Das muslimische Geburtenratespiel

Von Michael Klonovsky

Ein Leser, Vater von sieben Kindern, weist auf die Webseite der sogenannten „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ hin, die zur Giordano-Bruno-Stiftung gehört, näherhin auf den dort veröffentlichten Beitrag „Der Mythos hoher muslimischer Geburtenraten“.

Im Vorspann dazu heißt es:

„Die Furcht vor einer ‚Islamisierung Deutschlands‘ und einer ‚Überfremdung‘ – aufgrund behaupteter hoher Fertilitätsraten ‚der Muslime‘ – hält sich immer noch in nicht wenigen Köpfen.“ Die Vorfreude auch! „Deshalb seien nachfolgend Daten und Fakten zusammengestellt, die erläutern, dass es mittlerweile ein Mythos ist und die Realität sich anders darstellt. Zum einen sinken die Fertilitätsraten ‚der Muslime‘, zum anderen haben die Fertilitätsraten nur wenig bis gar nichts mit einer Religion zu tun.“

Leser *** ist der Meinung, diese Darlegungen – Sie können Sie hier studieren – seien geeignet, die Islamisierung Europas für beendet zu erklären. Ich will Ihnen erklären, warum das allahlob nicht stimmt.

Die auf der Webseite präsentierten Statistiken scheinen korrekt zu sein, aber sie belegen keineswegs das, was sie sollen. Erläge ich einmal mehr dem „polemischen Laster“ (Thomas Mann), würde ich von einem statistischen Hütchenspielertrick sprechen. Es klingt etwas paradox, aber wenn man bei einer hinreichend hohen Fertilitätsrate anfängt, kann eine Population ganz unbekümmert wachsen, während diese Rate sinkt. Die Geburtenrate ist nebensächlich neben der Geburtenzahl, nicht sub specie aeternitatis, aber bezogen auf den für uns relevanten Zeitraum der vergangenen sowie der nächsten 100 Jahre.

Der Reihe nach. Natürlich kommt der „Forschungsgruppe Weltanschauungen“-Autor nicht umhin zu konstatieren, dass die muslimischen Länder höhere Geburtenraten vorweisen als beispielsweise die Europäer. Aber er gibt Entwarnung, weil diese Raten auch dort sinken – das tun sie tatsächlich –, um schließlich zu behaupten, sie sänken proportional zur steigenden Bildung und verbesserten sozialen Situation, die Religion spiele dabei keine oder nur eine untergeordnete Rolle, der ganze Islamisierungsalarmismus sei also Nonsens oder Schlimmeres.

Eindrucksvoll fällt in einem auf der besagten Webseite präsentierten beispielhaften Diagramm die Fertilitätsrate im Iran, in der Türkei und in Indonesien ab. In Indonesien sank sie von 6,9 Kindern pro Frau im Jahr 1960 auf 2,4 Kinder anno 2015. In der Türkei sank sie im selben Zeitraum von 6,4 auf 2,1, im Iran von 5,7 auf 1,7. Es werden immer weniger muslimische Kinder geboren (dass nach islamischer Lehre jedes Kind der Welt als Muslim geboren wird, lassen wir hier mal unbeachtet).

Freilich, 1960 hatte die Türkei 28 Millionen Einwohner, heute sind es 82 Millionen. In Indonesien stieg die Einwohnerzahl von 88 Millionen im Jahr 1960 auf heute 258 Millionen, davon 225 Millionen Moslems. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte der Iran weniger als 12 Millionen Einwohner, 1976 war die Bevölkerung auf 34 Millionen Menschen angewachsen, heute sind es 80 Millionen (alle Zahlen sind auf die Million gerundet).

Obwohl die Muslime sich immer weniger fortpflanzen, werden sie immer mehr. Die Fertilitätsrate sinkt und sinkt, die Bevölkerung wächst und wächst. Irgendetwas muss dem Herrn von der Bruno-Stiftung entgangen sein.

Naseweis, wie ich bin, habe ich Ihnen das Geheimnis schon verraten: Die Geburtenrate ist gar nicht so wichtig für die Geburtenzahl, sofern sie einmal hinreichend hoch war. Wenn zehn Millionen Frauen in einem Land im Schnitt jeweils zehn Kinder bekommen, von denen zwei sterben, und in der nächsten Generation dann vierzig Millionen Frauen jeweils sieben Kinder, von denen eines stirbt, und in der nächsten Generation sechzig Millionen Frauen jeweils vier Kinder und in der nächsten hundert Millionen Frauen jeweils drei, dann hat man bei rapide sinkenden Geburtenraten eine explosionsartig wachsende Bevölkerung. Und genau das geschieht in der islamischen Welt – während die indigenen europäischen Bevölkerungen noch niedrigere Geburtenraten verzeichnen und schrumpfen, aber immer mehr Muslime in ihrer Mitte aufnehmen, die sich zumindest eifriger fortzeugen als ihre Gastgeber, was Letztere in der Regel zu finanzieren haben.

Noch ein paar Zahlen gefällig? Pakistan hatte 1951 knapp 34 Millionen Einwohner, 2017 waren es 208 Millionen. Nigeria, wo eine knappe Mehrheit muslimisch ist, hatte 1950 38 Millionen Einwohner, 2015 waren es 181 Millionen, nach UN-Schätzungen werden es 2030 ca. 264 Millionen und 2050 ca. 411 Millionen sein. Und das alles bei sinkenden Fertilisationsraten!

Wenn diese Raten immer weiter sinken, kommt es irgendwann, vielleicht um das Jahr 2112, zur Trendumkehr, so wie es im Westen im 19. Jahrhundert zur Trendumkehr kam (diesen Prozess kann man mit einem Riesentanker vergleichen, der nach dem Abstellen der Motoren aufgrund seiner gewaltigen Masse noch Dutzende Kilometer weiter treibt). Dann können die Pegida-Leute ihre Fahnen und Transparente endlich einrollen und nach Hause gehen, sofern sie noch eins haben.

Wenn wir gerade bei Nigeria waren: In dem westafrikanischen Land kamen 1950 von 1000 Neugeborenen 350 tot zur Welt, heute sind es 100. Das ist ein sekundärer Grund, warum eine Bevölkerungszahl trotz geringerer Geburtenraten wachsen kann.

Und nochmals Nigeria:

„Seit der Demokratisierung 1999 nehmen Islamisierungstendenzen im ganzen Land zu. So wurde auf Druck islamischer Gruppen in den Bundesstaaten im Nordteil des Landes die Scharia eingeführt. Seither fielen Tausende religiösen Pogromen zum Opfer. Islamistische Gruppen wie Boko Haram setzen sich für die Einführung der islamischen Scharia in ganz Nigeria und das Verbot westlicher Bildung ein, was immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen mit Christen oder gemäßigten Muslimen führt.“ (Wikipedia)

Das nur zur Beantwortung der von allzu Wohlmeinenden aufgeworfenen Frage, warum wir überhaupt über dieses Thema sprechen.

Was zu der Behauptung des „Forschungsgruppe Weltanschauungen“-Autors führt, die Religion sei für die Zahl der Geburten eher nebensächlich (für die o.g. Zahl der Morde trifft das wohl eher nicht zu). Er untermauert seine These mit einer Karte der Türkei, die anhand der Fertilitätsraten in drei Regionen unterteilt ist: unter zwei Kinder pro Frau, unter drei Kinder, über drei Kinder. Klar, dass im östlichen Anatolien die höchsten, im westlichen Teil die niedrigsten Ziffern stehen. Diese Verteilung, lautet das Fazit,

„verweist darauf, dass die Prioritäten nicht bei der Religion, sondern bei der Ökonomie und der Bildung liegen“.

Wäre der Mann seriös, würde er lediglich eine Korrelation vermuten und keineswegs Prioritäten statuieren. Als Autor einer dem Glauben an den sogenannten Fortschritt verpflichteten atheistischen Stiftung ist er aber wahrscheinlich bolzenfest davon überzeugt, dass der sozioökonomische Progress die Tradition einfach beiseiteschieben werde, für ihn steht die Richtung der Entwicklung fest. Aber Trends können sich umkehren. Außerdem lässt sich gegen diese These einwenden, dass der türkische Osten ja auch viel religiöser ist als der Westen, die Religion also durchaus mit den Geburten zu tun haben muss. Wie will man das säuberlich trennen? In allen Ländern des Westens haben die Religiösen ja auch mehr Kinder als die Giordano Brunos (vor deren Namensgeber ich gleichwohl die größte Hochachtung habe).

Man darf nicht vergessen, wie rigide laizistisch und also antiislamisch die kemalistische Türkei war und wie sehr Recep der Prächtige seit Jahren die Re-Islamisierung vorantreibt. Erdogan hatte 1998 in einer Rede zustimmend aus einem religiösen Gedicht zitiert:

„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“

Ein türkisches Gericht verurteilte ihn deshalb wegen „Aufstachelung zur Feindschaft“ zu zehn Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot. Fünf Jahre später wurde er Ministerpräsident. Die Türkei ist gewissermaßen in sich selber ein Beispiel für die Islamisierungsthese; zumindest pflanzen sich fromme Muslime zahlreicher fort als weniger fromme.

Welche Rolle bei alledem und mit welchen Anteilen Religion, Bildung und sozialer Status spielen, ist weder exakt zu ermitteln noch in Grafiken darstellbar. Zumal der Islam nicht ausschließlich und vielleicht nicht einmal primär eine Religion ist, sondern ein jede Politik massiv beeinflussendes Gesetzes- und Regelwerk mit religiöser Letztbegründung.

Die Verbindung von lokaler Tradition und islamischen Lebensvorschriften ist eine weitere in Tortengrafiken nicht zu erfassende unio mystica, aber alle diese Fässer machen wir heute nicht schon wieder auf. Halten wir fest: Orientalen vermehren sich nach wie vor deutlich stärker als Abendländer, und ihr demografischer Druck auf unseren Kontinent hält unvermindert an. Der Islam wächst stärker als alle anderen großen Religionen.

Im Jahr 2060 wird es einer Studie des „Pew Research Center“ zufolge weltweit ungefähr so viele Muslime wie Christen geben. Wenn eine Bevölkerung wie jene Afrikas dermaßen rasant wächst und zugleich eine Religionsgemeinschaft ebenso rasant Anhänger gewinnt, muss man beide Trends übereinander legen und sich fragen, was sie bedeuten, sinkende Fertilitätsrate hin, christliche Bevölkerung Afrikas her.

Wer sich dieser Bevölkerungsflut als Auffangbecken darbietet, wird von ihr überrollt werden, so großartig solidarisch sich das anfangs auch für die Grünen-Wähler in den trockeneren Wohngegenden anfühlen mag.

Bis die Wirkung abnehmender Geburtenraten eintritt, wird Deutschland nicht mehr das Land derer sein, die schon länger hier leben.

Im Übrigen ist Europa und voran Deutschland der einzige Teil der Welt, der die Erhöhung der vor allem muslimischen Fertilisationsraten mit den Steuergeldern der Indigenen unterstützt, also der erhofften Trendumkehr entgegenarbeitet.

Ich habe diesen Mechanismus unlängst als teuflisch bezeichnet, denn nur Satan selbst, der Gott bekanntlich hohnlachend überlebt hat, kann ein solches perverses Spektakel aufführen.


Quelle und Kommentare hier:
https://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna