Römisches Recht 2

von Luckyhans

In Ergänzung zu unserem ersten Beitrag zu diesem Thema wollen wir nun einen weiteren Begriff aus dem Römischen Recht, der Grundlage der Sklavenhaltergesellschaft, betrachten, und uns dann der Entstehung des „Römischen Rechts“ zuwenden.


Gleich zu Beginn der neuesten (96.) Tagesenergien geht es um den Begriff der Fiktion.

Dazu liest Alexander Wagandt aus der „gültige“ Wikipedia-Definition des Begriffes Fiktion vor – wir zitieren von dort:

Als Fiktion bezeichnet die Rechtswissenschaft die Anordnung des Gesetzes, tatsächliche oder rechtliche Umstände als gegeben zu behandeln, obwohl sie in Wirklichkeit nicht vorliegen.
Hierbei kann die Fiktion
das genaue Gegenteil der tatsächlichen Umstände als rechtlich verbindlich festlegen.[1]

Eine Fiktion kann deshalb im Prozess auch nicht widerlegt oder entkräftet werden, da sie definitionsgemäß vom tatsächlichen Sachverhalt abweicht.

Das Institut der gesetzlichen Fiktion stammt aus dem römischen Recht.

Die Fiktion erfordert einen hohen Abstraktionsgrad (ein Toter wird als lebendig behandelt, ein Lebender als tot) und stellt daher eine bedeutende rechtstechnische Errungenschaft dar.

Lassen wir uns diese Erklärung nochmal langsam auf der Zunge zergehen.

Das Römische Recht sieht also u.a. vor, daß anstelle der Betrachtung der Wirklichkeit eine formalisierte Festlegung von willkürlichen Umständen erfolgen kann, deren gesetzliche Wirksamkeit als gegeben angesehen wird.

Und zwar auch und gerade dann, wenn sie der Wirklichkeit diametral widerspricht.
Sie kann auch nicht angezweifelt werden, denn sie ist per defionitionem weder widerlegbar noch beweisbar.

Oder um es nochmal mit verständlichen Worten zu sagen:
es wird eine Annahme zum Gesetz erhoben, ganz egal in welchem Verhältnis sie sich zur tatsächlichen Wirklichkeit befindet. Extrem bequem, oder?

Erinnert uns das an was?

Vielleicht an die heutige Wissenschaft, die in ihrem Dogmatismus bereits so manche etablierte Kirche aus dem Feld schlägt?

Theorien, Annahmen, Postulate werden in den Rang von „Naturgesetzen“ (ein in sich zutiefst anachronistischer Begriff, denn Gesetze sind geschriebene Regelungen für Vorgänge, welche nicht auf natürliche Weise ablaufen sollen – sonst bräuchte man ja keine geschriebenen „Gesetze“ dafür) erhoben, obwohl sie weder bewiesen noch widerspruchsfrei sind.

Oder erinnert es uns an die heutigen Verhältnisse um die Frage Mensch – Person – Bürger – NAME usw.? Wo die tatsächlichen Verhältnisse keine Rolle spielen, sondern nur die juristisch „verordneten“ …

Gut, versuchen wir einmal, uns dem Römischen Recht ganz seriös zu nähern, d.h. mit den Mitteln des Weltnetzes und unter ausschließlicher Verwendung offizieller Seiten – aber auch des eigenen Kopfes.

Was einem Nichtjuristen als erstes auffällt, ist die Tatsache, daß es im Weltnetz diverse frei verfügbare Dokumente, Auszüge und Artikel dazu gibt, die aber fast alle nur in englisch, französisch oder latein vorhanden sind – in deutsch: praktisch keine Original-Texte.

Welch ein Zufall…

Aber verweilen wir doch ein wenig auf den Startseiten diverser juristischer Fakultäten deutscher Universitäten. Da finden wir sogar ein Institut für Römisches Recht an der Kölner Uni, aber auch an der Uni Wien.

Und wer noch den vorigen Artikel in Erinnerung hat: hier in Köln erforscht man sogar als führendes Projekt das „Römische Recht in Rußland“ – allerdings zur Zarenzeit.

Soll damit vielleicht eine Grundlage geschaffen werden für heutige „Wiederentdeckungen“?

Wie ich auf solche Gedanken komme? Nun, einfach aus der geschichtlichen Betrachtung der Entstehung des „Römischen Rechts“, das entgegen allen Behauptungen sehr wahrscheinlich NICHT im „alten Rom“ (so es ein solches überhaupt gegeben haben sollte) entstanden ist, sondern erst viel später…

Wenn wir verstehen wollen, was tatsächlich abgelaufen ist, müssen wir verschiedene Quellen vergleichen und versuchen, auch zwischen den Zeilen zu lesen.

Probieren wir das mal mit einem der ersten Suchtreffer von der Uni Frankfurt/Main (ja, es gibt auch in Frankfurt/Oder eine Uni!), der uns einen Einblick in „Römisches Recht heute“ verspricht:

Römisches Recht“ bezeichnet dann eine Sammlung höchst unterschiedlicher Texte – unterschiedlich nach Entstehungszeit, Entstehungsbedingungen, Texttyp und Verwendung – die der spätrömische („byzantische“) Kaiser Justinian I (regierte 527-565), der damals schon in Konstantinopel (dem sogenannten „Ostrom“) residierte, durch eine von seinem „Justizminister“ Tribonian eingesetzte Kommission hatte anfertigen lassen.

Von dieser Textsammlung ist der einfachste und anspruchsloseste Teil, die sogenannten „Institutiones„, die als offizielles Lehrbuch für die Studienanfänger des neuorganisierten Rechtsstudiums verfaßt waren, zu allen Zeiten bekannt gewesen.

Die übrigen Teile, Digesten oder Pandekten, Codex Iustinianus und schließlich die Sammlung justinianischer Novellen, sind im Westen nach dem Zusammenbruch des römischen West-Reichs für das nächste halbe Jahrtausend wahrscheinlich nur noch in Bruchstücken, Auszügen, Zusammenfassungen, Stilblütensammlungen und dergleichen bekannt und zugänglich gewesen. (welch hervorragende Basis für eine „Reanimation“ – LH)

Sie wurden dann im Laufe des 11. Jahrhunderts (im Rahmen dieser Darstellung müssen wir uns mit einer so vagen Zeitangabe begnügen) in Oberitalien „wiederentdeckt„, wieder durchgearbeitet und erläutert und im Rahmen der sich dann bald etablierenden Rechtsschule von Bologna auch einem wachsenden Kreis von Studierenden, die aus dem ganzen Europa angereist kamen, vermittelt.

Wie sich die Dinge insbesondere bezüglich der Überlieferung und Stabilisierung der Textgrundlage im einzelnen zugetragen haben, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden und ist nach wie vor äußerst umstritten.

Ein Schelm wer Arges dabei denkt.

Es geht also um „eine Sammlung höchst unterschiedlicher Texte – unterschiedlich nach Entstehungszeit, Entstehungsbedingungen, Texttyp und Verwendung„, was einen gemeinsamen Ursprung doch sehr fraglich erscheinen läßt.

Dann erfahren wir, daß diese Sammlung über 500 Jahre praktisch keine Rolle gespielt haben soll – sonderbar, oder? Und wenn es so war: wieso ist sie dann „plötzlich“ in Bologna (!) wieder reanimiert worden? Wer hat diese da „wiederentdeckt“ und warum?

Was soll das für eine „Schule des Rechts“ (die „Glossatorenschule“ – Glossen sind juristische Interpretationen von Rechtstexten!) gewesen sein?

Über die sogar die Lügipedia schreibt:

Das kollektive Gedächtnis der Rechtsschule verfälschte so die Anfänge der Bologneser Rechtswissenschaft an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert.“ (!)

Aus der angeblich Ende (!) des 11. Jahrhunderts (1088) die Universität entstanden ist?
Wo dort jedoch erst 1219, d.h. zu Beginn des 13. Jahrhunderts, also viel später, die erste Promotion erfolgte?

Könnte es also sein, daß durch den Machtkampf gegen Venedig, das damals bekanntlich der Sitz der Kaufmanns-Familien der Kannibalisten war, und der um die Mitte des 13. Jahrhunderts so ausging: „zwang Venedig das ausgehungerte Bologna zu einem Abkommen, das die Venezianer diktierten“ – daß erst damals die Sammlung von verschiedenen „Rechtsgelehrten“ erarbeitet (!) wurde?

Zumal die „Details“ nach wie vor „äußerst umstritten“ sind!
Und die dann per üblicher Geschichtsbegradigung – um der größeren Glaubwürdigkeit willen – um 100 Jahre „vorverlegt“ wurde?

Denn lesen wir weiter, was uns die Uni Frankfurt mitzuteilen weiß:

Höchst umstritten sind vor allem auch Einzelfragen der Überlieferung des Digestentextes und der Arbeitsschritte, aus denen in Bologna dann diejenige Textfassung entstand (!) , die als „littera vulgata“, „littera bononiensis“ bis zur Textkritik der Humanisten des 16. Jahrhunderts für Praxis, Forschung und Lehre maßgeblich war.

Sowohl für die mittelalterliche wie für die humanistische Textkritik ist lange Zeit behauptet worden, sie seien einem rein „philologisch-antiquarischen“ Interesse entsprungen.

Neuere Forschungen haben aber sowohl für diese wie für jene Epoche zeigen können, daß die Sorge um den rechten Text zugleich auch ganz praktischen Interessen entsprang, praktischen Interessen der Männer, die mit dem Text praktisch zu arbeiten hatten, der ja in dieser oder jener Gestalt Rechtsgrundlage sein sollte. (damals schon? von Anfang an also! – LH)

Oftmals unterschieden sich ja zwei Fassungen desselben Textes „nur“ durch eine (eingefügte oder weggelassene) Negation und führten dann zu diametral entgegengesetzten Antworten auf die jeweils gestellte Rechtsfrage.

Das Interesse am Text war also bei Juristen nie ein rein „historisch-antiquarisches“, sondern die Textfassungen, die sich erst im 11. und später dann im 16. Jahrhundert für jeweils knapp fünf Jahrhunderte durchsetzten, waren letztlich Produkte der Praxis, denen sie zu dienen hatten.„

Wer lesen kann, dem wird hier sehr unmißverständlich mitgeteilt, daß ungeachtet der eh schon sonderbaren Herkunft bei der Erarbeitung der „Sammlung“ nicht irgendwelche historischen oder anderen Gesichtspunkte eine Rolle spielten, sondern ausschließlich der Zweck, welchen man mit diesem „Römischen Recht“ zu erreichen gedachte.

Und darauf gründet sich die heutige verfassungsmäßige Rechtssprechung in fast allen Ländern der Welt!

Wenn das kein typisches Beispiel für eine zielgerichtete RECHTSSETZUNG ist… ich hab dazu dann keine Fragen mehr.

Und wie es uns schon oft begegnet ist, wenn etwas „verborgen“ bleiben soll, was eigentlich „faul“ ist, wurde das Ganze dann möglichst kompliziert verpackt – wir lesen weiter:

Die Texte sind – von kleineren griechischen Bestandteilen (! ein weiterer Beweis, daß sie aus unterschiedlichen Quellen stammen! – LH) abgesehen – lateinisch geschrieben und auch die Unterrichtssprache ist Latein, aber eben ein spezielles Latein, die lateinische juristische Fachsprache mit all ihren fachspezifischen Begriffen, Darstellungstechniken und Denkmustern. Vor entsprechenden Schwierigkeiten steht natürlich auch derjenige, der heute römisches Recht erforschen und verstehen will. …

Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtsgelehrten haben das antike römische Recht weiterentwickelt, haben ihrerseits noch eine weitere Fülle fachspezifischer Begriffe, Darstellungstechniken und Denkmuster entwickelt und angewandt, die die Sache nicht einfacher und oft genug noch schwieriger machen, als sie im antiken römischen Recht bereits gewesen war.

Die unter Kaiser Justinian I entstandene Textsammlung „Römisches Recht“, die man dann später als „Corpus iuris civilis“ bezeichnete, umfaßt
ohne Kommentar auch in den heutigen Textausgaben drei große Bände.

Das benötigt wohl keinen Kommentar mehr, oder?
Aber das war noch nicht die letzte Offenbarung (= Apokalypse) des emeritierten Rechtsprofessors – wir lesen weiter:

Um eine Vorstellung davon zu bilden, was das römische Recht für das sogenannte Abendland, also den lateinischen Westen (und nicht nur für ihn – im griechischen Osten blieb römisches Recht in griechischer Übersetzung ja immer lebendig) bedeutet, taugt wirklich nur der Vergleich mit der Bibel. Wie diese die Grundlage der Theologie, ist jenes die Grundlage der Rechtswissenschaft.

Hier wie dort ist für die Herstellung (!) einer brauchbaren Textgrundlage und für die Textauslegung im Laufe der Jahrhunderte Ungeheuerliches (!) geleistet worden.

Auch die Bibel ist ja nicht aus einem Guß, sondern eine Sammlung ganz unterschiedlicher Texte – unterschiedlich nach Entstehungszeit, Entstehungsbedingungen, Texttyp und Verwendung. …

Nun – wer könnte das besser beurteilen als ein alter Fuchs des Rechts? Auch wenn manches eher nach Freudschen Versprechern klingt?

Zum Abschluß sei noch ein Absatz desselben Prof.em. Hans Erich Troje zitiert, der zwar vor 14 Jahren erschien, aber bis heute seine volle Wirksamkeit nachgewiesen haben dürfte – es geht dabei um die Anwendbarkeit des Römischen Rechts für die sog. Europäische Einigung, womit euphemisitsch stets das CIA-Projekt EU gemeint sein dürfte – wir lesen:

Marie Theres Fögen ist nun noch einige Schritte weiter gegangen. In ihrem neuesten Buch „Römische Rechtsgeschichten“ (Göttingen 2002) und in ihrem kürzlich ins Internet gestellten Papier „Rechtsgeschichte – Geschichte der Evolution eines sozialen Systems“ (www.mpier.uni-frankfurt.de unter „Forschung“ – „Fögen“) will sie – wie H. H. Jakobs in  seiner  Rezension  ihres Buches eingangs richtig klarstellt – „nicht weniger, als der modernen Historiographie, wie sie von Niebuhr und Mommsen begründet ist, den Kampf ansagen“ (Zeitschrift Savigny-Stiftung Rechtsgeschichte Roman. Abtlg. 120 (2002) S. 200 ff.). Dabei geht es um weit mehr als römisches Recht als solches und um die herkömmliche (quellenbezogene und quellenkritische) Art von dessen Erforschung. …

Sie spricht dort von Köpfen an denen „wirklich Neues abprallt“, weil man ihnen „eingetrichtert hat, Einheit sei durch Tradition zu haben, ein gemeinsames Recht sei durch wiedererwecktes altes Recht verbürgt“.

„Am Ende dieser Vorlesung“, so liest man in der gedruckten Fassung, „steht deshalb der Verdacht, daß das römische Recht und seine Derivate für uns – soweit wir uns als Europäer zu definieren beabsichtigen – nichts taugen“.

Im mündlichen Vortrag wurde aus dem Verdacht bereits Gewißheit: „Römisches Recht taugt nichts„. Sie warnt davor, „die historischen Unverträglichkeiten und die demokratischen Defizite“ unter einem „verbrauchten Symbol“ zu verstecken.
Nun kann man darüber, wie die Teilstaaten der europäischen Union zu einem gemeinsamen Recht gelangen können, gewiß verschiedene Meinungen vertreten.

Aber ob es nötig ist, in dieser Diskussion das römische Recht und seine Derivate als Versteck für egoistische Interessen, ökonomische Ungerechtigkeiten und demokratische Defizite zu denunzieren?

Da kommt einem erneut der Gedanke vom Freudschen „Versprecher“ – daß unter dem „Deckmantel“ der empörten Verneinung die wahren Verhältnisse sehr deutlich benannt werden… gewiß wäre dieser Artikel sonst auch kaum heute noch im Netz vorhanden.

Ich hoffe, einigen Lesern ein paar Anregungen zum Nachsinnen und vielleicht auch einen Stupser für eigene Recherchen zum Thema gegeben zu haben – denn die vielhundertfache Wiederholung diverser Lügen macht sie auch nicht wahrer – sie zielt nur auf die Eigenschaft der menschlichen Psyche ab, nach 300 Wiederholungen desselben Unsinns einfach nicht mehr weiter zu fragen.

Bleiben wir also aufmerksam und lassen uns nicht durch die vielen erprobten Mechanismen der Manipulation beeinflussen.

Und dazu ist es eben hilfreich, auch mal sein Ohr zu verschließen, wenn aus einer bekannten Lügenquelle weitere „Nach-richten“ auf einen einströmen…


Quelle und Kommentare hier:
https://bumibahagia.com/2016/11/28/roemisches-recht-2/


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