Held der Kavallerie

Von Jan von Flocken

Heute vor 255 Jahren endete mit dem Frieden von Hubertusburg der Siebenjährige Krieg. Preußen war Großmacht. Das Ass im Ärmel von Friedrich II. hieß Friedrich Wilhelm von Seydlitz – einer von 14 Deutschen Helden, die wir im zweiten Band von COMPACT-Geschichte vorstellen.

Als der englische Gesandte Sir Andrew Mitchell nach der Schlacht von Zorndorf am 25. August 1758 Friedrich dem Großen noch auf dem Gefechtsfeld zu seinem Sieg gratulierte, wies dieser bescheiden auf den Reitergeneral Seydlitz und sagte:

«Ohne diesen würde es schlecht mit uns aussehen.»

Ein echtes preußisches Soldatenkind war der 1721 geborene Friedrich Wilhelm von Seydlitz, sein Vater diente als Kavalleriemajor im westdeutschen Cleve. Als er 1728 starb, zog die Mutter nach Bad Freienwalde in Brandenburg. Sechs Jahre später trat Seydlitz als Page in die Dienste des Markgrafen Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt. Dieser Verwandte des preußischen Königshauses wurde «der tolle Markgraf» genannt, wobei toll nicht wie heute anerkennend gemeint war, sondern schlicht verrückt bedeutete. Der Mann traktierte seine Mitmenschen durch derbe Späße und kindisch-bösartigen Schabernack. Vor allem stach er durch wilde Reitpartien hervor. Bald war der junge Seydlitz der Einzige aus seiner Entourage, der mit dem «tollen Markgrafen» auf dem Gebiet der Reiterkunststücke und Mutproben gleichziehen konnte. Dazu gehörten Ritte über das berstende Eis der Oder, das Durchreiten drehender Windmühlenflügel oder Schießübungen auf Hüte, die bei vollem Galopp in die Luft geworfen wurden.

Doch der Markgraf besaß auch eine ernsthafte Seite. Als Oberst der Kavallerie übte er auf einem eigens angelegten riesigen Reiterareal vor dem Schwedter Schloss seine Leute im Kampf. Seydlitz lernte hier viel von dem, was ihn später als Kavallerieführer auszeichnen sollte. Er erprobte seinen Wagemut, das Erfassen des günstigen Augenblicks und seine rasche Entschlusskraft. Mit den Jahren verlangte sein wacher und zielstrebiger Geist nach sinnvoller Anwendung der erlernten Fähigkeiten, so dass er immer dringender darum bat, den Pagen dienst verlassen und als Kornett (Fähnrich) in das Reiterregiment des Markgrafen eintreten zu dürfen.

Die Erlaubnis erteilte der hohe Herr nur ungern, aber schließlich wurde Friedrich Wilhelm von Seydlitz kurz nach seinem 19. Geburtstag, Mitte Februar 1740, in die Reihen der preußischen Armee, das Kürassierregiment Nr. 5, aufgenommen. Kurz darauf begann der Erste Schlesische Krieg. In der Schlacht bei Mollwitz am 10. April 1741 erhielt Seydlitz seine Feuertaufe. 1743 wurde er Schwadronschef im Husarenregiment Nr. 4 und 1752 Kommandeur des Dragonerregiments Nr. 12. Damit hatte er sämtliche Gattungen der damaligen Reiterei durchlaufen – eine Praxis, die ihm später sehr nutzte.

Die Kürassiere zählten zur schweren Reiterei, was sich in ersten Linie auf ihr Pferdematerial bezog, aber auch die Bewaffnung, der «Kürass» genannte Brustpanzer und der «Pallasch», eine Hiebwaffe mit gerader, zweischneidiger Klinge, ließen die Kürassiere zur gefürchteten Angriffswaffe werden. Husaren verkörperten die klassische leichte Kavallerie. Sie wurden weniger im Kampf als bei Aufklärung, Kurier- und Patrouillendienst verwendet. Allerdings griffen preußische Husaren vor allem im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) häufiger in die Schlacht ein. Dragoner waren ursprünglich nur eine berittene Infanterie, die ihre Pferde hauptsächlich zum Transport benutzten. Kurzläufige Karabiner gehörten zu ihrer Standardbewaffnung, und bald galten sie als Bestandteil der schweren Kavallerie.

In den Schlachten bei Hohenfriedberg (Juni 1745) und Soor (September 1745) fiel Seydlitz durch kühne Überraschungsmanöver bei Friedrich dem Großen angenehm auf. Der König beförderte ihn nach einem gelungenen Manöver bei den Herbstübungen im September 1752 zum Oberstleutnant, obwohl sein Vorgesetzter, der ihn sehr schätzte, diesen jungen Mann von 31 Jahren noch nicht so schnell emporheben mochte.

Den Sieg gegen die Franzosen bei Roßbach hatte Friedrich der Große vor allem seinem General Seydlitz zu verdanken. Ölgemälde (um 1757) im Museum des Schlosses Neu-Augustusburg, Weißenfels.

Seydlitz besaß ein enormes Talent, seine Männer zu motivieren. Beim täglichen Dienst korrekt und konsequent, verzichtete er meist auf strenge Maßregeln, weil er auf Vorbildwirkung setzte.

«Der Offizier muss das, was er vom Mann fordert, in größerer Vollkommenheit als dieser verstehen», so seine Maxime.

Auch Selbststilisierung war ihm nicht fremd: So eröffnete er Reiterattacken regelmäßig, indem er seine brennende Tabakspfeife in die Luft warf.

«Sein Gesicht war wohlgebildet, nicht unbedingt schön, aber durch ein paar Feueraugen belebt, die ebenso freundlich wie zornig blicken konnten, unwillkürlich einnahmen und ohne Widerrede gehorchen machten», notierte ein Augenzeuge.

Blendend aussehend, eine stattliche Erscheinung in schneidiger Uniform, war Seydlitz Schwarm und Idol aller Frauen, was er nach Kräften ausnutzte. Seine 1760 geschlossene Ehe mit Johanna von Hacke geriet darüber zur veritablen Katastrophe und musste schon nach vier Jahren wieder geschieden werden.

Die Höhen und Tiefen des Siebenjährigen Krieges stand Seydlitz mit eiserner Energie durch. Für die erfolgreiche Deckung des Rückzugs nach der verlorenen Schlacht von Kolin dankte ihm der König am 20. Juni 1757 dadurch, dass er ihn außer der Reihe zum Generalmajor beförderte und ihm «für seine glorreiche Führung von 15 Eskadronen» den höchstenpreußische Tapferkeitsorden Pour le Mérite verlieh.  Mit 36 Jahren war er der bis dato jüngste General der Armee, und als der legendäre Husarenführer Hans Joachim von Zieten ihn zur Ernennung beglückwünschte, entgegnete Seydlitz knapp:

«Es war auch höchste Zeit, wenn noch etwas aus mir werden soll.»

Es wurde etwas aus ihm! Am 4. November 1757 zog ein französisches Heer auf das Städtchen Roßbach (heute Sachsen-Anhalt) zu und postierte sich nach einem Rechtsschwenk mit Roßbach zur Linken sowie Reichartswerben und Tagewerben am rechten Flügel.

Es waren 45.000 Mann mit 144 Kanonen, denen die Preußen nur 22.000 Mann mit 79 Geschützen entgegenstellen konnten. Alles hing jetzt vom Überraschungsmoment ab, Schlagkraft und Beweglichkeit waren gefragt. Dafür besaß Friedrich der Große mit Seydlitz genau den richtigen Mann. Bei Roßbach wurde ihm fast die gesamte Kavallerie unterstellt, obwohl etliche rangältere Generale Anspruch darauf besaßen. Möglichen Protest räumte er schnell aus.

«Ich gehorche dem König, und Sie gehorchen mir!»,

kommentierte Seydlitz seine Mission.


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Quelle und Kommentare hier:
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