Erste Bundestagswahl: Eigene Stimme machte Adenauer zum Kanzler

Für die SPD begann die Geschichte der Bundestagswahlen vor 60 Jahren mit einer deftigen Niederlage. Erster Nachkriegskanzler der Bundesrepublik Deutschland wurde Konrad Adenauer – mit einer Stimme Mehrheit.

Rivalen bei der ersten Bundestagswahl: Kurt Schuhmacher und Konrad Adenauer.

Rivalen bei der ersten Bundestagswahl: Kurt Schuhmacher und Konrad Adenauer.

Zwar gingen die Sozialdemokraten vor dem Urnengang am 14. August 1949 noch zuversichtlich mit dem Spruch auf Wählerfang: «Alle Millionäre wählen CDU-FDP. Alle übrigen Millionen Deutsche die SPD.» Doch nur 29,2 Prozent der damals 31,2 Millionen Wahlberechtigten machten ihr Kreuz dann auch bei der Sozialdemokratischen Partei Deutschland.

Die Bundesbürger hatten zwölf Jahren NS-Gewaltherrschaft hinter sich. Hunger und Not folgten auf den verlorenen Krieg. Deutschland war geteilt und unter alliierter Besatzungspolitik. In dieser Lage sollten die Wähler auf einmal zwischen zwei Wirtschaftsprogrammen entscheiden: Planwirtschaft oder Marktwirtschaft.

Der «Spiegel» vom August 1949 spottete, die SPD könne sich mühelos ausrechnen, warum sie den Kampf so hart verloren habe: «Keiner ihrer Kandidaten konnte den Wählern verraten, wie die Sozialisierung präzis aussehen solle.» Auch hatten die Sozialdemokraten schon damals Probleme in den Bundesländern: «Zu allem Überfluss schlugen die Skandale einer von der SPD geführten Koalitionsregierung in Hessen und eine über Gebühr sture Parteiwirtschaft des SPD-Kabinetts in Kiel übel zu Buch», kommentierte das Nachrichtenmagazin.

Duell Adenauer kontra Schumacher

Bei der ersten Bundestagswahl entschieden sich 31 Prozent der Wähler für die CDU/CSU unter Konrad Adenauer. Sie warb mit «Freiheit – Gerechtigkeit – Frieden» und plakatierte: «Millionen Christen wählen CDU.» Dagegen roch das Programm des spröde wirkenden SPD-Spitzenkandidaten Kurt Schumacher nach Klassenkampf und Kirchenkritik. Auch konnte die Union mit dem parteilosen Wirtschaftsexperten Ludwig Erhard punkten, der als «Vater der sozialen Marktwirtschaft» und «Vater des Wirtschaftswunders» Geschichte machen sollte.

Die Bundesbürger kannten Adenauer als Oberbürgermeister von Köln und als Präsidenten des Parlamentarischen Rats, der das Grundgesetz ausgearbeitet hatte. Er lieferte sich mit Schumacher einen harten Wahlkampf und rückte den SPD-Politiker in die Nähe der Kommunisten: Rheinischer Katholik traf auf preussischen Sozialisten. Schumacher hatte bereits von 1930 bis 1933 die SPD im Reichstag vertreten. Die Zeit des Nationalsozialismus verbrachte er grösstenteils im Konzentrationslager. 1946 wurde Schumacher der erste Nachkriegsvorsitzende der SPD.

Elf Parteien im ersten Bundestag

Bei der Wahl des ersten Deutschen Bundestags gab es noch nicht das heutige System der Erst- und Zweitstimme. Jeder Wähler hatte nur eine Stimme. Die Fünf-Prozent-Hürde galt nur landesweit und nicht, wie heute, bundesweit. Folglich waren elf Parteien im ersten Parlament vertreten. Die stärksten Parteien waren die CDU/CSU mit 144 Sitzen, die SPD mit 120, die FDP mit 57 und die Bayernpartei sowie die Deutsche Partei mit jeweils 17 Sitzen.

Die erste Regierungskoalition nach dem Krieg bildeten CDU/CSU, FDP und Deutsche Partei. Sie wählte am 15. September 1949 Konrad Adenauer mit der berühmten Mehrheit einer einzigen – nämlich seiner eigenen – Stimme zum ersten Bundeskanzler.

In der DP tummelten sich auch Alt-Nazis

Die Deutsche Partei war noch bis 1960 an unterschiedlichen Koalitionen beteiligt und stellte drei Bundesminister. Adenauer brauchte die DP als Mehrheitsbeschafferin. Er interessierte sich offensichtlich wenig dafür, dass sich in ihrer Fraktion allerlei Alt-Nationalsozialisten tummelten.

Doch laut «Spiegel» gab es 1950 im Bundestag noch handfeste Argumente: Nach einer offen antisemitischen und rechtsextremistischen Rede bezog das frühere NSDAP-Mitglied Wolfgang Hedler eine Tracht Prügel von wütenden Sozialdemokraten. Die schlagkräftigen SPD-Abgeordneten durften daraufhin für rund eine Woche den Bundestag nicht mehr betreten.


Quelle und Kommentare hier:
http://www.20min.ch/news/dossier/bundestagswahl/story/23353864