17.000 Asbesttote bei der Bundeswehr?

von Hans Meiser

……eine mehr als furchtbare Vorstellung, ja, sicherlich, und dennoch im absoluten Bereich der realen Möglichkeiten. Und tatsächlich ist es unvorstellbar, wie die gesichtslose Organisation Bundeswehr mittels skrupelloser Beamter und Soldaten nicht nur mit der Gesundheit und dem Leben der Ihnen anvertrauten jungen Menschen, sondern auch ihrer eigenen Mitarbeiter und Soldaten, umgeht.

Aber der Reihe nach:

Kreiswehrersatzamt (Bundeswehrdeutsch: KWEA), Brühler Landstr. 309 A in Köln. Zeitraum: Januar 2010 bis Juli 2012. Das betreffende Gebäude soll von Asbest befreit werden, nichts Ungewöhnliches. Eigentlich! – In diesem jetzt zu schildernden Fall aber war alles anders, und somit mehr als ungewöhnlich.

17.000 junge Menschen zurückgelassen

Alle dort beschäftigten Luftwaffensoldaten wurden an einen anderen, asbestfreien Standort ausgegliedert. Die zahlreichen restlichen zivilen Mitarbeiter mussten den Betrieb des damals zweitgrößten KWEA in Deutschland nebst Nebenaufgaben aufrechterhalten. Dazu kommen noch die Wehrpflichtigen, die damals auf ihre Tauglichkeit hin gemustert wurden. Eine ungeheure Zahl von jungen Menschen, die sich, ohne es zu wissen, in Lebensgefahr begaben:  ca. 17 000!!!

Dabei hatte die Leiterin des KWEA auf Personalversammlungen wiederholt betont, man hätte den gesamten Musterungsbetrieb in dem betreffenden Zeitraum auch auslagern können. Allerdings gab es in anderen möglichen Ausweichgebäuden nicht die für die Informationsverarbeitung wichtigen nötigen Kabelsysteme (!) So blieb alles beim Alten und der Skandal nahm seinen Lauf. Die Musterungszahlen wurden erbracht ….

Es wurde mutwillig sowohl gegen deutsche, als auch europäische Verordnung verstoßen!

Seit Januar 2010 liefen die Sanierungsarbeiten, aber erst im Juli 2010 –  7 Monate nach Beginn der lebensgefährlichen Arbeiten – hatte der Leiter des ärztlichen Dienstes erstmals ein Warnschild für die Wehrpflichtigen in seinem Bereich aufgehängt! Die Leiterin der Behörde Ihrerseits bestand jedoch auf die sofortige Entfernung des Schildes. Nach ihren Worten fanden nämlich überhaupt keine ‚Asbestarbeiten‘ statt.

Wiederum 4 Wochen später, am 11. August 2010, wurde ein neues Warnschild von der Sanierungsfirma aufgehängt – an jenem Tag, an dem die Arbeiten im Treppenhaus begannen. Dieser Gebäudeabschnitt wurde teilweise gesperrt, die Notausgänge ebenfalls, die oberen Etagen waren nur zugänglich über zwei Aufzüge. Erst drei Stunden nach Beendigung der Asbestarbeiten und nach einer Sicherheitsluftmessung wäre das Treppenhaus wieder begehbar gewesen – nur:  Diese Luftmessung hat nie stattgefunden. Noch schlimmer: in den vorausgegangenen 7 Monaten wurde nicht ein einziges Mal die Luft auf Asbestschadstoffe in diesem Bereich gemessen, obgleich deutsche und auch europäische Verordnungen dieses zwingend (!) vorschreiben.

Die Mitarbeiter wurden unruhig. Erst auf lautstarkes Drängen hin wurden Messungen durchgeführt, aber nicht etwa durch den TÜV Rheinland, sondern von einem privaten Sachverständigenbüro, das Querverbindungen zu einer Firma hat, die ihrerseits wiederum u.a. für den Bau- und Liegenschaftsbericht in Nordrhein-Westfalen ausgewiesen ist.

Warum aber wurden die Mitarbeiter so unruhig?

Sie sahen, wie Arbeiter der Sanierungsfirma vor den Fenstern ohne jegliche Schutzausrüstung mit den entfernten Asbestplatten hantierten. Der Staub der zerbrochenen Asbestplatten wurde mit Besen vom Gerüst gefegt, in der Luft verwirbelt. Dass alles vor teilweise geöffneten Fensterfronten, die von der Leiterin des KWEA freigegeben worden waren. Die örtliche Presse wurde informiert!

Aber: die Druckerpressen schwiegen. Lediglich im Kölner Stadtanzeiger erschien ein versteckter Artikel, irgendwo ganz hinten. Maulkorb für die Presse……? Anonymen Anzeigen wurde nicht nachgegangen, sie wurden niedergeschlagen.

Ganz offensichtlich wollte man die Musterungszahlen im zweitgrößten KWEA dieses Landes sicherstellen und garantieren und nicht wegen einer lächerlichen (Asbest-) Sanierung gefährden. Anders war dieses gewissenlose Verhalten nicht zu erklären….

Ja, es gibt aber auch Bespiele anderer Art

KWEA – Wiesbaden. Für die Dauer von 2 Jahren wurde das gesamte Gebäude wegen Asbestfassadensanierung geschlossen, der Mitarbeiterstab ausgelagert. –

Schimmelbefall im KWEA – Düsseldorf 2010. Die Behörde wurde komplett für 2 Monate geschlossen.

In Süddeutschland wurden später das ehemalige KWEA – München sowie das ehemalige Zentrum für Nachwuchsgewinnung Süd in München ebenfalls asbestsaniert. Aber ohne laufenden Publikumsverkehr. Es hatte vorher anonyme Warnungen über die Zustände in Köln gegeben.

Asbest ist eine ganz besondere Faser. Eine solche Faser im kleinsten Nano-Partikel-Bereich reicht schon aus, die gefürchtete Asbestose und nachfolgend ein Lungenkarzinom auszulösen.

Und die in dieser Zeit gemusterten circa 17 000 Wehrpflichtigen? – Wussten Sie, welchen Gefahren sie während ihres Aufenthaltes in diesem verseuchten Gebäude ausgesetzt waren? Wussten Sie von den möglichen Folgen?

Und wissen sie, dass laut Soldatenversorgungsgesetz § 81,4.1., Erkrankungen, die während und bei der Musterung auftreten, als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen sind?

Waren etwa der grenzenlose Ehrgeiz der Leiterin des KWEA Köln und die unkontrollierbare Angst der Wehrersatzbehörden vor einem Aufdecken von zu geringen Musterungszahlen durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für diesen unglaublichen Skandal verantwortlich?

Eine Person hat auf jeden Fall aus diesem Skandal ihren Gewinn gezogen: Die Leiterin der Kölner Behörde wurde übergangslos Leiterin des neugeschaffenen Karrierezentrums der Bundeswehr in Düsseldorf.

Dabei gibt es für Asbestsanierung sehr strenge Vorschriften

Das Baugerüst muss eingehaust sein, um die Freisetzung der lebensgefährlichen Fasern zu verhindern, Unbefugten hätte das Betreten des Gebäudes und der Arbeitsbereiche untersagt werden müssen, Planen oder Folien hätten ausgelegt sein müssen zum Auffangen und Sammeln von herabfallenden Bruchstücken, die „Bauwerksöffnungen“, also Türen und Fenster, müssen geschlossen gehalten werden usw. usw. usw. Seitenlange Vorschriften nach dem TRSG – und kein Mensch hat sich in Köln darangehalten. – Auftraggeber und Kontrolleur war die Bundeswehr in Personalunion.

Aber Wehrpflichtige sind ja nur eine durchlaufende Summe von Unwissenden, und bis die Asbestose möglicherweise ausbricht, sind die Verantwortlichen aus der Brühler Landstr. 309 A in Pension, kaum einer wird sich noch an den Skandal erinnern (wollen).

Und der Mutter, die im KWEA IN Köln als Arzthelferin arbeitete und die damals, 2010, von ihren beiden kleinen Mädchen nach Dienstschluss abgeholt wurde, wird man dieser auch die mögliche „Entschädigung“ für den Kauf eines Sauerstoffgerätes vorenthalten?

Wie will diese Frau oder später ihre erwachsenen Töchter dann noch nachweisen, was in Köln geschehen ist…und was die eventuelle Asbestose ausgelöst hat??

An dieser Stelle bedanke ich mich bei den zahlreichen ehemaligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Kreiswehrersatzamts Köln für die Unterstützung bei den Recherchen. Trotz Angst vor Repressalien seitens der Bundeswehr und trotz der (natürlich) immer noch unterschwelligen Angst, selbst an einer Asbestose zu erkranken, haben diese Menschen aufgedeckt, was verschwiegen und verdeckt werden sollte.

Alles nur Hysterie?

Und noch eine unbedeutende Randnotiz: Der Verfasser selbst hatte eine ausführliche Reportage über Asbestsanierung in einem Bergwerk im Saarland gedreht: in hermetisch abgeschlossenen Schutzanzügen, in einem eingehausten Gebäude, mit Abluftanlagen und Warnschildern. Vielleicht war das früher aber alles nur Hysterie….


Quelle und Kommentare hier:
http://www.watergate.tv/2016/11/04/hans-meiser-17-000-asbesttote-bei-der-bundeswehr/