von Max Erdinger
Ein alarmierendes Gutachten des Bundesrechnungshofes: Die deutschen Finanzwächter warnen eindringlich vor dem geplanten Europäischen Währungsfonds. Prüfer sähen „erhebliche Risiken für den Bundeshaushalt“, heißt es. Der deutsche Steuerzahler könne mit Milliardensummen zur Rettung italienischer Pleitebanken herangezogen werden.
Die geplante Einrichtung des Europäischen Währungsfonds (EWF) gründet auf einer Initiative der EU-Kommission um den europäischen Freund des Weinbrands, Präsident Jean Claude Juncker (EFW). Der Währungsfond soll den aktuellen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) der 19 Euro-Mitgliedsländer „nach vorne“ bringen. Zweck des ESM ist es, „langfristig zur Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets“ beizutragen, schreibt das Bundesfinanzministerium auf seiner Webseite. Das heißt erstens, daß der ESM nicht mehr ausreicht, und zweitens, daß er um den EWF erweitert werden soll, um Finanzkrisen in der Eurozone zu verhindern – oder wenigstens steuerbar zu machen.
Wie schon beim ESM wäre Deutschland auch beim Europäischen Währungsfond der größte Einzahler. Das ergibt sich aus dem deutschen Anteil am Kapital der Europäischen Zentralbank (EZB). Der EWF soll über 704 Milliarden Euro Stammkapital verfügen, zusammengesetzt aus „eingezahlten Anteilen“ über 80 Milliarden Euro und „abrufbaren Anteilen“ über 624 Milliarden Euro. Auf Deutschland entfallen 27 Prozent der aufzubringenden Summen. Das sind gut 190 Milliarden Euro. Mit dieser enormen Summe würde Deutschland auch für Verluste geradestehen müssen.
Brisantes Unterfangen
Besonders ein bestimmter Kritikpunkt des Bundesrechnungshofs läßt aufmerken. Nach dem Willen der EU-Kommission soll der EWF „Teil eines Sicherheitsnetzes für krisengeschüttelte Banken im Euro-Währungsgebiet“ werden, wie der Rechnungshof schreibt. Zu diesem Zweck sollen bis zu 60 Milliarden Euro reserviert werden. Die Prüfer des Bundesrechnungshofes monieren, das habe zur Folge, dass die Haftung für Risiken im europäischen Bankensektor vergemeinschaftet würden.
Die Bedenken sind nicht nur theoretischer Natur. Marode italienische Banken sitzen auf etwa 800 Milliarden Euro fauler Kredite. Sollte die Finanzpolitik der italienischen Regierung zum Kollaps führen, müsste der EWF aushelfen. Zwar gibt es dazu in den Eurostaaten kaum Bereitschaft, weil Italiens Regierung mit ihrem aktuellen Haushalt die Maastricht-Kriterien ignoriert. Nach Unterzeichnung der EWF-Verträge helfen aber keine Ausflüchte mehr, weil die Haftungspflicht dann feststeht.
Das Gutachten des Bundesrechnungshofs unterstellt, dass mit der geplanten EWF-Konstruktion Verluste wahrscheinlicher würden als beim aktuellen ESM. Obendrein bestehe die Gefahr, dass eine Erhöhung des Stammkapitals beim EWF nötig wird. Dann liege Deutschlands Haftung bei deutlich mehr als 190 Milliarden Euro.
Diese Befürchtung begründet der Bundesrechnungshof folgendermassen, wie der Focus berichtet:
„Nach dem Willen der Kommission sollen die Beschlussverfahren im EWF vereinfacht und die Mehrheitserfordernisse abgeschwächt werden.“
Unter bestimmten Voraussetzungen würde Deutschland sein Vetorecht verlieren.
Die Finanzexperten des cep Centrum für Europäische Politik sind noch alarmistischer als der Bundesrechnungshof. Sie sprechen der EU die Zuständigkeit für die Einrichtung eines EWF prinzipiell ab. Besonders stören sich die Freiburger Finanzwissenschaftler daran , dass bei zu künftigen Banken-Rekapitalisierungen keine Auflagen mehr vorgeschrieben sein sollen. Das konterkariere den Sanierungsdruck und führe zu Fehlanreizen. Das cep hält den EWF für verfassungswidrig: Möglicherweise geplante Änderungen von EWF-Entscheidungen im Eurozonen-Ministerrat würden gegen das Grundgesetz verstossen.
Ein Sprecher des Bundesfinanzministerium äußerte sich bereits beschwichtigend. Die von Bundesrechnungshof und cep vorgebrachte Kritk entbehre jeder Grundlage. Eine „Änderung der Beschlussverfahren“ sei gar nicht geplant. Alle Entscheidungen der Eurogruppe erfolgen zur Zeit nach dem Einstimmigkeitsprinzip – und das erlaube Deutschland, unerwünschte Änderungen zu blockieren.
Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums im Wortlaurt:
„Wir werden keiner Reform zustimmen, die die Beteiligungsrechte des Bundestages – einschließlich des damit zusammenhängenden Vetorechts Deutschlands – nicht voll beachtet.“
Dazu stehe die Bundesregierung. (ME)
Auch von der AfD kommt Kritik:
Peter Boehringer, Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Bundestags und Haushaltspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, kommentiert diese Entwicklung:
„Die EU hat zusammen mit der EZB, der Bundesbank und dem ESM inzwischen mehr als 15 sog. ‚Rettungsvehikel‘ zur Dauerrettung des Euros installiert. Die deutsche Haftungs- und später Zahlungslast für den auf Dauer unrettbaren Euro beträgt dadurch bereits heute über 2000 bis 3000 Milliarden Euro.
Als weiteres Vehikel soll nach dem Willen der EU-Kommission und der Bundesregierung nun auch noch ein Europäischer Währungsfonds EWF als ‚Weiterentwicklung‘ der ESM-Bank hinzukommen. Die dabei wohl wichtigste ‚Weiterentwicklung‘ wäre die fatale neue Funktion des EWF als Letzthafter des Bankenrettungsfonds SRF und in letzter Konsequenz wohl sogar der künftig europaweit vergemeinschafteten Einlagensicherung EDIS! Schon der ESM agiert seit 2012 in demokratisch und rechtsstaatlich bedenklicher und Marktwirtschafts-widriger Weise. Die ‚Weiterentwicklung‘ des immerhin noch einer gewissen parlamentarischen Kontrolle unterliegenden ESM zu einem dann fast völlig supranational agierenden ‚Rettungs‘-Fonds EWF wird von der AfD-Fraktion seit dem Aufkommen der Pläne 2017 auf allen parlamentarischen Ebenen kritisiert. Der Bundesrechnungshof bestätigt in seinem heute veröffentlichten Gutachten alle unsere Bedenken:
– Stabilitätshilfen sind an Bedingungen und Reformauflagen zu knüpfen (das wäre speziell bei Notfalls-Rettungsaktionen, wie sie der EWF durchführen soll nicht mehr zu gewährleisten).
– Ohne Konditionalität der Rettungsgelder besteht ein ‚moral hazard‘ Risiko, d.h. unsolide wirtschaftende Staaten und Banken würden sich auf die Rettung durch den EWF verlassen.
– Nationale Verantwortung der Euro-Staaten muss vor supranationaler EU-Hilfe gehen (was der EWF nicht mehr gewährleistet).
– Eine Vergemeinschaftung von Risiken in der EUR-Zone ist gemäß Art 125 AEUV verfassungswidrig (‚No Bailout-Gebot‘).
– Deutschlands Haftung darf nicht noch weiter ausgeweitet werden – was FAKTISCH (!) im Falle einer akuten Krise geschehen würde.
– Die Bundesregierung hatte bislang eine Erhöhung des Stammkapitals und damit auch der Haftung Deutschlands für den ESM/EWF explizit ausgeschlossen. Nunmehr hält sie dies nur noch für ‚unwahrscheinlich’…
Letztlich laufen diese richtigen und wichtigen Bedenken des BRH alle auf eines hinaus – wenn es auch im Gutachten unausgesprochen bleibt: Der EWF wäre so wie er derzeit von der Kommission und dem SPD-geführten BMF konzipiert ist in keiner Weise regel- und gesetzkonform einzuführen. Dieses planwirtschaftliche Zerstörungs-Instrument der so wichtigen Staatsanleihenmärkte und eines marktwirtschaftlichen Bankensystems darf somit nicht eingeführt werden!
Unabhängig von diesem absoluten ‚Nein‘ der AfD-Fraktion zum EWF bleiben wir zudem bei unserer seit 2017 bestehenden Rechtsauffassung, dass der EWF nicht einfach auf Basis der nicht sachgerechten Sonderregelung nach Art 352 AEUV Unionsrecht verfasst werden dürfte, sondern zwingend ein zwischenstaatlicher Änderungs-Vertrag vonnöten wäre, der von allen Euro-Staaten neu ratifiziert werden müsste wie 2012 auch der ESM-Vertrag. Trotz mehrfacher Nachfrage und trotz gleicher Rechtsauffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, des Bundesrechnungshofs und offiziell (!) auch der Bundesregierung, haben wir bis heute keine belastbare Bestätigung einer entsprechenden Vertragsplanung durch das BMF bekommen. Wir werden in den anstehenden Haushaltsberatungen Minister Scholz erneut nach einer verbindlichen Aussage zu dieser wichtigen Frage drängen.
Deutschland darf nicht auf kaltem Verwaltungswege über Brüsseler Hinterzimmer in noch höhere und unabsehbare Haftungen genommen werden. Auch dann nicht, wenn pro forma Veto-Rechte des Bundestages zwar erhalten blieben – diese in der Praxis aber nicht ausgeübt werden können, wie der Bundesrechnungshof zurecht darlegt.“