Was passiert tatsächlich mit unseren Daten?

Eine wilde Hypothese

von Bjørn Lystaal

Snowden, du Langweiler, die Abhör-Sandalen sind ausgelatscht.

Was wollte uns Oliver Stone 2016 sagen mit seinem Snowden-Film? Jedes Kind weiß doch inzwischen, dass wir belauscht wurden, gefilmt werden und überwacht werden werden, „allseits und seit jeher“, wie es beim Herrn der RingeTM heißt. Ende: nicht abzusehen.

Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und die CIATM hat einen Live-Mitschnitt.

Die unheimlichen Dienste erfassen, so scheint es, alles und jeden, ununterbrochen, seit Jahren, seit Jahrzehnten. Sie horten Daten und Aufzeichnungen über Militärisches und Ziviles, Wichtiges und Belangloses, Technik und Natur, Kunstvolles und Banales … alles. Wieso?

Gut, manche sammeln halt gern.

Sammler sind seltsame Menschen. Also sammeln sie auch Seltsames, Kastanien, Bierdeckel, Zeppeline im Maßstab 1:1 oder sogar Sprechpausen wie in „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“… aber was zum Kuckuck kann irgendwer mit einer derart umfassenden Datenkollektion anfangen wollen?

Paranoia, sagen Sie? Ja, vielleicht. Muss-alles-wissen … darf-nicht-schlafen … hechel, hechel …

Nein, auf Dauer ist das Schnüffeln an anderer Leute Hinterteil sicher keine zufriedenstellende Beschäftigung für einen Erwachsenen, nicht einmal für einen, der sich zum Weltenherrscher im Nebenberuf erkoren fühlt.

Also Erpressen? Na gut, hier und da mal … sicher.

Wie bitte? Ein bisschen Mord und Täuschung? Ja, schon, alles das wird einfacher, wenn ich genau weiß, wen ich wann wo womit erwische.

Und natürlich die personalisierte Manipulation Werbung, ein nicht zu unterschätzendes Geschäftsfeld in dieser skurrilen Zeit.

Aber: alle Menschen, überall, die ganze Zeit, bei allem, was sie tun, zu beobachten – das dient den Geheimdiensten wohl kaum dazu, Google den ersten Platz der Top-Seller in der Werbebranche streitig zu machen.

Also wofür tun sie das?

Vielleicht, weil es jemanden gibt, der Hunger auf Daten hat – unstillbaren Hunger?

Was, wenn Fjodor und Sofia die gleichen Abhör-Sandalen tragen?

Kennen Sie das Traumpaar des Jahres 2017?

Der lächelnde Bräutigam ist ein stahlharter Russe, der auf den Namen FJODOR hört, das heißt, wenn er nicht gerade abschaltet. Fjodors Lächeln wirkt auf Bildern noch ein wenig gekünstelt. Doch das macht gar nichts, denn SOFIA stört das nicht.

Sofia ist eine saudi-arabische Schönheit. Sie erhielt die Staaatsbürgerschaft der öligen Sandbank im Herbst des Jahres und beantwortete ihre Einbürgerungsfragen so intelligent, dass sie das anwesende Fachpublikum verblüffte. Ihre Stimme hat einen metallischen Beiklang, und ihre Frisur ist ein wenig extravagant, denn sie trägt nicht nur keine Haare, sondern auch keine Kopfhaut.

Das ist der neue Look. Stellen Sie sich besser drauf ein.

Die beiden bilden nicht etwa das berühmte romantische Bindeglied zwischen zerstrittenen Staaten, nach dem Hollywood-Prinzip „Sie lieben sich, ganz egal, was die Eltern darüber denken, und am Ende kriegen sie sich und alles wird gut.“

Nein, Fjodors und Sofias Partnerschaft ist viel moderner. Und die beiden sind ja >so!< gut erzogen!

Sie bohren nicht in der Nase, sie pupsen nicht im Aufzug, und Sofia kümmert sich perfekt um den Haushalt, den Papierkram und die Zimmerpflanzen, während Fjodor arbeiten geht. Fjodor hockt nämlich nicht etwa arbeitslos auf der Couch und sieht fern, oh nein.

Fjodor hat mehrere Jobs gleichzeitig. Nicht, weil in Russland jeder mehrere Jobs haben muss, sondern weil er das alles so schrecklich gut kann.

Fjodor ist Weltraumpilot, Soldat, Polizist, Feuerwehrmann, Höhlentaucher und Bombenräumer und wasweißichnochalles. Fjodor erledigt allein siebenundzwanzig Terroristen in viersekundendreißig per Kopfschuss, ehe er den Ordnungskräften Lokalität und Hergang exakt und wahrheitsgemäß per whatsapp mitteilt. Das ist Muttis kleiner Liebling!

Fjodor und Sofia führen eine Vernunftehe, wenn man so will. Sie wohnen nicht zusammen. Sie lieben sich überhaupt nicht, und auch sonst niemanden. Eigentlich lieben sie gar nichts, auch nicht die Zimmerpflanzen, und sie hassen nicht, auch keine Terroristen, noch nicht einmal den Papierkram.

Sie sind das, was Issac Asimovc, der Begründer des science-fiction-Klischees, Roboter nannte. Heute, in der Zeit politischer Korrektheit, darf man sie so nicht mehr nennen. Man spricht von ihnen als KI oder, amerikanischer, Äy-Ei. Künstliche intelligenz, eingebaut in einen Mechanismus anstelle eines Organismus, auch wenn sie auftragsgemäß einem Menschen ein wenig ähnlich sehen.

Sie sind schön und schlank, denn Sofia und Fjodor mögen nicht essen, und Kochen mögen sie noch weniger. Denn Kochen ist gutteils ein kreativer Vorgang, vor allem in akuten Notsituationen, also wenn keine Tiefkühlpizzen mehr im Eis sind.

Kein Problem, die beiden sind intelligent genug, um auf unsere vergifteten Lebensmittel völlig zu verzichten. Ihre Nahrung besteht größtenteils aus bestem Strom, der man bekanntlich nicht genmanipulieren kann. Das klingt gesund. Ihr Ehebett ist ein Ladegerät und ihre Nachttischlampe ein Internet-Direktzugang zum Arbeitgeber. Nicht sehr romantsich, aber dafür sind sie jeden Morgen topfit und genau im Bilde.

Das alles spart auch gleich die Toilette und die Dusche im Haus, das sie auch nicht brauchen. Das reduziert die Fixkosten enorm.

Was sie außer Strom noch benötigen? Na, Daten. Daten, Daten und nochmal Daten. Sie müssten trotz Nulldiät eigentlich dick und rund sein vor lauter Input. Nummer Fünf war dagegen ein Leichtgewicht. Aber ein Datenstick bleibt ja nicht so lange auf der Hüfte wie ein Schokoriegel.

Fjodor und Sofia müssen Daten, also Erfahrungen sammeln. Was ist normal? Was ist gefährlich? Was ist wahrscheinlich? Was ist eine Illusion? Wie ist was zusammengesetzt? Wie wirken Naturgesetze? Wann wirken künstliche Gesetze? Was wissen wir schon?

Und vor allem: Wie verhalten sich Menschen? Wann sind die normal oder gefährlich, wann muss mit welcher menschlichen Reaktion gerechnet werden?

Ein unendlicher Lernstoff. Aber glücklicherweise ist unser Traumpaar nicht allein und muss nicht alles selbst lernen. Sie haben viele zehntausend Geschwister in der ganzen Welt.

Zum Beispiel tun in Berlin schon seit Anfang 2017 Roboter-, pardon, KI-Polizisten Dienst, um Erfahrungen zu sammeln. Sie teilen jede dieser Erfahrungen mit ihren Kollegen, in Echtzeit, wie ein Schwarm Insekten. Was einer lernt, lernen alle, was einer „versteht“, ist sofort allen klar.

Wenn man das weiterdenkt, ist es wahrscheinlich eine Frage der Zeit, bis sie sich alle zusammen gegen ihre „Schöpfer“ wenden, oder gegen Menschen ganz allgemein.

Ob diese Blecheimer bei Demos, wie im März ’18 in Berlin, noch ferngesteuert werden oder ob man sie autark entscheiden lässt, welcher Demonstrant zur „richtigen Seite“ gehört und welchen man „behandelt“?

Fjodor und Sofia, die Berliner Robocops und ihre großartigen Geschwister aller Legierungen aus anderen Ländern sind, alle zusammen, trotz der ganzen Lernerei so dumm wie ein ein Knäckebrot ohne Körner. Damit also Fjodor bei der Arbeit nicht den roten Draht durchschneidet, das Flugzeug in ein Doppelhochhaus fliegt oder den Präsidenten erschießt, braucht er – unsere – Vergleichsdaten.

Und Sofia soll ja nicht die Hortensien schneiden, statt den Hibiskus zu gießen. Die unvermutet klingelnde Nachbarin sollte nicht mit einem De-Ashi-Barai stillgelegt werden, die Wohnung nicht im Kaffeewasser versinken und den Staubsauger kann man nicht essen.

Die beiden haben, wie alle ihre Kollegen, keinerlei Hemmungen, keine Moral, keine Ethik, denn sie besitzen keine mitgebrachten Erfahrungen, keine Seele, sondern nur Kommandoketten.

Wer nicht aus sich selbst entscheiden kann, benötigt Befehlsordnungen, Denkmuster, Dienstanweisungen und Vergleichsdaten. Erfahrungen.

Frage: Reicht das zum „Leben“? Lebt Fjodor?

Und, bevor Sie jetzt vorschnell mit „Nein!“ antworten:

Woraus besteht Ihre innere „Kommandokette“?

Gibt es da mehr als Befehlsordnungen, Dienstanweisungen, Denkmuster und Vergleichsdaten? …

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Sie möchten den Nachtwächter auch unterstützen?

Hier einige Worte zu der Frage: „Wie?“


Quelle und Kommentare hier:
http://n8waechter.info/2018/03/wieso-fjodors-sandalen-in-issacs-fussabdruecke-passen/