Die toten Kinder vom Kamper See

von Markus H. Gewe

Sowjetische Kriegsverbrechen in Hinterpommern

In tiefem Blau liegt der Kamper See unweit von Treptow an der Rega. Doch unter der stillen Wasseroberfläche birgt er ein schreckliches Geheimnis. Vor sechsundsechzig Jahren ereignete sich hier eines der ungezählten, alliierten Kriegsverbrechen, welche von den Demokraten heute nur allgemein verschwiegen oder gar zur Befreiungslüge umgelogen werden.

Doch im Frühjahr 1945 fand sich hier ein Fliegerhorst, dessen Hangars noch heute besichtigt werden können. Dieser Flugplatz sollte zum Rettungsanker für Tausende Flüchtlinge aus Kolberg werden, die in letzter Minute vor der heranrückenden Roten Armee flohen. Aber auch zwölftausend Kinder warteten noch auf Rettung, die bislang in zwei benachbarten Lagern der Kinderlandverschickung (KLV), in Deep und Kamp, untergebracht waren.

Sie gehörten zu jenen fast drei Millionen Kindern, die im Rahmen der groß angelegten KLV aus den großen Städten und Industriezentren evakuiert wurden, um sie vor dem alliierten Bombenterror zu schützen. Die Jungen und Mädchen fanden eine Unterkunft in einem der rund 2.000 KLV-Lager, die sich meist in ländlicher Gegend lagen, während die Heimatorte von amerikanischen und britischen Kriegsverbrechern in Schutt und Asche gebombt wurde. Millionen Deutsche starben den Flammentod im Bombenhagel, unschätzbare Kulturgüter wurden zerstört.

Doch die vermeintliche Sicherheit im ruhigen Hinterpommern war spätestens im März 1945 vorbei, als die 2. Weißrussische Front wie eine unaufhaltsame Feuerwalze durch Westpreußen und Hinterpommern rollte. Die entsetzlichen Bilder von Nemmersdorf waren den Menschen nur klar vor Augen. Aufgehetzte Rotarmisten mordeten, vergewaltigten und plünderten wahllos. Wie Tiere waren sie von Stalins Propagandisten (u. a. Ilja Ehrenburg) zu ihrem Mordwerk aufgeputscht worden und wüteten unter der Zivilbevölkerung.

In diesem Chaos richtete die „Seenotgruppe 81“ eine Luftbrücke vom Fliegerhorst Kamp auf die Insel Rügen ein. Mit ihren Wasserflugzeugen vom Typ Dornier Do-24, die in Friedenszeiten zur Rettung Schiffbrüchiger auf See verwendet wurden, flogen die Männer pausenlos Kinder und Zivilisten aus dem bedrohten Raum Kolberg aus. Unzähligen retteten sie so in letzter Minute das nackte Leben.

Obwohl die Flugzeuge eigentlich nur für sechzehn Personen ausgelegt waren, wurden sie angesichts der Notsituation gnadenlos überladen. Jeder Zentimeter Raum wurde genutzt. Eine Do-24 hob an jenem Montag, dem 5. März 1945, mit sage und schreibe 76 Passagieren ab, andere Quellen sprechen gar von 82. An Bord befanden sich neben der Besatzung ausschließlich Kinder und deren Betreuerinnen.

Doch nur wenige Sekunden nach dem Start geschah das Unglück und entsetzte Augenzeugen sahen, wie die Maschine aus etwa 80 Metern Höhe vom Himmel stürzte und im Kamper See versank. Lediglich das Teil einer Tragfläche tauchte nach einigen Minuten auf der Wasseroberfläche auf, von den Opfern keine Spur.

Später wurde es ruhig um das havarierte Flugzeug. Einzig Zdiszlaw Matusiewicz, dem Bürgermeister des heute polnisch verwalteten Ortes, ist es zu verdanken, daß die Erinnerung wach gehalten wird. Als Mensch und Christ bemüht er sich seit Jahren um eine Bergung des Wracks und eine würdige Bestattung der Opfer.

Regelmäßig führt er Gäste zu den Hangars, verweist auf den See und schildert die Tragödie. Für diese Haltung wurde er auch von Landsleuten kritisiert, die wenig Verständnis für deutsche Opfer zeigen. Doch die Versöhnung über Gräber hinweg ist ihm wichtig.

Mittlerweile gab es schon eine Tauchexpedition zum Grund des Sees. Polnische Taucher entdeckten dabei weitere Details, die zur Rekonstruktion des Unglücks beitragen konnten. Demzufolge war der Absturz mitnichten durch menschliches Versagen oder einen technischen Defekt bedingt, wie lange Zeit angenommen wurde.

Ganz im Gegenteil, im Heck wurde die Einschußstelle einer Panzergranate gefunden, sogar ein Granatsplitter steckte noch. Miroslaw Huryn von der Stiftung „Fort Rogowo“ ist überzeugt, daß das Flugzeug von einem Panzer abgeschossen wurde. Sowjetische Tanks waren schon in der Nähe des Sees aufgefahren und feuerten auf die Flüchtlinge. Dabei wurde offensichtlich auch das Flüchtlingsflugzeug aufs Korn genommen und abgeschossen.

Die Untersuchungen ergaben auch noch, daß sich die Bergung des Wracks äußerst kompliziert gestalten würde. Eine meterhohe Schlammschicht müßte abgepumpt werden, was die Kosten explodieren läßt.

Dennoch hält Bürgermeister Matusiewicz an seinem Vorhaben fest. Unterstützung findet er dabei auch beim Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge. Und so bleibt dann nur zu hoffen, daß das benötigte Geld doch noch durch Spenden aufgebracht wird. Sechsundsechzig Jahre nach Kriegsende könnten die unschuldigen Kinder vom Kamper See schließlich würdig bestattet werden und ihre letzte Ruhestätte in pommerscher Heimaterde finden.

Verweis:

  • Das Rätsel vom Kamper See (SVZ, 18.11.11)

Quelle und Kommentare hier:
http://www.mupinfo.de/?p=14973


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