Das Unwort „betreuen“ oder – Wie aus der Entmündigung die Betreuung wurde

Von Hans-Jürgen Wünschel

Seit Jahrzehnten liegen Untersuchungen vor, die belegen, dass das Wort betreuen einen manipulativen Charakter hat, der einer totalitären Sprache angehört und deshalb in einer freiheitlichen Gesellschaft fehl am Platze ist.

Wenn die PISA-Studien allen sichtbar vor Augen führten, dass die Lesekompetenz der deutschen Schüler zu Wünschen übrig lässt, dann beklagt sie eigentlich nur einen primären Vorgang, fast etwas Mechanisches. Nur am Rande wird beklagt, dass das Wortverstehen, dass das Sprache-Verstehen kaum beherrscht wird.

Vielleicht ist auch so zu erklären, warum in die deutsche Sprache der letzten Jahrzehnte Begriffe aufgenommen wurden, deren eigentlicher Sinncharakter kaum noch verstanden wird. Doch die zum Teil ideologische Komponente eines solchen Begriffs wird als politisches Manipulationswerkzeug von denen bewusst gebraucht, die darauf setzen, dass die Bedeutung nicht mehr verstanden wird.

Nicht umsonst ist unterschwellig die Bildungsreform angetreten, den Kindern mit allerlei Gaukeleien und Zeitverplempern Bildung vorzuenthalten und gezielte Informationen zu versagen.

Eines der Modewörter, die etwa 20 Jahren nach Beginn der Bildungsreform die Politik prägen, ist das Wort betreuen. Gerade in dem Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen und in dem sensiblen Feld der Pädagogik und Erziehung hat dieses Wort eine immer größere Bedeutung erhalten. Man kann nur spekulieren warum.

Sehr sonderbar ist dies deshalb, liegen doch seit Jahrzehnten Untersuchungen vor, die belegen, dass das Wort betreuen einen manipulativen Charakter hat, der faschistischen und totalitären Sprache angehört und deshalb in einer freiheitlichen Gesellschaft fehl am Platze ist.

Wenn es aber dennoch immer mehr als politisches Modewort benutzt wird, stellt sich die Frage, warum die Gesellschaft, die Menschen, die Politik und ihre aktiven und passiven Mitglieder sich eines Wortes des Unmenschen bedienen, wie dies Professor Dolf Sternberger in seinem “Wörterbuch des Unmenschen, der Sprache des Dritten Reiches”, beschrieben hat. In dem Wort betreuen steckt das vielleicht typisch deutsche Wort Treue: Treue halten, treu sein usw. Doch sagen uns die Germanisten, dass dieses Wort kein Tätigkeitswort ist: treuen gibt es nicht: ich treue macht keinen Sinn.

Durch die Vorsilbe „be“ wird er eigene Wille aufgehoben

So kam man auf die Idee, die bewährte Vorsilbe be- anzuhängen und schon hatte man ein schönes Wort, das man “kräftig” be-nutzen konnte. Wird nicht durch die Vorsilbe be- der Andere vom Subjekt zum Objekt degradiert? Zum Beispiel in den Worten be-schützen, be-strafen, be-drücken, be-lohnen, be-herrschen. Der eigene Wille wird nicht nur infrage gestellt, er wird aufgehoben bzw. nicht zugelassen.

Nicht umsonst wurde in den Konzentrationslagern – so H.G. Adler in seinem berühmten Buch “Theresienstadt” “Alles und jeder betreut, d.h. das Wort galt als Euphemismus für Morden und Mord. Die Lagersprache erfand Be-treuen, Be-treuer, Be-treuerin, Be-treuung.”

Zynischer Weise erwartet man heute von dem, der betreut wird, Dank. Dankbar soll man sein für die Aufgabe der individuellen Freiheit.

Der Kinderhort be-treut die Säuglinge, der Kindergarten be-treut die Kinder, die Schule be-treut die Schüler, der Arzt be-treut die Menschen, das Altersheim die Senioren usw.

Was bis 1992 Entmündigung hieß, lautet seitdem Betreuung

Sehr deutlich wird diese Bedeutungsveränderung auch in unserer Rechtsprechung. Der Entmündigungsparagraph § 6 BGB wurde zum 1.1.1992 durch das Betreuungsgesetz aufgehoben. Was bis 1992 Entmündigung hieß, lautet seitdem Betreuung. Wenn also ein Betreuungsverfahren angekündigt wird, so ist dies nichts anderes als ein Entmündigungsverfahren.

Auch wenn sich das Wort geändert hat, der Tatbestand bleibt derselbe, siehe §§ 1896 ff. Allen Einwänden zum Trotz wird damit eindeutig festgestellt, dass Betreuung eben Entmündigung bedeutet. Niemand würde sagen entmündigende Grundschule, betreute Grundschule fordert heute zur Zustimmung auf.

Dolf Sternberger kommt zu dem Schluss, dass der “Unmensch” vor langer Zeit zu erreichen strebte, dass keiner unbetreut bleibe. Der allumfassende Betreuungsstaat nach George Orwell ist das Ergebnis der Betreuung.

Wenn man sich überlegt, dass die Bildungsreform mit der Forderung nach Mündigkeit aufgebrochen ist, so bestätigt die Einführung des Wortes betreuen nur erst recht die schon lange Zeit sich aufbauende Vermutung, dass zwar der semantische Trick “Mündigkeit” die Zustimmung zur Bildungsreform herstellen sollte, dass aber insgeheim die Reformer damals  versteckt, heute aber sehr offen, zum Ziel hatten, den bisher vorhandenen selbstbewussten, gebildeten und sich seiner Fähigkeiten bewussten Menschen zu beseitigen, dafür aber eine Elite und eine Nicht-wissende Masse zu schaffen, die von der Elite betreut werden muss.

Das Spracheverstehen wird nach 30 Jahren Bildungsreform nicht mehr beherrscht. Willige Vollstrecker benutzen die veränderte Sprache, um ihre zunächst versteckt gehaltenen Ziele durchzusetzen.

Die ideologische Komponente eines solchen Begriffs wird zum politischen Manipulationswerkzeug. Funktionäre oder Betreuer wollen Menschen, denen durch die Bildungsreform Wissen vorenthalten wird. Sie betreuen, entmündigen!


Zur Person: Der 1947 in Bad Dürkheim geborene Wünschel ist seit mehr als 20 Jahren akademischer Direktor des historischen Seminars der Universität Landau. Seit 2002 ist der Historiker außerdem Honorarprofessor der polnischen Universität Tschenstochau.


Quelle und Kommentare hier:
http://www.epochtimes.de/wissen/geschichte/das-unwort-betreuen-oder-wie-aus-der-entmuendigung-die-betreuung-wurde-a2298011.html