„Bloß keine US-Tobsuchtsanfälle“: Warum BRD in Ramstein nicht ermittelt

von Liudmila Kotlyarova

Die Bundesregierung soll die völkerrechtswidrige US-Politik der Drohnenmorde von Ramstein aus bewusst unterstützt haben und will daher nicht ermitteln. Dies erklärt der Oberstleutnant a. D. Hans-Jürgen Rose gegenüber Sputnik. Mehrere Oppositionspolitiker griffen die Behörde im Blick aufs neuste Urteil des Oberverwaltungsgerichts verbal an.

Eigentlich setzt sich die Bundesregierung schon längst mit den Vorwürfen wegen der rechtswidrigen Ausnutzung der Nato-Air Base in Ramstein durch die USA auseinander. Das am 19. März vom Oberverwaltungsgerichts Münster erlassene Urteil verpflichtet die Behörde nun, sich „durch geeignete Maßnahmen“ zu vergewissern, dass die USA bei ihren Drohneneinsätzen im Jemen das Völkerrecht wahrten. Veranlasst haben das Verfahren drei Jemeniten, die 2012 Angehörige in Hadramaut durch US-Drohnenangriffe verloren hatten.

Als die Bundesregierung 2014 das entsprechende Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bekam, hatte sie die USA lediglich um eine Stellungnahme gebeten. Mehr nicht. Laut dem Oberstleutnant a. D. Hans-Jürgen Rose, der selbst Offizieranwärter bei der Luftwaffe der Bundeswehr war, ist dies selbstverständlich für jemanden, der bewusst kriminell handelt. Im Sputnik-Gespräch verweist er auf mehrere Zeugenaussagen des ehemaligen Drohnenpiloten Brandon Bryant über die Hunderte Drohneneinsätze im Jemen, in Somalia und Afghanistan sowohl im Fernsehen als auch vor dem Untersuchungsausschuss im Bundestag.

„Ohne Ramstein hätten die Drohnenkriege auch technisch nicht funktioniert“, kommentiert der Experte weiter. Die Verbindung laufe von den Einsatzbasen der Drohnen in den USA, von welchen aus die US-Drohnenpiloten die Kommunikationsverbindung nach Ramstein pflegen würden, und dann von Ramstein aus an die Satelliten, nicht nur die militärischen, sondern auch an die kommerziellen. Über diese werden die Drohnen dann gesteuert. Die Prozesse hat übrigens auch der Ex-Pilot in seinem Buch „Dirty Wars“ (Schmutzige Kriege) dokumentiert.

Welche „geeignete Maßnahmen“ könnte die Bundesregierung ergreifen?

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden sowohl das Nato-Truppenstatut als auch das Zusatzabkommen neu verhandelt, weswegen die Bundesregierung nun größere Rechte in Bezug auf die Nato hat als früher, bis hin zur Verpflichtung zur Mülltrennung. Die Bundesregierung könnte also die Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen beauftragen, kommentiert Rose weiter. „Dies ist aber nicht notwendig, weil die alles ja wissen“, so der Experte.

Dann bleibe das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, das als unabhängiges weisungsbefugtes Organ den Generalbundesanwalt in Karlsruhe beauftragen könnte, Ermittlungsbeamte nach Ramstein zu schicken und die Computer und andere Dinge zu beschlagnahmen und zu untersuchen.

Dies aber wird keiner machen, denn: „Amerikaner würden Tobsuchtsanfälle bekommen“, man sei zu feige und will das Verhältnis zu den USA nicht weiter belasten.

„Da die deutsche Justiz nicht willens ist, die Bundesregierung an etlichen Völkerrechtsverbrechen zu hindern, könnte der internationale Strafgerichtshof in Den Haag die Option sein“, betont Rose.

Linke und die Grünen erhöhen Druck, die Union bekennt „Freundschaft“

In den letzten Wochen haben mehrere Grünen- sowie Linke-Politiker die Bundesregierung erneut unter Druck gesetzt. Für den verteidigungspolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Tobias Pflüger, wurde „eindeutig das Recht vom deutschen Boden aus gebrochen“. Die abrüstungspolitische Sprecherin Sevim Dagdelen forderte sogar dazu auf, die US-Militärbasis Ramstein zu schließen.

„Deutschland darf nicht länger am globalen US-Drohnenmordprogramm und Washingtons Völkerrechtsbruch beteiligt werden“, sagte sie.

Alexander Neu hat in dieser Hinsicht sogar zur Auflösung der Nato aufgerufen. „Die Bundesregierung“, sagte übrigens der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner der DW,

„muss jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Vereinigten Staaten ihre Standorte in Deutschland ausschließlich in Übereinstimmung mit den hier geltenden Gesetzen nutzen.“

Der Außenpolitiker der Grünen, Jürgen Trittin, twitterte zuvor, der Drohnenkrieg aus Ramstein dürfe nicht weiter hingenommen werden. Die Bundesregierung müsse im Zweifel US-Botschafter Grenell einbestellen. Von der Regierung gab es bis jetzt keinen Kommentar.

Auch für Sputnik-Anfragen hat sich die Pressestelle der Bundesregierung bisher als „nicht erreichbar“ erklärt. Der Pressesprecher des Bundesjustizministeriums, Maximilian Kall, kommentierte, das Bundesjustizministerium nehme „aufgrund der Unabhängigkeit der Justiz“ grundsätzlich nicht zu gerichtlichen Entscheidungen Stellung, wobei für völkerrechtliche Fragen innerhalb der Bundesregierung das Auswärtige Amt zuständig sei. Dessen Sprecher Rainer Breul wies erneut darauf hin, dass das Auswärtige Amt „zunächst einmal abwarten möchte, bis das Gericht die schriftliche Urteilsbegründung vorlege“. Wenn die vorliege und Fragen dazu kommen würden, dann „können wir uns diesem Themenkomplex noch einmal widmen“.

Die MdB Anita Schäfer von der Union bestritt zuvor, dass Deutschland irgendeine Mitverantwortung für die Drohnenangriffe habe. „Nur weil Daten durch Deutschland fließen“, so Schäfer, „ist Deutschland nicht an den Operationen beteiligt…“ Am 4. April besuchte die CDU-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz die Militärbasis.

„Inzwischen sind die Soldatinnen und Soldaten und die vielen Zivilangestellten der Ramstein Air Base… Freunde und ein Teil von Rheinland-Pfalz. Daran ändert auch so manche Irritation im transatlantischen Verhältnis nichts“, sagte der Vorsitzende Christian Baldauf.

Vor zwei Jahren berichteten deutsche und osteuropäische Medien über Waffen- und Munitionslieferungen der Amerikaner an syrische Aufständische. Diese Transporte seien über Ramstein abgewickelt worden, hieß es.

Der Verdacht: ein Verstoß gegen das deutsche Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Zu einem Ermittlungsverfahren kam es aus Mangel an Beweisen aber nie. Hans-Jürgen Rose bestätigt, dass die sogenannte Free Syrien Armee von den USA mit Waffen und Ausrüstung unterstützt würden.

„Bei uns besteht kein politischer Wille, diese Verbrechen zu stoppen“

Rose bemängelt es, dass der Generalbundesanwalt in Deutschland anders als in den USA oder in Frankreich nicht unabhängig sein kann, auch gegen die Mitglieder der Regierung. „Bei uns entscheiden die Frösche selbst, ob der Sumpf trocken gelegt wird oder nicht“, sagt Rose. Sowohl 1999 als auch 2001 und 2003 hätten viele Bundesbürger Strafanzeigen gegen die Regierung erstattet, das Justizministerium habe diese aber unterbunden. „Bei uns besteht kein politischer Wille, diese Verbrechen zu stoppen“, beschließt Rose.

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Kurz und Knapp die Wahrheit auf den Punkt gebracht:


Quelle und Kommentare hier:
https://de.sputniknews.com/politik/20190409324644741-tobsuchtsanfaelle-ramstein-ermittlung-drohnenmorde/