Das Grundgesetz – Machwerk oder Meisterleistung?

von Urs Bernetti

Am 23. Mai 1949 wurde in Bonn am Rhein das «Grundgesetz für die Bun­desrepublik Deutschland“ verkündet und trat damit in Kraft.

Schon der Name ist ungewöhnlich und sehr bezeichnend: hier ist von irgendwoher einem deutschen Staate etwas gegeben oder sogar zugeteilt worden, ein Gesetz für diesen Staat. Wir haben kein «Grundgesetz Deutsch­lands», oder wenigstens ein «Grundgesetz der Bundesrepublik Deutsch­land». Die Fremdbestimmung wurde, von den Verfassern sicher unbewusst, schon im Namen ausgedrückt: «Für … » Merkwürdig ist auch der Name „Grundgesetz“ selbst: Die erste deutsche Republik, die von Weimar, gab sich eine «Verfassung». Ich empfinde den Namen «Grundgesetz» viel stär­ker, gewichtiger. Übrigens hat die Weimarer Verfassung nur knapp ein Vier­teljahrhundert gehalten, das Grundgesetz bis heute schon bald ein Halbes.

Denen, die dieses Grundgesetz schrieben, war kaum bewusst, dass sie die­sem Werk mit seinem Namen etwas so wahrhaft «Grundlegendes» gaben. Im Gegenteil, wie die mit dem scheusslichen Namen «Präambel» bezeich­nete Einführung in das Gesetz es sagt, sollte dieses Grundgesetz ein Pro­visorium sein.

Für das Bürgerliche Gesetzbuch brauchten zwei Kommissionen insgesamt siebzehn Jahre; von 1881 bis 1898. Das Ergebnis war nicht nur ein Geset­zeswerk von kristallklarer Gedankenführung, sondern auch ein Meisterwerk deutscher Sprache.

Das Grundgesetz entstand in fliegender Hast. Es wurde mit heißer Nadel genäht. Im Juli 1948 forderten die Westmächte (USA, England, Frankreich) durch ihre Hochkommissare in Deutschlands drei Westzonen die Einberu­fung einer verfassungsgebenden «Nationalversammlung». Gehorsam setz­ten die Ministerpräsidenten der schon entstandenen «Länder» (wie Bayern, Niedersachsen u.s.w.) einen aus ihren Beauftragten bestehenden Verfas­sungskonvent auf Herrenchiemsee ein. Dieser Konvent legte schon einen Monat später, im August 1948, einen Entwurf des Grundgesetzes vor. Wie­der nur einen Monat später trat der von den Landtagen (nicht etwa vom Volke!) gewählte «parlamentarische Rat» zusammen, der dann am 23. Mai 1949 das von den Alliierten (Westmächten) genehmigte Grundgesetz ver­abschiedete. Der ganze Gesetzgebungsakt in Deutschland war in zehn Monaten erledigt. (8)

Das Ergebnis ist ein konfuses, schlampiges Gewirr von «Artikeln» in einer elenden Sprache.

Die Anlage 1 zeigt die Namen der 65 Mitglieder des «Parlamentarischen Rates».

Die wirklich entscheidenden Vorgaben für das Grundgesetz wurden lange vor dem der Öffentlichkeit dargestellten Gesetzgebungsakt in Deutschland woanders beschlossen, und zwar in England und in den Vereinigten Staa­ten von Amerika.

Wie diese Vorgaben zustande kamen, ist nicht mehr genau festzustellen. Trotzdem kann man den Denk- und Entscheidungsprozess lückenlos von seinen ersten zögernden Anfängen bis zur Unterschrift unter das Grund­gesetz am 23. Mai 1949 verfolgen.

Die Alliierten hatten von Anfang an die Absicht, nach dem militärischen Sieg über das Deutsche Reich ihrem besiegten Feind das Völkerrecht zu ver­weigern.

Winston Churchill sagte am 22. 2. 1944 vor dem Unterhaus:

«Bezüglich der Deutschen bindet uns keinerlei Vereinbarung. Wir werden die bedingungs­lose Kapitulation des Reiches fordern.»

Der US-amerikanische Aussenminister Stettinus stellte am 10. 4. 45 fest:

«Die Politik der bedingungslosen Kapitulation bezog sich von Anfang an auf das ganze deutsche Volk. Die bedingungslose Kapitulation ist auf jeden ein­zelnen Deutschen anzuwenden.»

F. D. Roosevelt hatte die Parole ausgegeben:

«Das ganze deutsche Volk war in die gesetzlose Verschwörung gegen Anstandsregeln der modernen Zivilisation verwickelt.»

Am 22. 6. 1945 schrieb Lucius Clay, US-General:

«Ich denke, dass die Deut­schen Hunger und Kälte leiden sollen, denn ich glaube, dass dieses Leiden notwendig ist, damit sie die Folgen spüren, die der Krieg hatte, den sie ver­ursacht haben.»

Die «Non-fraternisation-Order» der amerikanischen Besatzungsmacht vom 12.9.44, die den Angehörigen der alliierten Streitkräfte und Besatzungs­behörden verbot, einem Deutschen auch nur die Hand zu geben, diente nach Ansicht des US-Generals Walter Lauer dazu,

«die Besiegten zu bestra­fen, und zwar das ganze deutsche Volk.»

Generalleutnant Bradley rechtfertigte den Erlass so:

«Wir kämpfen nicht nur gegen Hitler und seine Bande, wir kämpfen gegen das ganze deutsche Volk.»

Bundesgesetzblatt Nr1 - 1949 - GG_1

Den Alliierten war bewusst, dass diese Absichten gegen das Völkerrecht verstossen. Statt aber ihre Absichten mit den Regeln des Völkerrecht in Ein­klang zu bringen, beriefen sie gewisse «Spezialisten» im internationalen Völ­kerrecht, um für ihre eigenen Verstösse Argumente mit öffentlichem Schein zu liefern.

So empfahl der völkerrechtliche Berater des britischen Aussenamtes, Her­bert Malkin, im Januar 1945:

«Da die Alliierten die Souveränität über Deutschland durch einseitige Annexion erwerben können, sind Verstösse (Eingriffe) erst recht in Ordnung.»

Der Völkerrechtler Philip Jessup von der Columbia Universität erklärte zwar, dass die Auffassung Malkins nicht dem Völkerrecht genüge, aber das kümmerte das US-Kriegsministerium und auch den Präsidenten nicht.

Ein Memorandum des US-Finanzministeriums vom 30.1.1945 zerschlug die letzte Sperre:

«Deutschland wollte die ganze Welt unterjochen und hat deshalb alle legalen Rechte verwirkt.»

Dass dieser juristische Aberwitz Besiegte nicht hindern könne, sich auf die Haager Konvention zu berufen, sollte damit vereitelt werden, dass das US­ State War-Coordination-Committee beschloss, die Haager Landkriegsor­dung sei nicht anwendbar, weil und soweit sie den alliierten Kriegszielen widerspricht.

Da hiess es weiter in der Erklärung vom 17.2. 1945:

«Der lega­listische Einwand, dies könne nach dem internationalen Völkerrecht nicht so gehandhabt werden, findet in der Öffentlichkeit wenig Verständnis.»

Man solle juristische Begründungen vermeiden, weil diese Ansatzpunkte für mögliche Kritik liefern könnten.

Am 8. 5. 1945 wurde der Schweizer Gesandte in Washington als Interes­sen Vertreter des Reiches ins US-Aussenamt einbestellt. Die US-Regierung halte die Wahrnehmung der deutschen Interessen nun nicht mehr für nötig. Die Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen nach der Genfer Kon­vention sei sichergestellt.

Das hinderte den General Eisenhauer nicht, am 4. 5. 1945 zu befehlen, dass die gefangenen deutschen Soldaten eben nicht als «Kriegsgefangene» (<<Prisoners of war») zu bezeichnen seien, sondern als «Entwaffnete Feind-Streitkräfte». Damit waren sie dem Schutz der Gen­fer Konvention entzogen.

Die endlose Reihe alliierter Verstösse gegen das Völkerrecht in den Jahren 1945 und 1946 veranlassten Adenauer, beim Zonenbeirat zu beantragen, die völkerrechtliche Lage Deutschlands durch ein neutrales Gutachten klären zu lassen. Der Zonenbeirat antwortete:

«Ein weiterer Schriftwechsel oder eine andere Erörterung dieses Antrags ist nicht zulässig.»

Als der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann, ein redlicher und treu­er Mann, dem britischen Militärgouverneur drei völkerrechtliche Gutachten übergab, erhielt er im Oktober 1947 die Antwort:

«Für die alliierten Oberbefehlshaber gibt es keine Begrenzung ihrer Voll­machten mit Ausnahme derjenigen, die sie sich selbst setzen.»

Darauf warf Heinemann der britischen Regierung vor,

«eine unbeschränk­te Gewalt über das deutsche Volk zu beanspruchen».

Schliesslich trafen sich auf Veranlassung des deutschen Völkerrechtlers Rudolf von Laun im April 1947 20 Völkerrechtler in Hamburg und formu­lierten «Leitsätze» die feststellten, dass das Deutsche Reich Rechtssubjekt im Sine des Völkerrechts geblieben sei, und dass die Haager Landkriegs­ordnung auch für Deutschland weiter gelte.

Inzwischen aber hatten sich an der Verbindungsstelle zwischen dem Rumpf und dem Kopf bei gewissen «deutschen» Politikern schon Drehgelenkegebildet. Einer dieser Wendehälse, wie man solche erbärmlichen Gestalten erst gut vierzig Jahre später nannte, war ein gewisser Theodor Heuss. Er wurde Mitglied des «Parlamentarischen Rates» und machte sich dort über jene lustig, jene

«ganz Gescheiten, die sich gegenüber den Alliierten auf das Völkerrecht berufen wollten».

Damit hat sich Heuss für das Amt des Bundespräsidenten qualifiziert.

Er und seine Gesinnungsgenossen sorgten dafür, dass die von ihnen gebil­ligte (wenn nicht begrüsste) Versklavung des deutschen Volkes in einen unglaublich raffiniert angerührten Zuckerguss aus «Menschlichkeit», aus «unveräusserlichen Grundrechten» und scheindemokratischer «Wohltätig­ keit» eingepackt wurde, das Grundgesetz. Die Grundzüge dieses Geset­zeswerkes waren in den Vorgaben fix und fertig festgelegt.

Sicher ist, dass dabei das im Londoner Abkommen vom 8. August 1945 beschlossenen Statut des Nürnberger Militärgerichtshofes berücksichtigt wurde, wenn auch nicht ausdrücklich erwähnt. Bei diesen Vorgaben wirk­ten sogenannte «Deutschland-Experten» mit, und zwar an den Universitä­ten von Wisconsin, Amherst und Cambridge (Harvard), an der «New School for Social Research», im US-Kriegsministerium und später im «Office of Mili­tary Government».

Diese «Deutschland-Experten» waren meist Emigranten aus Deutschland.

Die eigentlichen «Väter des Grundgesetzes» sassen somit bei den West­mächten, vor allem in den Vereinigten Staaten. Die unter ihrer Aufsicht arbei­tenden deutschen Gesetzemacher können den Vaterschaftstest nicht bestehen. Sie hatten sich an die Vorgaben zu halten.

Umso mehr Anerkennung verdient es, dass es den 65 deutschen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates gelang, in einigen Artikeln – und zwar auch in sehr wesentlichen – deutsche Rechte zu sichern und deutschen Belangen Berücksichtigung zu verschaffen. Zum Teil konnten sie unter Berufung auf Anstand und Sitte besondere schlimme Knebelungen verhin­dern, und zum anderen Teil nutzten sie geschickt die mangelnde Sach- und Sprachkenntnis ihrer Aufseher, um Verbesserungen zugunsten des Deutschen Volkes «unterzumogeln». Das Ergebnis enthält deshalb merkwürdige Widersprüche im Geist und im Wortlaut.

Die späteren Bundestage und Regierungen in DeutschIand, die mehr in das Fahrwasser der «Einen-Welt-Ideologen» geriet, hatten grosse Mühe, diese ihren Absichten lästigen «nationalen» Aussagen des Grundgesetzes nach und nach auf zum Teil höchst verlogene Weise wieder auszumerzen. Sie erreichten, dass das Grundgesetz in seiner heutigen Form
der Abschaffung des deutschen Staates kaum mehr Wege steht: Zum Teil sind deutsche Rechte einfach aufgegeben worden. Zum anderen Teil kann man sich jetzt aus widersprüchlichen Aussagen des Grundgesetzes diejenigen aussuchen, die dem Deutschen Volk am schädlichsten sind.

So konnten wir uns bis vor kurzem an das Grundgesetz klammern, und zwar trotz seiner grossen Schwächen, weil es eben doch Aussagen ent­hielt, an die wir Hoffnung für die Zukunft knüpfen konnten. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Umso wichtiger ist es, dieses Wenige scharf im Auge zu behalten um zu verhüten, dass es auch noch über Bord geht.

Auch kann der Hinweis auf Widersprüche dazu dienen, mit diesen Schwachstel­len vorsichtig umzugehen, um zu vermeiden, dass man mit leichter Hand die dem Deutschen Volke schädlichste Auslegung wählt.

Das Grundgesetz bleibt auch nach seiner Verstümmelung durch die Regie­rung Kohl eine wichtige Hilfe für das Überleben unseres Volkes. Darum soll­te jeder Deutsche es zur Hand haben, genau kennen und auf seiner Befol­gung bestehen.

Das Beispiel des deutschen Grundgesetzes zeigt allen, Siegern, Besiegten und Neutralen, also auch den Schweizern, dass solche Gesetzwerke das Schicksal der Völker bestimmen. Sie sind die Werkzeuge von Staatsorga­nen, Medien, Interessenvertretern und Ideologen, um Völkern ihren Willen aufzuzwingen. Zu diesen Völkern gehören auch die Schweizer.

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