Die “Zähmung” Europas oder Putins Neuer Kompromiss

Übersetzt aus dem Englischen:
von Einar Schlereth

Zusammenrücken – es wird kalt!

Putins Modell der Behandlung der internen und externen Partner, Konkurrenten und selbst Feinde ist seit langem allen bekannt, die bereit sind, die Dinge rational zu sehen. Als erste Stufe bietet Putin einen sehr guten Kompromiss an. Er wird als Zeichen von Schwäche gesehen und zurückgewiesen. Die zweite Stufe ist, dass die Lage für jene, die den Kompromiss verworfen haben, sich schnell verschlechtert und ein neuer Kompromiss angeboten wird, aber bedeutend weniger profitabel als der erste.

Und das geht so weiter, bis es keinen Kompromiss mehr gibt oder bis ein immer unflexiblerer Partner an einem “Polonium-Schal erstickt” in London [bezieht sich auf die Beresowski-Affäre, der durch einen mit Polonium vergifteten Schal starb – d. Ü.].

Zum  Beispiel können wir am Fall South Stream Phase Zwei sehen: die Verschlechterung von EU’s Position und einen Hinweis auf einen neuen Kompromiss in Form eines erweiterten “Blue Stream” und einem Gas-Knotenpunkt an der Grenze zu Griechenland.

Tatsächlich zwingt Putin jetzt die EU anzuerkennen, dass der Schlamassel in der Ukraine nicht ein russisches, sonder ein europäisches Problem ist. Nachdem ein Gas-Übereinkommen erzielt wurde, dessen wichtigster Punkt nicht die Zustimmung zu der Tatsache war, dass Russland mit vollem Recht Vorauszahlungen fordern könne, sondern die Anerkennung der Schulden der Ukraine durch die EU, hätte man schon aus Selbsterhaltungstrieb von Brüssel erwarten können, dass es entweder Kiew Geld gibt oder für Kiew bezahlt oder wegschauen wird, wenn Moskau in Kiew Ordnung schafft.

Aus politischen Gründen und unter Druck aus Washington hat Brüssel beschlossen, das nicht zu tun. Kiew Geld zu geben, ist nutzlos und gefährlich für den Bürokraten, der die Zahlungsanweisung der EU unterschreibt – seine Karriere wird zu Ende sein. Kiew direkt zu bezahlen, ist ein katastrophale Erniedrigung gegenüber der Opposition, der Geschäftswelt, den Steuerzahlern und Wählern, die nicht den Politikern verzeihen werden, dass sie ein Zerwürfnis mit Russland schufen, um das Recht zu erhalten, die Schulden der amerikanischen Marionetten in Kiew zu bezahlen.

EU-Beamte weigerten sich auch wegzuschauen, wenn Moskau in Kiew aufräumt, weil hinter ihnen schreckliche US-Kommandos standen, bewaffnet mit Aktenordnern mit dem Dreck, der von der NSA in den vergangenen Jahrzehnten gesammelt wurde. Als Ergebnis kam es in der EU zu einer ‘Vogel Strauß’-Politik – Hoffnung dass Moskau auf jeden Fall Europa Gas liefern wird, auch wenn der Kredit-Diebstahl des Kiewer Regimes im Kauf genommen werden muss. In den vergangenen Wochen wurde es aber selbst den reaktionärsten EU-Politikern klar, dass es sinnlos ist, auf Konzessionen des Kreml zu warten. Es ist offenbar, dass der Kreml sehr verärgert über die Sanktionen ist und mit Freuden Europa etwas Schlimmeres als die Wiederholung der vorigen “Gas-Kriege” bereiten wird, damit die europäischen Politiker nicht denken, dass ihre Handlungen gegen die Russische Föderation ohne Folgen bleiben werden und dass Russland weiterhin ein offener und entgegenkommender Partner sein wird.

Die rituelle Schlachtung von South Stream vor den Augen der gesamten europäischen Presse ist eine starke und klare Botschaft. Europäische Politiker hatten gehofft, dass Europa schlimmstenfalls einen kalten Winter ohne Gas zubringen muss, aber die Zerstörung der “imperialen Ambitionen Russlands” das Opfer wert sei. Der europäischen Logik entsprechend (nicht viel anders als die ukrainische) braucht Russland den europäischen Gasmarkt so dringend, dass Gazprom South Stream mit eigenem Geld bauen wird, die Hälfte der Kapazität ihren Konkurrenten geben wird, wie es das “dritte Energie-Paket der EU” forderte, und die Ukraine mit Gaslieferungen sponsern wird – alles, um Zugang zum europäischen Markt zu haben. Puti hat diese Logik zerstört und hat einen neuen Vektor für Russlands Energie-Politik eingebracht:

“Wir werden den Fluss unserer Energie-Ressourcen in andere Regionen der Welt leiten, wie etwa durch die Förderung beschleunigter Durchführung von Projekten für flüssiges Naturgas. Wir werden andere Märkte entwickeln und Europa wird jedenfalls von Russland nichts von diesen Volumen abbekommen. Wir glauben, dass dies nicht mit den ökonomischen Interessen Europas übereinstimmt und es unsere Kooperation unterminiert. Aber das war die Wahl unserer europäischen Freunde.” (RIA Novosti)

In der Analyse der Situation in der Ukraine, die ich im Mai veröffentlichte, habe ich den Gasvertrag mit China als wichtigen Schritt bezeichnet, der notwendig wäre, damit Russland die Hände frei bekommt, um auf anderen Gebieten der Außenpolitik agieren zu können. Jetzt sehen wir das Ergebnis dieser Arbeit des Kreml in der Hinwendung zu China. Putin scheint den Europäern zu sagen:

“Seid vorsichtig, was ihr euch wünscht, es könnte wahr werden.”

Die Europäer haben den russischen Geist aus der Sanktionsflasche gelassen, der die europäischen Wünsche großzügig zu erfüllen begann. Die Europäer sind in Panik und Schock, dass Putin ihnen eine sehr unangenehme Zukunft ausgemalt hat. Solange, wie die pro-amerikanische Junta in Kiew sitzt, wird Europa jedes Jahr einen kalten Winter ohne Gas erleben.

Denkt mal nach! Jeder Winter – riesige ökonomische Verluste und eine schreckliche politische Hölle für die europäischen Politiker. Putin versprach Europa nicht einen “Murmeltier-Tag” sondern einen “Murmeltier-Winter” – ein endloser Alptraum der nicht durch Lieferungen von teurem amerikanischem Gas gelöst wird. Und nochmal – Europa hat die Wahl: Ukraine Geld zu geben (jedes Jahr!) oder für das Gas der Ukraine zu zahlen (jedes Jahr!) oder wegzuschauen, wenn Moskau in Kiew Ordnung schafft (einmal!). Das ist der neue “Kompromiss von Putin”.

Jeder kalte Tag, jeder kalte Monat, jede Milliarde Euro an Verlusten und jede Million von frierenden Wählern, die fordern werden, dass “die Ukraine endlich den Russen gegeben wird” – all dies wird die Europäer zu der gewünschten Lösung zwingen. Im Prozess der “Zähmung” der Europäischen Union wird ein Teil der Profite von Gazprom 2015 geopfert werden müssen, aber den Willen Brüssels zum Widerstand zu brechen, ist viel wichtiger und wird uns bedeutende Einkünfte in der Zukunft bringen und wird unser Land vor vielen Problemen aus der westlichen Richtung schützen.

Wie die Praxis zeigt, wird ein frierendes Europa ein vernünftiges und flexibles Europa sein. Aber Russland hat bekanntermaßen eine großzügige Seele. Putin nennt die Europäer nicht umsonst “Freunde”, und ein Freund zeigt sich in der Not. Europa hat ein Problem – es hat genug vom “Amerikanismus” und “Obamamania”. Der gute Freund und Arzt Putin hat die beste Medizin verschrieben – den heilenden Energie-Hunger. Dem Geschrei der europäischen Politiker und Medien angesichts des Rezepts nach zu urteilen, wird die Behandlung schwer sein, aber effektiv.
Übersetzt aus dem Russischen: Kristina Rus


Quelle und Kommentare hier:
http://www.vineyardsaker.de/russland/die-zaehmung-europas-oder-putins-neuer-kompromiss/