Die amerikanische Lobby

von Online-Autor

Die Machtverhältnisse sind verteilt (Foto: Wikipedia, CCL)
Die Machtverhältnisse sind verteilt (Foto: Wikipedia, CCL)

Die Macht im Verborgenen: US-Denkfabriken in Deutschland vernetzen Politiker und Wirtschaftsbosse, beeinflussen die öffentliche Meinung und führen Geheimkonferenzen durch. Eine Übersicht. Von Hans-Werner Klausen

Gleich drei Mal ist die Feindstaatenklausel in der Charta der Vereinten Nationen verankert – in den Artikeln 53, 77 und 107. Explizit erlaubt sie

«Maßnahmen, welche die hierfür verantwortlichen Regierungen als Folge des Zweiten Weltkriegs in Bezug auf einen Staat ergreifen oder genehmigen, der während dieses Krieges Feind eines Unterzeichnerstaats dieser Charta war».

Gemeint ist insbesondere Deutschland. Da eine – im Zweifel auch rückwirkende – Kriegserklärung an die Achsenmächte Voraussetzung für die UNO-Aufnahme bei deren Gründung war, gilt dies für praktisch alle 1945 bereits unabhängigen Staaten. Sie könnten unter Umgehung der UNO in Deutschland einmarschieren. Real käme dies wohl vor allem für die USA in Frage.

Was bislang als Verschwörungstheorie oder allenfalls Historienfolklore galt, bekommt angesichts der NSA-Spähaffäre urplötzliche Brisanz. Zwar lässt die Feindstaatenklausel militärische Interventionen nur «bei der Wiederaufnahme einer Angriffspolitik» zu. Doch solche Formalitäten bedürfen letztlich nur der Auslegung.

«Die übergroße Neugier der US-Dienste hat die Frage nach der Souveränität von Staaten wieder aktuell gemacht, die, wie die Bundesrepublik Deutschland, zugleich Objekt und Subjekt intensiver nachrichtendienstlicher Zuwendungen waren und weiterhin sind»,

schreibt der frühere Berater von Altkanzler Helmut Kohl, Michael Stürmer, in der Welt.

«Ob die UN-Feindstaatenklausel noch immer für Deutschland gilt, mögen Historiker und Völkerrechtler unter sich ausmachen. Für US-Geheimdienste lautet die schlichte Antwort: Ja!», bringt es die Oldenburger Nordwest-Zeitung auf den Punkt.

Ist Deutschland als Feind souverän?

Formal hat die Feindstaatenklausel heute keine Bedeutung. 1995 bezeichnete die 50. Generalversammlung der UNO den Passus sogar offiziell als obsolet, also überholt. Doch zumindest gewisses Bauchgrummeln bereitet die Feindstaatenklausel inzwischen auch Teilen der bundesdeutschen Elite.

«Wir haben offensichtlich verdrängt, dass Deutschland (…) in der UNO-Charta fast drei Generationen nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer als “Feindstaat” rangiert. Es ist höchste Zeit, dieses Überbleibsel der Realität anzupassen»,

schrieb im Juli die CSU-Parteizeitung Bayernkurier. Einen Schritt weiter ging die Frankfurter Allgemeine, als sie die Klausel angesichts der NSA-Affäre thematisierte.

«Proteste gegen die Überwachung sind vorerst nutzlos, denn es ist mehr als unklar, ob Deutschland überhaupt souverän ist.»

«Auch ein Feind ist souverän», differenziert der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider gegenüber COMPACT.

«Souveränität ergibt sich, auch, wenn man frühere Auffassungen von Staatssouveränität zugrunde legt, einfach aus der Staatseigenschaft Deutschlands.»

Beim Auswärtigen Amt wird die Skandal-Klausel jedenfalls heruntergespielt. Berlin tut, als sei Deutschland nur aus Bequemlichkeit als Feind gelistet.

«Eine Streichung aus der Charta ist ein gewaltiger Aufwand und wird wohl eher im Rahmen einer grundlegenden Reform der UN stattfinden»,

sagte UN-Botschafter Peter Wittig. Doch eine solche Reform ist nicht in Sicht. So darf Deutschland noch einige Zeit acht Prozent des UN-Haushalts bezahlen, hin und wieder als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat sitzen und UN-Kampfmissionen mittragen, während es doch eigentlich der Feind ist.

Der Text ist nur ein Auszug aus einem längeren Artikel, der in der COMPACT-Septemberausgabe erschien. Das ganze Heft lässt sich hier nachbestellen. Für einen dauerhaften Bezug: Einfach ein Abo abschließen!

Hans-Werner Klausen ist Experte für Geschichte und Gegenwart amerikanischer Neokonservativer und ihrer Netzwerke, sowie globaler US-Beeinflussungsversuche. Er lebt in Berlin und ist in einer wissenschaftlichen Einrichtung tätig.


Quelle und Kommentare hier:
https://www.compact-magazin.com/die-amerikanische-lobby/


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