Pegida-Demonstrant im ZDF: Ins Licht gezerrt

von PPQ

Das ist auch nur in Sachsen möglich: Erst wehrt sich ein Pegida-Demonstrant dagegen, von einem ZDF-Kamerateam gefilmt zu werden. Dann schreitet die Polizei ein und nimmt die Personalien des Demonstranten und der ZDF-Mitarbeiter auf. Dann lobt der sächsische Ministerpräsident die professionelle Arbeit der Beamten.

Dann meldet sich das sächsische Innenministerium und erklärt, der Demonstrant sei hauptberuflich Mitarbeiter des Landeskriminalamtes des Freistaates, aber privat demonstrieren gewesen. Und schließlich taucht die Bundesjustizministerin aus dem Sommerloch auf und nennt das alles „besorgniserregend“.

Justizministerin  gegen den Rechtsstaat

Katarina Barley, eine aus der bunten Erneuerungstruppe der SPD, meint das allerdings anders, als es zu erwarten wäre. Nicht der Umstand, dass ein Mann, der nichts weiter getan hat als sich lächerlich anzuziehen und sein Recht auf freie Meinungsäußerung zu nutzen, plötzlich im Mittelpunkt einer bundesweiten Skandalisierung steht, erregt die Justizministerin. Sondern ein von Barley gefühlter Verstoß gegen die Pressefreiheit, den die Politikerin nicht näher beschreibt, der aber wohl darin bestehen soll, dass Beamte die Personalien der Mitarbeiter des ZDF-Teams feststellten, nachdem der Dresdner Pegida-Demonstrant die Journalisten wegen der von ihm gegen seine ausdrückliche Willenserklärung gemachten Filmaufnahmen angezeigt hatte.

Völlig zurecht, denn die neue europäische Datenschutzverordnung DSGVO hat vor kurzem das bisher geltende Bundesdatenschutzgesetz und das Kunsturhebergesetz abgelöst – die EU-Richtlinie wiegt schwerer als die Bundesgesetze und gehen diesen vor. Konsequenz daraus: Wer bisher als Person nicht erkennbar in einem Video oder auf einer Fotografie abgebildet wurde, musste nicht um eine Einwilligung gebeten werden, er war Beiwerk in einer Massenszene und musste dulden, in dieser gezeigt zu werden.

Datenschutz als Witz

Die EU-Datenschutzgrundverordnung, von deutschen Politikern als maßstabsetzendes Regelwerk für die digitale Zukunft gefeiert, hat diesen für Journalisten paradiesischen Zustand beendet. Seit Mai sind digitale Bildaufnahmen zuallererst einmal Daten, die elektronisch verarbeitet werden. Damit fallen sie unter die neue Datenschutz-Grundverordnung, die jede Aufnahme und nicht erst eine Veröffentlichung als zustimmungspflichtige Datenaufzeichnung definiert. Damit muss jede einzelne Person, die auf einem Foto oder in einem Film von der Kamera erfasst wird, ausdrücklich ihre Erlaubnis geben, abgebildet zu werden.

Auch wenn Kanzlerin Angela Merkel höchstselbst anderes behauptet: Nein, auch wer als ganz normaler Demonstrant an einer Demonstration teilnimmt, muss nicht damit rechnen und er muss es schon gar nicht dulden, als Einzelperson aus der Teilnehmermenge herausgehoben gefilmt zu werden.

Es spielt dabei keine Rolle, ob das ZDF Aufnahmen macht, ob diese in Sachsen anfertigt werden, ob ein Mensch im Vordergrund oder Hintergrund steht, ob er vorüberläuft, eine Wurst isst oder eine Deutschlandmütze trägt, ob er beim LKA arbeitet oder Justizministerin ist, ob er vorn oder hinten im Bild auftaucht oder Angela Merkel gut findet. Diese Regelungen kennen keine Ausnahme, auch wenn die Problematik allmählich so deutlich durchdringt, dass selbst deutsche Datenschützer versuchen, die europäischen Regelungen als nachrangig zu interpretieren.

Ein Hohn auf die DSGVO

Doch das sind sie nicht, da EU-Recht nationalstaatlichen Regelungen immer vorgeht. Dass der ZDF-Journalist Arndt Ginzel das nicht weiß und den Pegida-Demonstranten trotz dessen Widerspruch weiterfilmen ließ, ist die eine Sache. Dass die gesamte deutsche Presse sich nach der – selbst nach Kunsturheberrechtsgesetz widerrrechtlichen – Veröffentlichung der rechtswidrigen Aufnahmen dazu entschloss, es auch nicht wissen zu wollen, ist ein zweiter Aspekt. Dass aber eine Bundesjustizministerin nach mehreren Tagen einer vor dem Hintergrund der eindeutigen EU-Regelungen absurden Diskussion so tut, als gebe es gar nichts zu wissen, ist dann doch erstaunlich.

Immerhin zeigt die letzte Windung der vermeinten Affäre um die – von der DSGVO genauso gewollte – Einschränkung der Pressefreiheit doch exemplarisch, warum die europäischen Datenschützer sich für eine harte Regel beim Recht am eigenen Bild entschieden haben: Der vom ZDF gefilmte Dresdner ist auch nach den Regelungen des nach Ansicht des Bundesjustizministeriums weitergeltenden Kunsturheberrechtsgesetzes keine absolute oder relative Person der Zeitgeschichte, er ist in der konkreten Aufnahmesituation kein Teil einer Menschenmenge gewesen und seine „Schaustellung“, wie es im KUG heißt, dient weder einem „höheren Interesse der Kunst“ noch kann das ZDF ein „berechtigtes Interesse“, wie es in der DSGVO heißt, nachweisen, ausgerechnet diesen einen Demonstranten losgelöst von der eigentlichen Demonstration zu zeigen.

Abschreckendes Beispiel

Was geschieht, wenn es doch geschieht, ist an seinem Beispiel gut zu sehen: Der Deutschlandhutmann, der nichts weiter tut als mehrfach „Hören Sie auf, mich zu filmen“ zu den ZDF-Mitarbeitern zu sagen, wird plötzlich zum Gegenstand bundesweiter Berichterstattung. Journalisten recherchieren ihm nach, er wird als LKA-Mann enttarnt, sein Name ist nun, zumindest in Sachsen, bekannt. Sein Versuch, sich gegen eine Berichterstattung zu wehren, die zu seiner Identifizierung hätte führen können, hat genau dazu geführt.

Nun drohen ihm, so zumindest zahlreiche öffentliche Forderungen, dienstrechtliche Konsequenzen. Und dem Land eine Diskussion darüber, ob Teilnehmer an genehmigten Demonstrationen nicht prinzipiell untersagt sein sollte, Zugriff auf womöglich sensible Behördendaten zu haben.


Quelle und Kommentare hier:
http://www.politplatschquatsch.com/2018/08/pegida-demonstrant-im-zdf-ins-licht.html