Rätsel um AfD-Stadtrat Oliver Noack – war es Selbstmord?

Von Marc Dassen

Der AfD-Stadtrat Oliver Noack aus Kahla in Thüringen wird am Montag (27.11.2017) tot in seiner Wohnung gefunden. Am Folgetag spricht eine Zeitung von „Ungereimtheiten“ und meldet, er sei an „Händen und Füßen gefesselt“ gewesen. Einen Tag später ist der Artikel gelöscht. Nun ist man sich sicher: Es war Selbstmord. COMPACT hat mal nachgebohrt, ein wenig herumtelefoniert und ist dabei auf bislang ungeklärte Rätsel gestoßen…

Die Liste der Seltsamkeiten beginnt bereits damit, dass die Meldung über den Tod des AfD-Politikers keinem größeren Massenmedium eine Schlagzeile wert ist. Weder bei Spiegel Online, noch bei der Welt, der Zeit oder der Süddeutschen Zeitung findet man auf der Startseite einen Artikel zu diesem Thema. Warum nicht? Ist ein verstorbener Funktionär der Alternative für Deutschland zu unbedeutend?

Sucht man bei Google nach dem Namen des Toten – Oliver Noack – so stößt man auf die zweite Überraschung. Artikel über seinen Tod gibt es nämlich nur von alternativen News-Seiten und kleineren Online-Medien wie: Epoch Times, Tag24, News.de, der Abendzeitung und der Thüringer Allgemeinen. Diese Medien geben zwar ziemlich neutral den Sachstand wieder, doch es fällt eines sehr auf: Überall pocht man auf der vermeintlichen Tatsache, dass es sich laut Polizei um einen eindeutigen Selbstmord gehandelt habe, auch wenn Details am Tatort dem scheinbar eindeutig widersprechen. Eine Erklärung, die diese Ungereimtheit auflösen würde, gibt es bislang nicht.

Die Huffington Post preschte als erste Publikation nach vorne mit dem Versuch, eine „Verschwörungstheorie“ wieder einzufangen beziehungsweise lächerlich zu machen, die aufgrund der offenen und legitimen Fragen schon seit einigen Tagen im Umlauf ist. Sie titelt: „AfD-Stadtrat wird tot aufgefunden: Rechte wittern eine Verschwörung – die Polizei widerspricht“.

Wie kommen die hier genannten „Rechten“ nur auf solche abstrusen Ideen? Vielleicht hat es damit zu tun, dass die Online-Zeitung Saale Journal in einer frühen Version ihres Artikel zum Tod des Politikers (wie oben erwähnt) erklärte, dass er an „Händen und Füßen“ gefesselt gewesen sei, als man ihn leblos in seiner Wohnung fand. Weiter hieß es in dieser Version, dass es „viele Ungereimtheiten zu den näheren Umständen“ gebe. Die Artikel-Version, die diese Formulierungen enthielt, ist mittlerweile gelöscht und ersetzt worden durch einen anderen, sehr kurzen Artikel, der dokumentiert, dass es sich „zweifelsfrei“ um „Selbstmord“ gehandelt habe und „die Ermittlungen“ nun  „abgeschlossen“ seien.

Eindeutige Beweise für diese neue  Behauptung werden leider keine geliefert, kein Abschiedsbrief, kein Motiv, nichts. Eine Sprecherin der Landespolizeiinspektion Jena, Steffi Kopp, unterstrich die Richigkeit dieser letztgültigen Aussage, allerdings ebenfalls ohne Belege zu liefern. Auch die Webseite thüringen24.de schreibt, dass er zwar „eines nicht natürlichen Todes“ starb, ein „Fremdverschulden (…) laut Polizei jedoch ausgeschlossen“ sei.

Für den Fall, dass der originale Tweet nicht mehr abrufbar ist, hier ein Schreenshot der entscheidenden Textstellen des Saale Journals – vorher und nachher:

Die Bearbeitung des ursprünglichen Artikels auf der Webseite saalejournal.de wirft Fragen auf. Foto: Screenshot Twitter

Da muss natürlich die Frage aufkommen, ob der Autor des Original-Artikels sich schlicht geirrt hat, als er von einem gefesselten Todesopfer sprach und die Suizid-These in Zweifel zog.

Woher hatte er seine Informationen? Weshalb der plötzliche Umschwung? In den Kommentaren unter dem neuen, „aktualisierten“ Artikel, den Sie hier lesen können, heißt es,  dass Oliver Noack geplant haben soll, 2018 erneut als Bürgermeister für Kahla zu kandidieren.

Solche Zukunftspläne würde ein Mensch, der über Selbstmord nachdenkt, wohl eher nicht schmieden. Die Ostthüringer Zeitung schrieb dazu aber am 2. November unter der Überschrift „Wer wird Bürgermeister?“, dass sich das „fraktionslose Mitglied im Stadtrat, Oliver Noack (AfD), (…) nach eigener Aussage noch nicht festgelegt [habe], ob er sich wie 2012 erneut als Kandidat aufstellen will“.

Hier kommen wir also auch nicht weiter…

Auf Facebook trauern Freunde und Parteikollegen um Oliver Noack und schreiben dort:

In Trauer und Bestürzung nehmen wir Abschied von unserem Freund Oliver Noack!

Nach seinen Jahren bei der Fremdenlegion kehrte Oliver in seine Heimat zurück und stellte sich 2012 als Parteiloser zur Kahlaer Bürgermeisterwahl. Als relativ Unbekannter und ohne Parteistrukturen im Rücken, hatte Oli natürlich kaum Chancen, aber er war nach wie vor eine Kämpfernatur – allein zog er viele Abende los und verteilte Flugblätter und Informationen an die Kahlaer.

Nicht aufgebend, stets Kontakte knüpfend und anpackend, verdanken wir ihm u. A. die Instandsetzung der kleinen Lachebrücke, die für die Fußgänger lange Zeit gesperrt war und die er gegen alle Widerstände wieder errichtete.

Schließlich zog er über die Liste der CDU in den Stadtrat und konnte endlich an den richtigen Stellen wirken und wiederholt seinen Finger in Wunden legen, wo es Missstände aufzudecken galt. Aber Oli war kein Typ, der widerspruchslos hinnahm, was ihm nicht passte. Und so verließ er die Fraktion, auch um deren bisherigen Mitglieder zu schützen, denn der Wind blies zunehmend härter. Allen Kampagnen gegen ihn zum Trotz nahm er das Parteibuch der AfD auf und führte seine Arbeit fort – wiederum viele Nächte von Briefkasten zu Briefkasten laufend. Und so schaffte er es schließlich, viele arbeitsintensive Veranstaltungen später, die AfD bei der Bundestagswahl zur stärksten Kraft in Kahla zu machen. Dies sollte der letzte Höhepunkt bleiben…

Oliver hatte noch viel vor und bis vor wenige Wochen eine schier unbändige Energie, zum Wohle Kahlas zu wirken, aber kein Quell sprudelt für ewig mit gleicher Kraft.

Er ging Montag viel zu früh von uns – eine Stadt trauert um ihn!

Oliver Noack, unvergessen, ruhe in Frieden!

HONNEUR ET FIDÉLITÉ!

Halten wir fest: Der Kommunalpoltiker Oliver Noack verließ aus ihrgendwelchen Gründen die CDU-Fraktion, weil – Zitat – der Wind ihm „zunehmend härter“ ins Gesicht blies. Wovon ist hier die Rede? Und von welchen Kampagnen gegen ihn wird hier gesprochen? Dass er zuletzt das AfD-Parteibuch aufnahm und die Blauen „zur stärksten Kraft in Kahla“ machte, ist ebenfalls ein Hinweis darauf, bei wem Herr Noack bliebt war – und bei wem nicht.

Seine Entscheidung, zur Alternative für Deutschland zu wechseln, begründete der Lokalpolitiker auf Facebook so: er sei mit seinen Überzeugungen „bei der AfD zu Hause“ und „stehe für einen konsequenten Stop des Asylchaos und für eine Bildungs-, Familien- und Finanzpolitik, die am Interesse Deutschlands und der Leute hier vor Ort ausgerichtet ist. Wichtig ist mir auch, dass die AfD die einzige Partei ist, die gegen linken Gesinnungsterror vorgeht.“

Übrigens: Es war der 2016 in die AfD eingetretene AfD-Stadtrat Oliver Noack, der den COMPACT-Chefredakteur Jürgen Elsässer Anfang Juli 2017 nach Kahla einlud, wo unser Magazin gemeinsam mit AfD-Politiker Martin Hohmann eine Veranstaltung abhielt, während vor dem Saal Grüne, Linke und Antifanten protestierten. Hier die damalige Veranstaltungseinladung und hier ein Bericht zu selbiger auf thüringen24.de. Das Video der Veranstaltung sehen Sie hier:

Nimmt man diese Fakten zusammen, ergibt sich der Eindruck, dass Oliver Noack zu jenen Patrioten in der AfD gehörte, die wirklich mutig und ohne Rücksicht auf Verluste zu Werke gingen. Dass aus dieser Perspektive ein Gewaltdelikt gegen ihn von Seiten seiner politischen Gegner zunächst zumindest denkbar erschien, kann wohl kein Mensch wirklich abstreiten.

Wie stichhaltig solche Theorien sind, ist freilich völlig offen, da der Öffentlichkeit bislang eindeutige Informationen nicht zugänglich sind. Ob sich nicht doch etwas ganz anderes, oder vielleicht sogar ein privates Motiv hinter der Tat verbirgt, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zweifelsfrei auszuschließen.

COMPACT konnte und wollte sich hier aber nicht mit solchen Vermutungen zufrieden geben und hat sowohl beim Saale Journal als auch bei der zuständigen Polizeidirektion angerufen, um nachzufragen, was nun tatsächlich Sache ist.

Der Anruf bei der Polizeidienststele in Jena ergab: Zunächst nichts. In Jena war kein Polizist ans Telefon zu kriegen. Andere Dienststellen wollten keine Auskunft über den Zuständigkeitsbereich ihrer Kollegen geben. Zu guter Letzt schrieb ich eine E-Mail an die Pressestelle der Polizei Thüringen. Sobald die Antwort auf diese Mail kommt, wird sie in diesem Artikel veröffentlicht! Bleiben Sie also am Ball!

Nächste Adresse: Die Redaktion des Saale Journals, die den ursprünglichen Bericht herausgab. Zu gerne würde ich erfahren, wer diesen Bericht geschrieben hat und woher die Infos kamen. Ob ich den verantwortlichen Redakteur wohl an die Strippe bekomme? Ich habe Glück. Es klappt. Ein sehr netter Herr namens Andreas Kühn ist am Telefon, er hat den ursprünglichen Beitrag verfasst, der noch von der Fesselung des Toten und von vielen „Ungereimtheiten“ sprach. Woher er diese Informationen hatte, möchte ich gerne wissen.

Er erklärt mir, dass er „zwei Informanten aus dem Umfeld“ gehabt habe, die sich bisher immer als „zuverlässig erwiesen“ haben. Nach deren Infos soll Noack an Händen und Füßen gefesselt gewesen sein – und das stimmt vermutlich auch nach wie vor, stehe nur in einem anderen Zusammenhang. Die Aktualisierung des Artikels und das Herausstreichen der ursprünglichen Verdachtsmomente sei jedoch nicht auf Druck von außen oder mit Vertuschungsabsicht geschehen, sondern weil neue Informationen zu ihm gelangt seien, die ein völlig anderes Bild zeichneten.

Kühn kannte Noack persönlich, glaubt demnach ganz gut einschätzen zu können, was wirklich vorgefallen ist. Für Kühn sei jetzt „zuverlässig erwiesen“, dass „keine Dritte Hand“ im Spiel war: „wasserdichter gehts nicht.“ Noch dazu war Noack, ein ehemaliger Soldat der Fremdenlegion, kein Mann, den irgendwelche Feinde leicht hätten überwältigen können. Auch ein „Springinsfeld“, der einen „Kurzschluss“ hatte, sei er nicht gewesen. Im Gegenteil muss wohl in Noack „etwas gereift“ sein, was ihn letztlich zu diesem Entschluss trieb. Auch Noacks Krebserkrankung sei laut Kühne als Auslöser eher nicht in Betracht zu ziehen.

Eine interne Information, für die es laut Kühn ein Dutzend Zeugen geben soll: Während einer AfD-Veranstaltung in Jena am letzten Samstag, auf der Noack wie immer gut drauf gewesen sein soll, bekam er einen Anruf. „Plötzlich sah man, wie ihm die Gesichtszüge entglitten“, so Kühn. Da muss irgendetwas passiert sein. Wortlos soll Noack die Veranstaltung verlassen, in sein Auto gestiegen und davongefahren sein. Zwei Tage später fand man seinen leblosen Körper.

Ein weiterer enger Vertrauter von Oliver Noack war am Donnerstag Abend bereit, mit mir über den Fall zu sprechen. Er bat mich, seinen Namen nicht zu erwähnen, erklärte mir aber, dass er noch kurz vor seinem Tod Kontakt zu ihm hatte. Der langjährige Weggefährte Noacks meint: An der These, nach der er tatsächlich Selbstmord begangen habe, gebe es für Ihn keinen Zweifel. Die Kommunikation, die er kurz zuvor noch mit ihm hatte, lege diesen Schluss nahe. Ihm sei außerdem aus gut informierten Kreisen bekannt, dass entgegen anderslautender Behauptungen doch ein Abschiedsbrief gefunden wurde.

Diese Information ist bislang noch nirgendwo aufgetaucht und wirft – sollte sie der Wahrheit entsprechen – ein anderes Licht auf Noacks Schicksal. Trotz dieser Aussagen muss vorläufig konstatiert werden: Die Wahrheit werden wohl nur der Verstorbene selbst und seine nächsten Angehörigen kennen.

Die COMPACT-Redaktion ist vom Schicksal Oliver Noacks, der viele Verdienste um die Stadt Kahla vorzuweisen hat und das Vertrauen seiner Bürger und Wähler genoss, schwer getroffen und wünscht seiner Frau und seinen Angehörigen viel Kraft, um den Verlust zu verarbeiten. Noack wurde 54 Jahre alt.


Quelle und Kommentare hier:
https://www.compact-online.de/raetsel-um-afd-stadtrat-oliver-noack-war-es-selbstmord/


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