben würden, wenn die Bevölkerung zu sehr anwächst. Das Gegenteil ist doch der Fall, wenn alle schwul und lesbisch sind, wird es keine Kinder mehr geben und dann stirbt die Menschheit aus. Aber wahrscheinlich gibt es dann nur noch künstliche Befruchtungen, um ein Aussterben abzuwenden. Und was bedeutet es, wenn es nur noch künstliche Befruchtungen gibt? Die absolute Kontrolle über die Geburtenrate! Vielleicht soll deshalb erreicht werden, dass Kinder ihre Heterosexualität „überwinden“.

11 Es scheint sehr wenige glückliche Heterosexuelle zu geben; aber es wurden Verfahren entwickelt, die es dir möglich machen könnten, dich zu ändern, falls du es wirklich willst. Hast du schon einmal in Betracht gezogen, eine Elektroschocktherapie zu machen?

Aha, wenn wir heterosexuell sind, laufen wir Gefahr, unglücklich zu werden. Auch das stellt eine Warnung für die Kinder dar: Werde und bleibe ja nicht heterosexuell, sonst wirst du unglücklich!

Und jetzt sind die Schüler so weit, dass sie sowohl ihre Heterosexualität ablehnen, als dass sie diese sogar auch als etwas Unheilbringendes empfinden, das sie besser loswerden sollten. Heterosexualität bringt unglückliche Beziehungen, birgt ein Erkrankungsrisiko, ist womöglich eine neurotische Erkrankung, sie ist keine wirkliche natürliche Veranlagung, trägt zur angeblichen Überbevölkerung bei, sie ist prädestiniert, Pädophile hervorzubringen und könnte eine Schwangerschaft nach sich ziehen. Welch ein Bild wird hier den Kindern vermittelt! Das ist im höchsten Maß besorgniserregend! Doch das Schlimmste kommt noch, die Lösung für die Kinder: eine Umpolung mittels Elektroschocks! Das ist der Schock schlechthin! Was vermittelt dies einem Kind? Hauptsächlich, dass es so, wie es ist, nicht in Ordnung ist. Ihm wird eine Angst vor der Heterosexualität geradezu eingebläut! Das ist das Gegenteil von dem, was im Vorwort als ein Ziel formuliert ist, nämlich dass jede einzelne Person in ihrer Individualität und Einzigartigkeit so angenommen wird, wie sie ist. Ein heterosexueller Schüler darf sich nicht so annehmen, wie er ist, sondern er soll darüber nachdenken, sich umpolen zu lassen, weil eine Heterosexualität absolut gefährlich ist. Das ist an Perversität nicht mehr zu toppen!

Daneben ist es auch eine sehr überzogene Aussage, dass es nur sehr wenige glückliche Heterosexuelle gäbe. So, als wenn ein schwul Sein oder lesbisch Sein ein Garant für glückliche Beziehungen sei. Auch das ist völliger Quatsch.

12 Möchtest du, dass dein Kind heterosexuell ist, obwohl du die Probleme kennst, mit denen es konfrontiert würde?

Und wieder soll sich ein zwölf- bis dreizehnjähriges Kind Gedanken darüber machen, mit was es eines Tages sein Kind „konfrontieren“ will und mit was nicht. Die Frage klingt, als würden die Kinder dazu aufgefordert werden, später ihre eigenen Kinder vor einer Heterosexualität zu bewahren, da diese ungemein problematisch sei. Was macht der Schüler mit seinem späteren Kind, wenn er nicht will, dass es heterosexuell ist? Wird er es mit Elektroschocks „behandeln“ lassen?

Nur aus einer Heterosexualität können Probleme erwachsen, bei Schwulen oder Lesben scheint es diese nicht zu geben. Wird jemand schwul oder lesbisch, so scheint er vor konflikthaften und komplizierten Beziehungen gefeit zu sein. Weiter könnte man sich nicht von der Realität entfernen. Schwul und lesbisch ist gut und heterosexuell schlecht, lautet die vereinfache Botschaft.

Warum tauchen in diesem Fragebogen eigentlich keine Fragen bezüglich Schwulen und Lesben auf? Wie beispielsweise, was denkst du, wie Schwule und Lesben empfinden? Fühlen die anders als du? Wie geht es Schwulen und Lesben, wenn sie merken, dass fast alle anderen anders empfinden als sie? Glaubst du, dass sie sich manchmal einsam und ausgestoßen fühlen? Kannst du dir vorstellen, mit einem Schwulen oder einer Lesbe befreundet zu sein? Stattdessen steht ausnahmslos der heterosexuell empfindende Schüler im Vordergrund, der sich selbst ständig hinterfragen und am besten umpolen lassen sollte.

Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass der Fragebogen in den Schülern hochgradige Ängste vor einer Heterosexualität aufbauen und schüren soll. Das hat für mich nichts mehr mit dem Abbau von Diskriminierung von Schwulen und Lesben und schon gar nicht von Minderheiten zu tun.


Quelle und Kommentare hier:
http://www.buergerstimme.com/Design2/2014-08/wer-schuetzt-unsere-kinder-teil-2/