Pflegepraxis

Von (real)Asmodis

Neulich … – ich begleitete Schwiegervater, da er angesichts seines Alters und seiner Verletzung durch den Treppensturz kaum noch alleine laufen geschweige denn stehen kann beim Toilettengang. Während er im Bad war klingelte es und Besuch traf ein – Bekannte von ihm und uns.

Die gaben sich höchst erstaunt darüber, dass Pflegefälle so etwas wie den Toilettengang nicht mehr selbst zustande bringen und dass dafür Hilfe benötigt wird. Deren Verständnis häuslicher Pflege (sie selbst pflegen nicht) erstreckte sich offensichtlich darauf, dass die Pflegepersonen bei den ihnen anvertrauten Pflegefällen hin und wieder mal nach dem Rechten sehen.

So wie sie selbst es tun, wenn sie alle sechs Wochen mal für ’ne Stunde vorbei kommen und meiner Frau und mir dann zu verstehen geben, was wir deren Meinung nach alles falsch machen. Diese absolute Fehleinschätzung der tatsächlichen Sachlage ist mir schon häufiger und von verschiedenen Seiten untergekommen.

Ich werde daher nachfolgend einmal exemplarisch auflisten, was mit häuslicher Pflege wirklich ganz konkret gemeint ist und was man als Pflegeperson dabei zu tun hat, wobei es sich durchweg um eigene Erfahrungen mit Demenzkranken und geistig Behinderten aus den vergangenen sechs Jahren handelt. Sicherlich kann man das nicht verallgemeinern, da jeder Fall anders gelagert ist, aber es zeigt die ungefähre Richtung auf.

– Da der Pflegefall sich sein Essen nicht mehr selbst kochen kann übernimmst du das für ihn.
– Die dazu erforderlichen Einkäufe (inklusive Getränke) machst du auch.
– Nach dem Essen gruppieren sich breitgetretene Essensreste rings um den Tisch herum mit Spuren in der ganzen Wohnung. Das beseitigst du. D h. Wischen der ganzen Wohnung, Putzen, Staubsaugen, Aufräumen etc.
– Du übernimmst den Abwasch und räumst das Geschirr weg.
– Da der Pflegefall einkackt, einpinkelt (Schema: „Schön warm da unten!“ und dann ist das auch schon wieder vergessen) und sich von Zeit zu Zeit vielleicht auch mal übergibt, ist das ständige Beseitigen von Kot, Urin und Erbrochenem eine deiner leichtesten Übungen, wobei sich die Ausscheidungen selbstverständlich überall verteilen, denn wenn direkt auf den Fußboden gepisst oder die Scheiße überall verschmiert wird, dann kommt das bei dem demenzkranken Pflegefall im Oberstübchen nicht mehr an.
– Selbstverständlich bleibt dir dann auch nichts anderes übrig, als dem Pflegefall beim Waschen, Rasieren, Anziehen, Hintern abputzen usw. permanent zur Hand zu gehen.
– Selbstverständlich wäscht du auch die versiffte, penetrant stinkende Wäsche des Pflegefalls, bügelst die und legst die weg. Merke: Die Waschmaschine läuft heiß, und zwar tagtäglich!
– Sobald der Pflegefall neue Kleidung oder neues Schuhwerk benötigt, musst dir das zwecks Anprobe ausleihen bzw. schicken lassen. Was passt wird behalten und der Rest geht zurück: Viele, viele Wege für dich!
– Du bist dem Pflegefall beim Toilettengang, Umsetzen und beim Zubettgehen behilflich.
– Wenn der Pflegefall die Toilette so vollgeschissen hat, dass gar nichts mehr geht oder wenn er versucht hat, Binden oder gar Windeln mit runter zu spülen, dann machst du stille Örtchen sauber, auch dann, wenn dir die „alten Bekannten“ bereits an den Füßen herum schwimmen bzw. ihren Weg unter der Tür durch gefunden haben. Sowas passiert mit schöner Regelmäßigkeit.
– Wann immer der Pflegefall nach dir verlangt hast du auf der Matte zu stehen; also mindestens alle zehn Minuten. Tag und Nacht, auch wenn der Pflegefall nur allzuoft vergessen hat, was er von dir wollte.
– Du teilst dem Pflegefall seine Medikamente zu und überwachst die Einnahme: morgens, mittags, abends und nachts. Im Falle von Salben o. ä. musst du das auftragen und die Kompressionsstrümpfe darfst du ihm auch anziehen.
– Du trägst Sorge dafür dass der Pflegefall hinreichend viel Flüssigkeit zu sich nimmt, auch gegen seinen Willen.
– Du erledigst für den Pflegefall Arzt-, Apotheken-, Optiker-, Akustiker- und Behördengänge, jedesmal verbunden mit vorheriger Terminabstimmung, endloser Wartezeit und nicht selten vergeblich, weil die betreffende Stelle den Pflegefall selbst in Augenschein nehmen will.
– Du sorgst für den Transport des Pflegefalls und begleitest ihn; du spielst sein Taxi.
– Du trägst Sorge dafür, dass er dann alle erforderlichen persönlichen Gegenstände mit sich führt (z. B. Hygieneartikel, Brille, Gebiss, Versichertenkarte der Krankenversicherung, Hörgerät usw.). Sollte das nicht unmittelbar auffindbar sein (was bei Demenzkranken eher die Regel denn die Ausnahme darstellt) dann suchst du das zuvor ran, notfalls stundenlang und bis zur Verzweiflung.
– Um derartige Termine wahrnehmen zu können, opferst du bereitwillig nach und nach deinen gesamten Jahresurlaub und nimmst im Bedarfsfall auch noch unbezahlten Urlaub dazu, wobei du den dadurch entstehenden Verdienstausfall selbst trägst und wegen des Fernbleibens von der Arbeitsstelle den Zoff mit dem Boss hast.
– Da der Pflegefall keinerlei räumliche und zeitliche Orientierung mehr besitzt werden viele Termine erst verspätet wahrgenommen werden können (er ist immer zu spät dran). Das führt zu galligen Bemerkungen, die du (der du ja nichts dafür kannst) mit einer stoischen Engelsgeduld über dich ergehen lässt. Wird ein Termin wegen Verspätung abgeblasen dann machst du eben einfach einen neuen und nimmst dafür nochmal Urlaub, hast nochmal Zoff auf der Arbeit usw.
– Du reparierst tagtäglich hinter dem Pflegefall her, denn selbst simpelste Mechaniken oder Elektriken weiß der nicht mehr zu bedienen und macht die folglich in Rekordzeit kaputt (z. B. Kippfenster, Schubladen, Fernbedienungen, Küchenmaschinen, Türschlösser u. ä). Kannst du das nicht mehr selbst reparieren, dann bestellst du Handwerker, nimmst dafür Urlaub und bezahlst die gar nicht mal selten auch noch selbst oder du beschaffst das eine oder andere Teil neu (auf deine Kosten, versteht sich).
– Der Pflegefall erachtet Öffnungen wie bspw. Abflüsse als Restmülltonne und schmeißt da unbedarft alles rein, bis es zur verstopfungsbedingten Überschwemmung kommt, welche du selbstverständlich beseitigst und woraufhin du dich anschließend als Kanalratte betätigen darfst (auch das wird zum Dauerzustand).
– Dir ist stets bewusst, dass bei allen Handlungen des Pflegefalls der Begriff Folgenabschätzung nicht mehr zu dessen Vokabular zählt.
– Wenn es den Pflegefall danach verlangt, sich vor den Fernseher zu setzen oder Radio zu hören, dann schaltest du ihm diese Geräte ein, weil er selbst vergessen hat wie das funktioniert. Oder um, und zwar alle paar Minuten.
– Der Pflegefall verlangt nach permanenter Aufmerksamkeit und will mit dir kommunizieren, so dass du ihm ewig gleiche Fragen immer wieder zu beantworten hast. Im Minutentakt, weil er die letzte Antwort längst schon wieder vergessen hat. Jede Konversation mit einem Backstein wäre erfolgversprechender.
– Du leistest, weil der Pflegefall sich nicht selten im völligen Verkennen einer Situation eines selbstschädigenden Verhaltens befleißigt, regelmäßig Erste Hilfe bzw. rufst, falls nötig, den RTW und verbringst im Anschluss viele, viele Stunden in der Notaufnahme bzw. verjuckelst literweise Sprit im Rahmen der Besuche im Krankenhaus oder in der REHA-Klinik.
– Du kümmerst dich um die gesamte Korrespondenz zwischen Pflegefall und Kranken- bzw. Pflegekasse sowie Behörden, Banken etc., wobei dir absolut klar ist, dass wichtige Teile besagter Korrespondenz auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind, weil der Pflegefall sie mit der Begründung, einfach nur in Ruhe gelassen werden zu wollen, ohne dich zu informieren vernichtet hat.
– Solange du nicht zur gesetzlichen Vertretung des Pflegefalls bevollmächtigt bist halten sich Behörden und Versicherungen direkt an den Pflegefall, der alles nicht mehr begreift, in seiner Unzurechnungsfähigkeit nur noch schlimmer macht und dich dadurch gegen Windmühlenflügel kämpfen lässt (denn ohne Vollmacht fehlt dir sogar die rechtliche Handhabe zur Richtigstellung).
– Du versuchst nach Kräften, der selbstverursachten Verwahrlosung des Pflegefalls entgegen zu wirken, i. d. R. gegen dessen Willen.
– Du sorgst dafür, dass der Pflegefall bekleidet ist und nicht nackt oder halbnackt vor etwaigen Besuchern herum läuft.
– Du sorgst dafür, dass der Pflegefall seine Kleidung wechselt (auch gegen dessen Willen).
– Du besorgst dir gegen den Willen des Pflegefalls einen Nachschlüssel zu dessen Wohnung und stattest auch den Sozialdienst damit aus, damit ihr im Notfall schnell Zutritt habt.
– Du gehst ganz souverän damit um, dass der Pflegefall von jetzt auf gleich aus nicht nachvollziehbarem Grund komplett austickt und sich in einem Wutanfall ergeht, bei dem er jegliche Grenze überschreitet (was ihm aber gar nicht mehr zu Bewusstsein kommt).
– Du beseitigst ständig vom Pflegefall unwissentlich errichtete Stolperfallen und Gefahrenstellen.
– Zwecks Sturzprävention achtest du peinlichst genau darauf, dass der Pflegefall auch Gehhilfe, Rollator oder Rollstuhl benutzt, denn der Pflegefall „lebt“ in einer sehr viel früheren Zeit und glaubt fälschlichweise, auf diese Hilfsmittel verzichten zu können, was im Fall der Fälle nicht selten im Knochenbruch mündet. Oder, anders ausgedrückt: Du musst wie bei einem uneinsichtigen Kleinkind permanent dahinter stehen!
– Du kontrollierst die Wohnung des Pflegefalls hinsichtlich irgendwo gebunkerter, restlos vergammelter Lebensmittel mit zentimeterlangen Haaren darauf, denn wenn der Pflegefall sowas in sich reinstopft (und das tut er oft und gerne), dann ist die nächste Lebensmittelvergiftung vorgrammiert. Du findest derartigen Biomüll überall (neben dem Fernseher, im Schlafzimmer unter dem Bett, oben auf dem Küchschrank etc.), weil der Pflegefall im Horten und Bunkern äußerst erfinderisch ist.
– Du räumst ständig hinter dem Pflegefall in seiner Wohnung her, denn mal ehrlich: Sein Gebiss in der Obstschale oder das Hörgerät im Suppentopf sind nicht wirklich hygienische Anblicke!
– Du kontrollierst turnusmäßig seine Schubladen und Schränke, denn Haustiere sind ja ganz schön, aber aus vor Urzeiten mit Essensresten weggestellten Töpfen rauswimmelnde Maden mag eigentlich keiner.
– Du löscht den Zimmerbrand, wenn der Pflegefall die auf dem eingeschalteten Herd stehende Pfanne mit Öl vergessen hat und sich stinkende, blaue Schwaden durch das ganze Haus wälzen.
– Wenn der Pflegefall das Haus verlassen will, dann musst du ihn zwangsläufig begleiten damit er überhaupt den Weg findet (auch wenn er für 500m eine halbe Stunde benötigt und dir die Zeit wegrennt, weil du selbst noch Termine wahrzunehmen hast).
– Du erträgst den sich mehr und mehr steigernden, unerträglichen Egoismus des Pflegefalls mit geradezu übermenschlicher Geduld.
– Du stellst es immer und immer wieder richtig, wenn der Pflegefall krankheitsbedingt (weil sein Gehirn hinüber ist) Unwahrheiten und Lügen über dich in die Welt setzt.
– Du räumst den achtlos irgendwo hingeworfenen Müll des Pflegefalls weg.
– Du sortiert die Mülltonnen, weil der Pflegefall zur Mülltrennung nicht mehr fähig ist, alles zusammengekippt und folglich auch nichts abgeholt worden ist.
– Wenn du zusätzliche Hilfe benötigst (z. B. für einen Krankentransport), dann aquirierst du die betreffende Person und bezahlst sie auch.
– Du kannst gut damit leben, dass die deinerseits das ganze Wochenende über auf Hochglanz geschrubbte Wohnung des Pflegefalls vom Letzteren binnen nicht mal zwei Stunden wieder in das ultimative Messie-Dreckloch, in dem selbst eine Kanalratte Reißaus nimmt, verwandelt wird.
– An den im Minutentakt seitens des Pflegefalls veranstalteten Klingelterror hast du dich längst gewöhnt.
– Eine Erkrankung deinerseits, auch wenn du nicht mehr kriechen kannst, ist natürlich noch lange kein Grund, in deinen Pflegebemühungen auch nur ansatzweise nachzulasssen.
– Du suchst regelmäßig das ganze Haus nach für dich bestimmten Poststücken ab, weil der Pflegefall das weggenommen und irgendwohin geschmissen hat.
– Du handhabst die Folgen, die entstehen, wenn der Pflegefall in seiner naiven Unzurechnungsfähigkeit Trickbetrüger oder Einbrecher ins Haus gelassen hat.
– Wage es niemals an der Zurechnungsfähigkeit des Pflegefalls zu zweifeln, denn das versteht er ganz und gar nicht.
– Du kannst dich von deinem eigenen Leben komplett verabschieden, denn das existiert nicht mehr: Eigentlich willst du nur noch weg, und zwar ganz lange ganz weit weg weg!

Das alles sind jetzt nur mal ein paar einfach so herausgegriffene, ganz normale Schlaglichter aus der häuslichen Pflege. Oder sollte es besser heißen: Aus dem täglichen Wahnsinn? All das kostet Nerven, Zeit und vor allem Geld. Das Geld sollte kein Problem darstellen, denn dafür gibt es die Pflegekasse. Die zahlt entweder Pflegegeld oder bewilligt – in ungefähr doppelter Höhe – Pflegesachleistungen.

Womit wir beim Problem der Vorsorgevollmacht wären.

Das Pflegegeld erhält immer der Pflegefall selbst. Der weiß damit nichts anzufangen und bunkert es. Dabei ist es für die Arbeit der Pflegepersonen bestimmt. Kein Problem, wenn eine entsprechende Vorsorgevollmacht existiert, denn dann hat die Pflegeperson Zugriff auf diese finanziellen Hilfen.

Ein schier unlösbares Problem hingegen, wenn eine solche Vollmacht nicht da ist, denn dann nutzt der Pflegefall – vielleicht ohne es zu wissen und ohne es zu wollen – die Pflegeperson nach Strich und Faden aus. Nun könnte man auch noch Hilfe beanspruchen: Es gibt dafür die Kurzzeitpflege und die Verhinderungspflege.

Auch hierbei steht aber wieder die Vollmacht davor. Existiert die, dann kann die Pflegeperson von sich aus tätig werden und Hilfe einschalten. Gibt es so eine Vollmacht aber nicht, dann ist es alleinige Sache des Pflegefalls, solche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und wenn der keine Fremden im Haus haben oder nicht weg will?

Dann hat die Pflegeperson die endgültige Arschkarte gezogen!

Nun sollte man vielleicht denken, dass der Pflegefall sich für die Leistungen, die man ihm angedeihen lässt, auch dankbar zeigt. Manche tun das. Aber viele – weit gefehlt! Der Pflegefall will zwar eine Rundum-Betreuung haben, aber es missfällt ihm zugleich gewaltig, dass da ständig jemand in seiner Wohnung ist. Er empfindet das als Kontrolle und als Bevormundung, woraus nicht selten uneinsichtige Ablehnung resultiert. Auch ist er nicht mehr dazu in der Lage, eine Situation auch nur näherungsweise korrekt einschätzen zu können. Dann zeigt er seine „Dankbarkeit“ auf eine ganz eigentümliche Weise.

– Du hast es ständig mit Ablehnung, Zurückweisung und unkooperativem Verhalten in höchstem Maße zu tun.
– Du wirst vom Pflegefall als das personifizierte Böse, das ihm nur schaden will, betrachtet.
– Du wirst ständig angebrüllt.
– Du wirst ständig rausgeworfen.
– Du wirst zum Ziel seiner unvermittelt aus heiterem Himmel aufflammenden, verbalen Aggressivität und darfst dir angesichts deiner Hilfeleistung (Aufopferung?) zwar krankheitsbedingte aber auch ordinärste Beschimpfungen anhören: „Du Miststück! Du Dreckstück! Du Arschloch! Verpiss‘ dich! Mach‘ das du rauskommst! Ich hau‘ dir auf die Schnauze! Arschloch! Dreckskerl! Du Scheißkerl! Halt‘ dein Maul! Hau‘ ab! Halt‘ deine Schnauze! Schweinehund! Du tust ja nie was! Du dummes Schwein! Du faule Sau! Ich brauche dich nicht! Ich habe dich noch nie gebraucht! Ich kann alles alleine! Drecksau! Du dumme Sau!“ (Wobei der Totalausraster nur zwei Minuten später schon wieder komplett aus dem Gedächtnis des unzurechnungsfähigen Pflegefalls gelöscht ist, frei nach dem Schema: „Da soll was gewesen sein? War da was? Was denn?“)
– Im langjährigen Mittel kommt es einmal täglich zum tätigen Angriff gegen dich, den du selbstverständlich so abzuwehren hast, dass dem Pflegefall nichts geschieht.
– Du steckst es locker weg, dass du im Rahmen derartiger Angriffe auch im langjährigen Mittel betrachtet etwa alle zwei Wochen einmal selbst verletzt wirst.

Irgendwann erreicht dabei jede Pflegeperson den Punkt, an dem es reicht. Dann möchtest du den Pflegefall an die Wand nageln und dort hängen lassen. Friedfertige Menschen schmeißen dem Pflegefall dann alles vor die Füße und lassen ihn stunden- oder tagelang im eigenen Dreck sitzen.

Spätestens am dritten Tag, wenn er nämlich beginnt, vor Hunger zahnlos seine Tischplatte anzunagen, wird er wieder zugänglicher. Gehen der Pflegeperson jedoch – verständlicherweise! – einmal wirklich die Nerven durch, dann ist das ein hochwillkommener Aufmacher für unsere Medien: „Sohn erschlägt hilfebürftigen Vater!“ oder so ähnlich.

Und dann zerreißen sich selbsternannte Möchtegernexperten, die von Pflege soviel Ahnung wie ein Eunuch vom Sex haben, das Maul über den

„abgrundtief bösen Verwandten, der nur hinter dem Erbe her war“.

Äh, nein?!? Da ist einfach nur jemandem verständlicherweise die Sicherung durchgeknallt und er fand ein Ende mit Schrecken sinnvoller als einen Schrecken ohne Ende!

Ja, aber es gibt doch noch Heime für solche Pflegefälle, mag jetzt vielleicht manch einer denken. Ja, die existieren ganz zweifellos. Aber die kosten Geld und ob ein Heimaufenthalt überhaupt infrage kommt, hängt mitunter ganz allein vom Pflegefall selbst ab. Da sind wir nämlich schon wieder bei der bereits oben erwähnten Vollmacht. Ist die vorhanden, dann kann die Pflegeperson über die Heimeinweisung des Pflegefalls entscheiden.

Einen Teil der Unterbringungskosten übernimmt die Pflegeversicherung. Den verbleibenden Rest zahlst du selbst. Außer du besitzt praktisch nichts. Dann springt das Sozialamt ein, nachdem es dafür gesorgt hat, dass ein billigerer (schlechterer?) Heimplatz wo auch immer gefunden wird.

Oder die Vollmacht existiert nicht. Dann wird irgendwann irgendwer (Arzt, Amtsarzt, Sozialdienst, MDK o. ä.) zu dem Schluss gelangen, dass eine Pflege nicht mehr vollumfänglich gewährleistet ist und ein Vormundschaftsgericht eingeschalten (müssen). Das beauftragt dann einen profesionellen Betreuer, also bspw. einen Anwalt, der den Pflegefall gar nicht kennt und der hunderte von Kilometern entfernt ansässig sein kann.

Dann entscheidet der über den Heimaufenthalt oder über notwendige Änderungen im Wohnumfeld und die Pflegepersonen (die jetzt komplett außen vor sind) werden dafür zur Kasse gebeten. Wenn die sich deswegen von allem verabschieden müssen, wofür sie ihr Leben lang gekeult und gebuckelt haben, dann hat das seine Richtigkeit, weil es Recht und Gesetz ist.

Da die häusliche Pflege aber wesentlich billiger als die professionelle Pflege ist, wird allerdings so lange weggesehen und Pflegegrade so lange viel zu niedrig eingestuft werden, wie es nur irgendwie machbar ist. Bis es schließlich irgendwann wirklich nicht mehr geht und dann fällt die Kohle nach oben – hin zu denen, die ohnehin schon viel zuviel haben.

So funktioniert nun einmal die Pflegewüste Deutschland!

Die Arschkarte haben immer die Pflegepersonen und – bei mieser, weil billiger Betreuung – irgendwann am Ende auch die Pflegefälle. Wird denn die seitens der Pflegepersonen erbrachte, geradezu unmenschliche Pflegeleistung wenigstens irgendwie anerkannt? Selbstverständlich nicht! In der Rentenübersicht der BfA taucht sie jedenfalls nicht – auch wenn die Pflegekasse dafür jährlich ein paar Euro einzahlt – bei der Lebensarbeitszeit auf.

Merke: Für unsere Politclowns ist Pflege keine Arbeit! Aber na ja, das muss man doch auch verstehen:

Wer Empfänger eines leistungslosen Grundeinkommens in fürstlicher Höhe ist und sich deswegen auf seiner rosa Wolke in aller Bierruhe endlos die Eier schaukeln kann, der will von Arbeit auch nichts wissen und der verschließt vor der traurigen Realität nur allzugerne die Augen.


Quelle und Kommentare hier:
https://quergedacht40.wordpress.com/2019/03/06/pflegepraxis/