Medien und rechte Revolution: Guter Terror, schlechter Terror

von PPQ

„Es ist inzwischen ein Krieg von 6 gegen 60 000 000“, schrieb Heinrich Böll, und wie recht er hatte, wird 46 Jahre später klar. „Der braune Umsturz“ (Die Welt) hat begonnen, sieben Sachsen, die das Passwort für ihre Facebook-Seite vor fünf Jahren vergessen hatten und seitdem eine Ersatzseite nutzen mussten, soll am Tag der Deutschen Einheit einen Anschlag geplant haben.

Selfie von drei der sieben Sachsen-Nazis, präsentiert auf Facebook.

Zwei Tage zuvor hatten sie sogar schon begonnen, sich nach „halbautomatischen Waffen“ (Spiegel) zu erkundigen, um „die Gesellschaft ganz umzuwälzen“.

Dann schlug die Polizei zu und nahm die Truppe aus „rechten Hooligans, Skinheads, Neonazis und Angehörigen der Rechtsrock-Szene“ (Spiegel) – „Kampfsportler“ fehlen diesmal – fest. Die „Revolution von rechts“ fällt aus, der Glaube, dass die Zeit gekommen sei (SZ), war nur der Irrglaube einer Gang Verwirrter.

Psychisch auffällig allein schon dadurch, dass sie, die sich für die „führenden Köpfe“ der Naziszene in Sachsen gehalten haben sollen, ungeschützt in Chats und am Telefon über ihre Pläne diskutierten, keine Nazidemo ausließen und schließlich auch noch einen Testterrorakt durchführten, um die Behörden auf jeden Fall darauf aufmerksam zu machen, dass in ihrem Waffenarsenal, so die Behörden, „Schlagstöcke, mindestens ein Luftgewehr und Pfefferspray“ lagerten.

Im Vergleich zu anderen aufgedeckten Terrorplanungen ein der Größe und Bedeutung Sachsens im Weltvergleich durchaus angemessen scheinende Ausstattung.

Doch das Medienecho fällt ganz anders aus als in anderen, auf den ersten Fällen von Terrorverdacht. Zehnmal meldete der Generalbundesanwalt seit Jahresbeginn die Festnahme von Mitgliedern des Islamischen Staates, vierzehnmal die Festnahme von Mitgliedern anderer islamistischer Terrorgruppen.

Doch auf so bereitwillige und ausladende, so nachdrückliche und so entschiedene Nachnutzung wie im Fall der selbsternannten Rechtsrevolutionäre aus Sachsen kam keine der entsprechenden Pressemitteilungen.

Die „deutsche IS-Kämpferin Sarah O.“ (n-tv) war deutschen Medien gerademal sechs Erwähnungen wert, die letzte Anklage gegen einen islamistischen Terroristen schaffte es sogar nie aus dem Nachrichtengrab Presseportal.de heraus, obwohl der Angeklagte zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat nicht älter als 14 Jahre gewesen sein soll.

Ein Zufall mit System. 45 von 88 Pressemitteilungen, die der Generalbundesanwalt 2017 herausgab, beschäftigten sich mit dem IS, Al-Nusra-Mitgliedern, Boko-Haram-Männern und Al-Shabab-Gefolgsleuten, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und hier erkannt, entdeckt und schließlich festgenommen worden waren.

Im Gegensatz zur sächsischen Killergruppe, die sich bei Facebook auch schon mal per Bild (oben) vorstellte und verbal keinen Zweifel an ihrer rechtsextremen Gesinnung ließ, erregte kaum einer der Fälle bundesweit Aufmerksamkeit. Und seit Thomas de Maizieres legendärer Warnung vor einem drohenden „Blutbad im Reichstag“ vor acht Jahren hat auch kein Innenminister so deutlich gemacht, dass es keine Sicherheit gibt und geben kann. 

Guter Terror, schlechter Terror. Es scheint ganz so, als ob die Nützlichkeit der Entdeckung von potenziellen Mördern für die eigene Agenda darüber entscheidet, welchen Stellenwert der im letzten Moment gebannten Gefahr eingeräumt wird. Wie schon beim vermeintlichen Bundeswehrterroroffizier Franco A., dessen Mordlisten, Pistolenverstecke und Asylanträge wochenlang die Schlagzeilen bestimmten, ehe der BGH den Haftbefehl gegen den Superkiller schließlich sang- und klaglos aufhob, bildet sich rund um die sieben offensichtlich geistig verwirrten Sachsen eine öffentliche Erzählung, die den Inhaftierten gefallen dürfte. Schlimmer als der NSU. Fürchterlicher als die RAF, die 33 Menschen ermordete. Kalte Planer aus Dunkeldeutschland, zu allem entschlossen.

Zum Islamisten Magomed-Ali C. dagegen, vor fünf Wochen in einer Wohnung festgenommen, in der er gemeinsam mit seinem Terrorkollegen Clément B. mehrere Schusswaffen und drei Kilogramm Triacetontriperoxid gehortet hatte,  gab es seit der Verkündung des Haftbefehls Ende August genau wie viele analytische, enthüllende und tief in die Szene eindringende Beiträge?

Genau. Einen.


Quelle und Kommentare hier:
http://www.politplatschquatsch.com/2018/10/medien-und-rechte-revolution-guter.html