Von Xantens Kolumne – Hohe Nacht der klaren Sterne

Von Siegfried von Xanten

Hohe Nacht der klaren Sterne. Ein besinnliches Fest. Was heißt das eigentlich? Fest. Und besinnlich.

Fest kommt aus dem Mittelhochdeutschen. Abgeleitet aus dem Lateinischen: festum. Was so viel heißt wie Feiertag. Ein besonderer Tag. Mit soziologischer Komponente.

Menschen treffen sich und sind gesellig. Mitunter mit hoher Emotionalität. Bis hin zur Ekstase. Mit anarchischer und destruktiver Komponente, …:

„… ein gestatteter, vielmehr ein gebotener Exzess, ein feierlicher Durchbruch eines Verbotes.“

Sagt Sigmund Freud. Die psychoanalytische Konifere. Die freilich auf nationalsozialistischem Boden nicht mehr so recht gedeihen wollte. Denn jetzt hieß es:

„Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele!“

Die Besinnung auf den Adel der menschlichen Seele. Und besinnlich? Heißt nachzudenken, ruhig und leise zu sein, sich zurückzuziehen, sich auf die höheren Werte im Leben zu besinnen. Eine Tugend. Die sich kultivieren lässt.

Ein Oxymoron. Das besinnliche Fest. Wenn man beim Fest die anarchische Komponente betont. So wie der stumme Schrei. Oder der alte Knabe. Oder weniger ist mehr. Ein Antonym zum Pleonasmus.

Der Pleonasmus. Eine Wortgruppe, bei der eine bestimmte Bedeutung mehrfach – semantisch redundant – auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht wird. So wie pechrabenschwarz. Oder weibliches Bankzinsenluder. Wobei im Bankzinsenluder ja bekanntlich auch noch ein Anagramm steckt. Etwa so wie Klare Maengel und Angela Merkel. Oder Alarm Ekel Gen.

„Hohe Nacht der klaren Sterne“

Weder ein Pleonasmus noch ein Oxymoron, wohl aber das populärste Weihnachtslied in der Zeit des Nationalsozialismus. Geschrieben hat es Hans Baumann. Deutscher Lyriker, Komponist und Volksschullehrer.

Der Sänger oder Zuhörer im bestirnten Himmel. Weit über dem Neugeborenen. Hohe Zeit der „Hohen Nacht“ die Wacht anzusagen:

„Kurz, in diesem Machwerk wird mit künstlich-volkstümlichem Geschwurbel ein erhabenes und selbsterhebendes Gefühl beschworen, Naturverbundenheit, mystisches Gewaber und Mutterkult werden verwoben in einem den Verstand mißachtenden und vernebelnden Lied.“

Schwurbelt Claudia Sperlich. Katholikin. Gewaber.

Und was sagt der Schwabe?

„S’geit scho bruddal viel Leit dia fließend Scheißdregg schwätzad!“

Von Hans Baumann stammen auch die berühmten „morschen Knochen“. Morsche Knochen. Osteoporose. Knochenmasse geht verloren, und die Mikroarchitektur des Knochens verändert sich. Die Folge sind Schmerzen. Und ein erhöhtes Bruch-Risiko. Was kann da helfen? Waschmittel.

Genauer Substanzen aus der Waschmittelindustrie. Bisphosphonate. Alendronat kann …:

„… zehn Jahre lang bedenkenlos eingenommen werden, ohne dabei an Wirkung zu verlieren.“

Versichert nicht die Waschmittelindustrie, sondern eine Studie. Eine Studie. Von Experten erstellt.

Und die Waschmittelindustrie singt:

„Es zittern die morschen Knochen der Welt …“

… zur Werbungs-Musik, …:

„… wir haben den Schrecken gebrochen, für uns war’s ein großer Sieg. Wir werden weiter marschieren wenn alles in Scherben fällt, denn heute da hört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.“

Bekannt und verboten. Ein verbotenes Propagandamittel des Nationalsozialismus. Nach StGB §§ 86 f.

Und „Hohe Nacht der klaren Sterne?“ Ein subtiles Werkzeug der nationalsozialistischen Umgestaltung des Weihnachtskultes. Sagt Manfred Gailus. Experte und Historiker an der Technischen Universität Berlin.

Geil. Die Nationalsozialisten hätten einen neuen, vermeintlich germanischen Sonnenwendkult geschaffen, auch Julfest genannt. Und sie hätten die Mutterrolle verklärt und einen Naturmythos inszeniert, der dem Tod als existenzieller Voraussetzung für das Leben huldigte. So der Experte. Und „Hohe Nacht der klaren Sterne“ vereine alle diese Elemente:

„Das mag erst mal unverdächtig klingen, aber dadurch, dass dieses Lied von den Nazis sehr verbreitet und forciert wurde, löst es bei manchen Mitmenschen sicher noch heute großes Befremden aus. Man kann das Lied nicht von seiner historischen Rezeption trennen. Man kann sich natürlich auch doof stellen und all das ignorieren. Am besten singt man dann anschließend noch alle drei Strophen des Deutschlandliedes. Denn auch darin ist ja nichts ‚nazi‘-haft, nicht wahr?“

Wie doof kann man sein?

Ein Nazilied. Ein problematischer Bezug, der sich auch beim Brot nicht von der Hand weisen lässt. Nicht nur farblich. In der Zeit des Nationalsozialismus hatten viele Menschen die Angewohnheit, zum Frühstück und auch abends Brot zu essen, was kein gutes Licht auf das Bäckerhandwerk wirft.

Zwei Fälle für die Amadeu Antonio Stiftung. Das Bäckerhandwerk. Und die „Hohe Nacht der klaren Sterne“:

1. Hohe Nacht der klaren Sterne,
Die wie helle Zeichen steh’n
Über einer weiten Ferne
D’rüber uns’re Herzen geh’n

2. Hohe Nacht mit großen Feuern,
Die auf allen Bergen sind,
Heut‘ muß sich die Erd‘ erneuern,
Wie ein junggeboren Kind!

3. Mütter, euch sind alle Feuer,
Alle Sterne aufgestellt;
Mütter, tief in euren Herzen
Schlägt das Herz der weiten Welt!

Hoch, klar, weit, tief und groß. Positiv konnotierte Adjektive mit Naturanbindung: Nacht, Sterne, Feuer, Berge und Erde. Zurückgeführt auf den Lebensursprung: die Mutter.

Eine ganz perfide Form sublimer Propaganda:

„Laut Michael Fischer wird das Lied in der Gegenwart entweder aus Unkenntnis (da es keine auf den ersten Blick als nationalsozialistisch erkennbaren Textstellen enthält) oder bewusst vornehmlich in rechtskonservativen Kreisen verbreitet und rezipiert. Auch verschiedene Rechtsrock-Bands brachten das Lied auf Tonträger heraus […]

Geschickt wurden Versatzstücke, textliche und musikalische ‚Sprachfertigteile‘ aufgegriffen, die dem Ton der bekannten christlichen Weihnachtslieder nachempfunden waren. Sie weckten den Schein des Vertrauten.‘“

Nacht, Sterne, Feuer, Berge, Erde. Und die Mütter. Sprachfertigteile und Versatzstücke.

Die Mutterrolle. Ein Rätsel. Von Dichtern und Malern idealisiert und glorifiziert. Von Psychologen analysiert. Und von den Forschern vernachlässigt, …:

„… gerade so, wie die lieben Verwandten und Anverwandten einer Frau im Wochenbett. Alle stürzen sich auf das Kind, sorgen sich um dessen Beziehung zur Mutter, auf dass es ja nicht zu kurz komme. Die Mutter, sie hat glücklich zu sein. Ihre oft dramatischen Ambivalenzen – kaum ein Thema.“

Dramatische Ambivalenzen – ein Kreuz für die Mutter. Das Mutterkreuz. Was sagt der Führer?

„Es gibt im Grunde genommen nur drei reelle Auszeichnungen: das Mutterkreuz, die Dienstauszeichnung und das Verwundetenabzeichen. An der Spitze steht das goldene Mutterkreuz. Das ist der schönste Orden. Ihn trägt ohne Ansehung der Person die Frau des Ministers und die Bauersfrau. Der Mensch ist hier ganz losgelöst von allem anderen.“

Nicht losgelöst, sondern eng verbunden mit der germanischen Kultur war das Heimatwerk Sachsen. 1936 gegründet. Das erste der deutschen Gauheimatwerke.

Und man beschäftigte sich schwerpunktmäßig auch mit dem deutschen Weihnachtsfest. Ein Brückenschlag zur Glaubenswelt der Vorfahren. Das Weihnachtsfest sei …:

„… kein christliches Fest, sondern vielmehr gegen den Willen der Kirche eingeführt worden. Priester hätten es nur nachträglich in ihrem Sinne christlich umzudeuten verstanden. Das ‚tiefe Mysterium der deutschen Weihnacht‘ könne nur begreifen, wer es ‚in seiner Ursprünglichkeit und Unverfälschtheit empfindet‘.“

Aufgabe des Vereins sei es, „den wahren Sinn des Festes ins rechte Licht zu rücken.“

Weihnachten. Was sagt der Führer?

„Ich habe einmal eine große Ausgabe mit Illustrationen zu Weihnachten bekommen. Der ‚Don Quichotte‘ ist illustriert worden von Gustav Dore in einer wahrhaft genialen Weise. Das dritte war eigentlich ‚Onkel Toms Hütte‘. ‚Gullivers Reisen‘ haben auch einen Riesenwelterfolg gehabt. Da ist jedes Werk für sich eine grandiose Idee gewesen, so etwas haben wir leider nicht.

In Deutschland haben sich außer Karl May Jules Verne und Felix Dahn durchgesetzt, das ist schon etwas Gehobenes. Als ich ein junger Mensch war, hat Alt-Heidelberg einen unglaublichen Erfolg erzielt. Wenn das mit einer Stadt verbunden ist, da kann eine Stadt unglaublich profitieren. Wie ist Bremen durch die Stadtmusikanten und der Spessart durch das Wirtshaus im Spessart überall bekannt geworden!“

Bremen. Der Ratskeller. Der deutsche Gruß:

„Im Ratskeller in Bremen habe ich 1921/22 die Leute sich so grüßen sehen. Da ist es mir zum ersten Mal aufgefallen. Es ist das alte Überbleibsel: Ich habe keine Waffe in der Hand! Am ersten Parteitag in Weimar habe ich dann so grüßen lassen. Die SS hat es ganz stramm gemacht. Die anderen haben uns von da an Faschistenhunde genannt.“

Hunde. Weihnachten. Das führt zu der Frage:

„Was kann man einem Hund zu Weihnachten schenken und worauf sollte man an den Festtagen achten? Die Antworten stehen im Fressnapf-Ratgeber.“

Und worauf muss man bei Weihnachten sonst noch so achten? Alles Handel. Alles Kommerz.

Gut. Und nun bringt der Hund uns zum Karneval, zurück zum Brauchtum:

„Jecker Hund. Zwischen Karnevalisten und Hochzeitsgästen macht ein Hund mit Pappnase vor dem Kölner Rathaus Männchen.“

Melden die Pappnasen von der Bordkapelle.

Eine Präsentationsschau für das Brauchtum der Gaue. Weihnachten 1935 in Berlin. Unter dem Funkturm:

„Sachsen und das Erzgebirge waren dabei von besonderem Interesse: 1937 wurde in Schwarzenberg etwa die „Feierohmdschau“ zelebriert. Die Reichsbahn stellte Sonderzüge zur Verfügung, und aus dem ganzen Land wurden Menschen in den kleinen Ort im Erzgebirge gebracht, um deutsche Arbeiterkunst in Form der erzgebirgischen Volkskunst zu bewundern.“

Räuchermännchen als Symbol deutscher Handwerkskunst aus dem Erzgebirge. Der Weihnachtsbaum als Symbol der lebensspendenden, immergrünen Fruchtbarkeit. Und der „Christbaum“?

Eine Bezeichnung, die in die Irre führt. So das Fachreferat des Heimatwerks. Weihnachten ein Heidenspaß. Für Christen war das zunächst nichts.

Über alle Weihnachtsbräuche wurde vor Ort durch einen Lehrer minutiös Buch geführt. Für die Einberufung der Weihnachtsbäume im Erzgebirge wurden vornehmlich Fichten rekrutiert. Seltener Kiefern und Tannen. Letztere zumeist böhmische Exportware.

Als Schmuck Äpfel und Nüsse. Als „Künder des neuen Lebens“. Pfefferkuchen, Sechsstern und Radkreuz. Und ganz oben das Sonnenrad oder Hakenkreuz.

Und die Krippe? Habe keinen Platz unter dem Baum, da „orientalisch“. Und wenn, dann nur in deutschem Ambiente. Die Krippe als Bergschmiede oder Köhlerhütte. Und Bergmänner und Kräuterfrauen anstatt der Heiligen Drei Könige. Und der Nikolaus? Wird von Knecht Ruprecht in den Sack gesteckt. Samt Nüssen und Äpfeln.

Und nach der Besinnung auf das deutsche Brauchtum folgt die Bescherung. Die Julklappfeier.

Traditionellerweise wurden die verpackten Geschenke von einem Familienmitglied ins Weihnachtszimmer geworfen:

„Inzwischen gibt es unzählige Varianten des Julklapps. Unter anderem können die Geschenke nach dem Öffnen untereinander getauscht werden, oder an das Auspacken schließt sich ein Würfelspiel an, bei dem man sein Präsent wieder verlieren und ein anderes gewinnen kann.

Besonders beliebt ist das Groll- oder Schrottwichteln. Hierfür werden statt neuer, schöner Gaben unnütze und/oder hässliche Dinge (kaputte Gummistiefel, das gehäkelte Zierdeckchen von Tante Erna) als Geschenk verpackt.“

Sagt die Bordkapelle. Wer Porzellan nach der traditionellen Art verschenkt, benötigt für das Schrottwichteln nicht erst Tante Ernas Zierdeckchen und ihre kaputten Gummistiefel.

In Gummistiefeln und wiedervereinigt stapften im August 1990 Journalisten aus Ost und West die Stufen zu einem Bunker in Berlin hinab:

„Ein Bagger hatte einen unterirdischen Zugang bei ‚Bausicherungsmaßnahmen‘ freigelegt, wie es damals hieß. War es etwa der Bunker? Der damalige Chef der Innenverwaltung Ost-Berlins – beide Stadthälften hatten bis zum Tag der deutschen Einheit ja noch getrennte Regierungen – lud flugs zur Besichtigung ein. […]

Die Aufschrift an einer rostigen Tür kündete vom ‚Reichsrundfunkraum‘. Hier und dort hatte Sickerwasser dünne Tropfsteine von der Decke wachsen lassen. Nach etwa fünfzig Metern endete der Rundgang an einer Betonwand – ein Fundament der DDR-Häuser, die später zur ‚Edelplatte‘ geadelt wurden. Für deren Bau seien bereits viele Bunkerräume im Umkreis gesprengt worden, erläuterte denn auch ein kundiger Bauingenieur aus dem Osten.

An den jetzt geöffneten sei man nur nicht herangekommen, weil der im Todesstreifen lag. Und überhaupt gehörten die zwar zu Hitlers Neuer Reichskanzlei, aber von ihm fehle hier jede Spur. Die Enttäuschung in machen Reportergesichtern hätte kaum größer sein können.“

Der Führer. Nicht mehr im Bunker. Nach 45 Jahren. Spurlos verschwunden.

Spurlos verschwunden ist auch Weihnachten. Von den Grußkarten der Integrationsbeauftragten. Die „Kapitulationsbeauftragte“ Frau Widmann-Mauz wünscht eine besinnliche Zeit und einen guten Start ins neue Jahr. Grüße aus dem Kanzleramt:

„Egal woran sie glauben …“

Aus die Mauz. Für Weihnachten. Hingebungsvoll falsch und politisch korrekt.

Was sagt der Führer zur Hingabe?

Dass „vielen gänzlich unbekannt ist“, wie die Hingabe für die Sache …:

„… viele meiner Parteigenossen früher bewogen hat, alles hinter sich zu lassen, sich in Gefängnisse sperren zu lassen, Beruf und alles hinzugeben für eine Überzeugung…

Derartiges ist in der deutschen Geschichte nur in der Zeit der Religionskriege der Fall gewesen, als Hunderttausende von Menschen ihre Heimat, Haus, Hof und alles verließen und weit weg gingen, arm wie die Kirchenmäuse, obwohl sie vorher vermögende Menschen waren, – aus einer Erkenntnis, einer heiligen Überzeugung heraus. Das ist heute wieder der Fall.“

Arm wie die Kirchenmäuse, aber richtig hingebungsvoll.

„Hingabe leben – weihnachtlich werden“. Fordert Prof. Dr. Hildegund Keul. Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz. Das Wagnis der Hingabe. Mit Migrationshintergrund:

„Christlicher Glaube beginnt mit Geburt und Flucht, mit Migration und dem Wagnis der Hingabe. Jesus wird ein Kind mit Fluchterfahrung und Migrationshintergrund, das in besonderer Weise verwundbar ist.“

Wunderbar.

Hohe Zeit zur Besinnung zu kommen. Die Zeichen könnten heller nicht sein.

Hohe Nacht der klaren Sterne, die wie helle Zeichen steh’n.

Möge Reich beschert werden.

Allen Lesern frohe Weihnachten. God Jul.

 

***

Aufrichtigen Dank an alle Unterstützer dieser Netzseite!

Sie möchten den Nachtwächter auch unterstützen?

Hier einige Worte zu der Frage: „Wie?“


Quelle und Kommentare hier:
http://n8waechter.info/2018/12/von-xantens-kolumne-hohe-nacht-der-klaren-sterne/