Thomas de Maiziere: Das Ende des treuen Trottels

von PPQ

Es war einer jener Zufälle, die sich die Geschichte immer wieder als Spaß ausdenkt, der den scheidenden Innenminister Thomas de Maiziere überhaupt in die erste Reihe der deutschen Politik spülte. 1989 suchte ein anderer de Maiziere nach Hilfe, als er gerade letzter Vorsitzender der DDR-CDU geworden war und nicht wusste, wie er Helmut Kohl erreichen sollte. Thomas, der Cousin im Westen, seit 1971 CDU-Mitglied, aber als Redenschreiber von Richard von Weizsäcker ohne Karrierechance in der Kohl-Partei, konnte helfen.

Hilfreiche Familienbande

Der Anfang war gemacht: Thomas de Maiziere wechselte als Berater seines Ost-Cousins die Seiten und verhandelte den Einigungsvertrag mit den Westdeutschen von der Ostseite aus. Danach richtete die Partei dem Mittdreißiger eine Stelle als Staatssekretär im Kultusministerium und Chef der Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern ein und als er sich dort bewährt hatte, durfte er in Sachsen als Chef der Staatskanzlei, Finanz-, Justiz- und Innenminister weitere Berufserfahrung sammeln: Unter seiner Aufsicht hatte die Sachsen LB über ihre irische Tochtergesellschaft „Sachsen LB Europe plc“, Dublin und die Fonds „Ormond Quay Funding“[6] und „Georges Quay Funding“ das Fundament gelegt, um in den folgenden Jahren rund 14 Milliarden Euro im Orkus der Finanzkrise zu versenken.

Berlin dankt de Maiziere die Mühe. Als Angela Merkel Kanzlerin wird, erinnert sie sich an den Mann, der sie seinem Cousin Lothar 1990 als Pressemitarbeiterin empfohlen hatte. Der Pleitier wird erst Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, dann Bundesminister des Innern und nach einer zwischenzeitlichen Verwendung als Bundesminister der Verteidigung schließlich wieder Innenminister.

Zwei wie Pech und Schwefel scheinen der Titular-Ossi („Ich fühle mich als Sachse“, sagt de Maiziere gern) und die in Hamburg geborene Ostdeutsche zu sein. Als de Maiziere im September 2015 der Befehl erreicht, die deutschen Grenzen für jedermann zu öffnen, schluckt der Parteisoldat schwer. Er hat gerade erst Anweisungen vorbereiten lassen, alles dicht zu machen. Aber die lässt er nicht ausführen, sondern den Wunsch der Kanzlerin. Von Haus aus ist der Sproß eines alten hugenottischen Geschlechts konservativ, mehr Merz als Merkel. Doch von Haus aus ist er auch der geborene Befehlsempfänger, ein Mann voller Sekundärtugenden, wie Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit und Standhaftigkeit, mit denen sich nach einer Analyse des Arbeiterführers Oskar Lafontaine auch ein KZ betreiben lässt.

Pflichtgefühl aus Dankbarkeit

Es ist die Dankbarkeit der Kanzlerin gegenüber, die aus Thomas de Maiziere, dem Mann, der „nie Politiker werden wollte“, einen der wichtigsten des Landes gemacht hatte, überstimmt das ungute Gefühl: de Maiziere handelt gegen das, was er selbst getan hätte. Wenig später schon ist ihm sein Einknicken vor der alten Kameraden eines gemeinsamen Aufstiegs ein wenig peinlich. Thomas de Maiziere, eigentlich ein Mann, der über Interna schweigen kann, öffnet sein Herz und zeigt eine Mördergrube: „Außer Kontrolle geraten ist es mit der Entscheidung, dass man aus Ungarn die Menschen nach Deutschland holt“, sagte de Maizière über die „neue Herrschaft des Unrechts“ (Seehofer), „das war eine so große Zahl, dass es nicht mehr geordnet ging.“

Der Dank der Kanzlerin aber wiegt alles auf. Rechtsbrüche, Angstmache, nachholende Versuche, sich sich selbst als bester Führer der AfD zu inszenieren, um eine „Leitkultur“ (de Maiziere) zu propagieren, in der „nicht jeder, der sich für eine gewisse Zeit in unserem Land aufhält, Teil unseres Landes“ wird.

Eines Tages, so glaubte de Maiziere damals wohl noch, werde ihn die gleichaltrige Amtsinhaberin auf dem Zettel haben, wenn es um ihre Nachfolge geht und ihm so seine Treue vergelten. Damals, in der alten Zeit einer zuverlässig betonierten Bundesrepublik, schien das nicht unrealistisch. Als De Maizieres ernsthafteste Konkurrentin geisterte Ursula von der Leyen durch die Gazetten, auch nur vier Jahre jünger und in der Bevölkerung beliebt wie eine morgendliche Panzerparade vor dem Balkon. De Maiziere aber war nun der Vordenker, der Mann, der tapfer „ausspricht, was die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger denkt? , wie es seine Parteikollegin Julia Klöckner zusammenfasste. So einer darf hoffen, am Ende einer langen Karriere im Politikbetrieb noch einmal etwas anderes zu werden als Minister in einem Ministerium, das er noch nicht hatte.

Es ist dann trotzdem anders gekommen. Beim Versuch, ihre schwindende Macht noch einmal zu zementieren, hat sich Angela Merkel entschlossen, ihren treuesten Parteisoldaten zu opfern und ihren ältesten Wegbegleiter nach 28 Jahren in den Vorruhestand zu schicken. «Das war nicht so zu erwarten»„Ein Ministeramt ist immer ein Amt auf Zeit“, sagte der CDU-Politiker, der einst durch die Vorhersage eines „Blutbads im Reichstag“ begonnen hatte, mit Angstmache Politik zu betreiben. Jetzt sei die Zeit gekommen, dass er aus der Bundesregierung ausscheide. Er habe auch vorher gesagt, „dass andere Ämter für mich nicht infrage kommen“. Er sei sehr dankbar, dass er dem Land in einer schwierigen Zeit habe dienen dürfen.

Seinem Nachfolger wünsche er viel Erfolg.

de Maiziere in den Medien: Nicht mal ein paar anständige Nachrufe


Quelle und Kommentare hier:
http://www.politplatschquatsch.com/2018/02/thomas-de-maiziere-das-ende-des-treuen.html


Print Friendly, PDF & Email