Der NSU-Prozess: Jan van Helsing im Interview mit Udo Schulze

von Stadtblickpunkt

Mitte November 2013 ist im Amadeus Verlag das neue Buch des Terrorismusforschers und Enthüllungs­journa­listen Udo Schulze erschienen: „NSU – Was die Öffentlichkeit nicht wissen soll“. Bereits in seinem Buch „RAF: Becker, Buback und Geheimdienste“ hat Udo Schulze bewiesen, dass er nicht nur gründlich recher­chiert, sondern auch Dinge anspricht, die in der heutigen Bundesrepublik durchaus als unerwünscht angesehen werden können.

Kurz zur Erinnerung:

Alles begann im Jahr 2000 mit einer Mordserie, wie es bis dahin in Deutschland noch keine gegeben hatte. Über sechs Jahre hinweg wurden insgesamt acht türkische Kleinselbständige und ein Grieche durch Kopfschüsse regelrecht hingerichtet. Ermittlungsbehörden, Journalisten und Kriminalisten sahen sich offiziell mit einem schier unlösbaren Fall konfrontiert. Dann, im April des Jahres 2007, wurde die junge Polizistin Michèle Kiesewetter in ihrem Streifenwagen auf der Heilbronner Theresienwiese erschossen und ihr Kollege, Martin A., lebensgefährlich verletzt. Monatelang geisterte nach dem Mord an der Beamtin eine ominöse DNA-Spur durch Deutschland, die von einem angeblichen weiblichen Phantom stammte und an den unter­schied­lichsten Tatorten bei Einbrüchen, Schlägereien und auch Morden auftauchte. Schließlich stellte sich heraus, dass die Spur von kontaminierten Wattestäbchen stammte, mit denen die Kripo an den jeweiligen Ereignisorten gearbeitet hatte. Eine dicke Panne oder mehr?

Alles begann im Jahr 2000 mit einer Mordserie, wie es bis dahin in Deutschland noch keine gegeben hatte. Über sechs Jahre hinweg wurden insgesamt acht türkische Kleinselbständige und ein Grieche durch Kopfschüsse regelrecht hingerichtet. Ermittlungsbehörden, Journalisten und Kriminalisten sahen sich offiziell mit einem schier unlösbaren Fall konfrontiert. Dann, im April des Jahres 2007, wurde die junge Polizistin Michèle Kiesewetter in ihrem Streifenwagen auf der Heilbronner Theresienwiese erschossen und ihr Kollege, Martin A., lebensgefährlich verletzt. Monatelang geisterte nach dem Mord an der Beamtin eine ominöse DNA-Spur durch Deutschland, die von einem angeblichen weiblichen Phantom stammte und an den unter­schied­lichsten Tatorten bei Einbrüchen, Schlägereien und auch Morden auftauchte. Schließlich stellte sich heraus, dass die Spur von kontaminierten Wattestäbchen stammte, mit denen die Kripo an den jeweiligen Ereignisorten gearbeitet hatte. Eine dicke Panne oder mehr?

Inzwischen gehen Beobachter verstärkt davon aus, die Geschichte mit der falschen Phantom-Spur sei von verschiedenen Behörden bewusst gelegt worden, um die Öffentlichkeit von den wahren − wahrscheinlich schon kurz nach Heilbronn −, bekannten Tätern abzulenken.

Udo Schulze behauptet in seinem neuen Buch, dass diese gar nicht mal ausschließlich in den vermuteten rechtsradikalen Kreisen zu finden gewesen sein sollen, sondern einen Hintergrund haben, vor dessen Aufdeckung sich hohe und höchste Kreise in der Bundesrepublik geradezu fürchten. Von Mafia-Banden in Zusammenarbeit mit dem Staat, von Bosnien-Söldnern und US-Geheimdiensten, von Schmugglern, Mördern und Drogen­kurieren ist da die Rede. Sie alle spielen unter der Marke „NSU“ eine Rolle.

Jan van Helsing (JvH): Herr Schulze, Ihr neues Buch beschäftigt sich mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Warum war es nötig, darüber zu schreiben?

Udo Schulze (US): Schon zu Beginn der Affäre um die angebliche Terrorgruppe „NSU“ im November 2011 tauchten bei mir erhebliche Zweifel darüber auf, ob die offizielle Version von der „rechten Mördertruppe“ tatsächlich der Wahrheit entsprach. Diese Zweifel wurden während meiner Recherchen nicht nur bestätigt, es gibt darüber hinaus noch eine ganze Reihe weiterer erschreckender Erkenntnisse.

JvH: Welche?

US: Nun, z. B., dass die angeblichen Serienkiller Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Mordserie an türkischen Migranten und der Polizistin von Heilbronn gar nicht in der offiziellen Form begangenen haben können oder dass der NSU mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Geheimdiensten aus der Taufe gehoben wurde. Hinzu kommt, dass auch die Opfer der Mordserie nicht wirklich so harmlos und unbescholten waren, wie es dargestellt wird.

JvH: Können Sie das bitte etwas konkreter beschreiben?

US: Ja, bei eini­gen der Opfer wurden Verbindungen zu obskuren Organi­sationen festgestellt, Drogen spielen eine Rolle, Streitigkeiten wegen nicht gezahlter Gelder. Auch die türkischen „Grauen Wölfe“ tauchen in der ganzen Geschichte immer wieder auf. Auf der Ebene der hohen Politik scheinen ei­nige Damen und Herren alles zu tun, um wahre Zusammenhänge zu vertuschen. Diese Zusammenhänge habe ich aufgezeigt.

JvH: Können Sie mehr dazu sagen? Der Untertitel des Buches lautet: „Das ‚Terror-Trio’: Von Versagern, fragwürdigen Spuren und Wundern im Brandschutt.“ Wie kann man das verstehen?

US: An dieser Stelle so viel: Nichts ist, wie es scheint bzw. dargestellt wird. Im Fall des Polizistenmordes von Heilbronn haben US-Geheimdienste und Islam­isten ihren Anteil, darüber hinaus die Russenmafia mit immensen Drogen­geschäften. Der Öffentlichkeit werden Lügen aufgetischt und Phantombilder nicht veröffentlicht. Hier handelt es sich um ein Komplott, der Staat tritt als Verschwörungstheoretiker auf.

JvH: Ich gehe davon aus, dass man eher Sie als Verschwörungstheoretiker bezeichnen wird, der Sie in diesem Buch Dinge behaupten, die ja nun gegensätzlich zu dem sind, was im Prozess gegen Beate Zschäpe sowie in den Massenmedien vorgetragen wird. Können Sie das, was Sie behaupten irgendwie belegen, gibt es Beweise?

US: Die Beweise und Indizien ergeben sich aus mir vorliegenden Er­mittlungs­akten, Gesprächen mit Experten und nicht zuletzt durch das Verhalten der Behörden selbst. Wenn es in Sachen NSU Verschwörungstheorien gibt, dann staatlich verbreitete.

JvH : Am 4. November 2013 hatte der Nachrichtensender n24 die Reportage „Der NSU – Eine Spurensuche“ ausgestrahlt. Dabei ging es um den angeblichen Selbstmord von Mundlos und Böhnhardt. Das BKA glaubt, Mundlos habe zuerst Bönhardt mit einem Winchester-Gewehr und danach sich selbst getötet. Der Jagdwaffen-Spezialist Sigmund Mittag sagt hingegen in diesem Film-Beitrag, dies sei unmöglich. Es können keine Selbstmorde gewesen sein. Die Anzahl der gefundenen Patronenhülsen spricht komplett gegen diese Theorie. Sigmund Mittag erklärte gegenüber den „Deutsch-Türkischen Nachrichten“: „Bei der Tatwaffe handelt es sich um eine Winchester 1300. Die Patronen bei diesen sogenannten Vorderschafts-Repetierflinten können nur einzeln nachgeladen werden. Sie können die Patrone ins Patronenlager nur dann einführen, wenn sie die Patronenhülse von der benutzten Vorgänger-Patrone manuell entfernen. Das erfordert eine starke Handbewegung. Die Patronen-Hülse fällt raus und erst dann wird die Waffe nachgeladen. Beim Tatort wurden zwei Patronenhülsen auf dem Boden gefunden. In Verbindung mit den Selbstmorden ist das technisch unmöglich. A schießt auf B und bringt ihn um. Dann holt er die Hülse aus der Flinte und lädt wieder nach. Anschließend erschießt er sich selbst. Er kann also unmöglich die zweite Hülse im Nachhinein auswerfen, weil er schon tot ist.“ Zeu­gen­aus­sagen sowie DNA-Spuren deuten also darauf hin, dass es eine dritte Person gegeben haben muss. Die DNA-Spur könnte zu einer Person aus Litauen gehören, be­rich­tet auch die „Stuttgarter Zeitung“. Was sagen Sie dazu?

US: Hinweise zu Personen aus Osteuropa ziehen sich wie ein roter Faden durch die Ermittlungsakten. Doch die Öffentlichkeit wurde bislang immer nur dann informiert, wenn es nicht mehr anders ging. So auch bei den zahlreichen Zeugenbeobachtungen, die davon be­rich­ten, dass kurz vor dem Feuer im Wohnmobil ein unbekannter Mann das Fahrzeug fluchtartig verlassen habe. Wahrscheinlich war das der Mörder von Böhnhardt und Mundlos.

JvH: Es soll auch ein Zeuge unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen sein. Wissen Sie mehr?

US: Ja, es handelte sich um den 21-jährigen Florian H. aus der rechten Szene von Baden-Württemberg. Er soll sich in Stuttgart auf dem Cannstatter Wasen in seinem Auto verbrannt haben, just an jenem Tag, an dem er vom LKA zum Polizistenmord von Heilbronn vernommen werden sollte. Die Polizei spricht von Selbstmord aus Liebeskummer. Zeugen wollen aber beobachtet haben, dass der Wagen explodierte. Ich habe auch mit der Mutter des Toten ge­spro­chen. Sie be­rich­tete mir erschreckende Details, die so gar nicht zu einem Selbstmord passen wollen.

JvH: Die da wären…?

US: Zum Beispiel hatte mir die Mutter be­rich­tet, dass kurz vor dem Tod ihres Sohnes an ihrem Auto die Radmuttern gelöst worden waren. Auch der Wagen ihres Mannes sei manipuliert worden. Als Geschwister und Freunde das Wrack des Fahrzeugs von Florian bei der Polizei abholten, wurden sie dabei von Beamten fotografiert. Warum, wenn es sich doch angeblich um einen Selbstmord handelt?

JvH: Das ist ja unglaublich! Wieso weiß davon niemand etwas?

US: Weil es einzelne Personen und Gruppen in den Bereichen Justiz, Sicherheitsbehörden und vor allem der Politik gibt, die offenbar tief in den Fall verstrickt sind. Möglicherweise wird die Bundesrepublik nicht nur erschüttert werden, sondern im kommenden Jahr administrativ-politisch nicht mehr in der gewohnten Form existieren. Und weil sich die etablierten Medien − aus wel­chen Gründen auch immer − weigern, über diese Merkwürdigkeiten zu be­rich­ten, werden sie in meinem Buch genannt und aufgezeigt.

JvH: Im Anhang Ihres Buches haben Sie einen Artikel Ihres Journalistenkollegen Thomas Moser mit veröffentlicht. Was hat es damit auf sich?

US: Die „Kontext-Wochenzeitung“, eine Internetzeitschrift, die jeweils mitt­wochs erscheint, und samstags als gedruckte Beilage der Wochen­end­aus­gabe der „TAZ“, hat es sich zur Aufgabe gemacht, kri­ti­schen und investigativen Journalismus zu bringen, sich mit Hintergründen auseinanderzusetzen und im weitesten Sinne „frech“ zu sein. Einer ihrer fähigsten Mitarbeiter, der Journalist Thomas Moser, trat stets durch seine kritische und gehaltvolle Be­richt­er­stattung zu den Themen „Stuttgart 21“ und „NSU“ hervor. Doch plötzlich sollen seine Texte zum Thema „Nationalsozialistischer Untergrund“ im Blatt und in der Internetausgabe nicht mehr erscheinen.

JvH: Weshalb?

US: Thomas Moser ist der Meinung, hier werde der Hebel von außen an­ge­setzt. Ein Beispiel: Ein Text zum Thema, dessen Erscheinen in „Kontext“ für Mittwoch, den 9. Oktober 2013 zugesagt war, wurde nicht gebracht.

JvH: Hatte er einen Maulkorb erhalten? Wovon handelt der Artikel?

US: Es geht um den angeblichen NSU-Mord an dem 21-jährigen Internetcafé-Besitzer Halit Yozgat in Kassel und die Anwesenheit von Andreas Temme, einem Beamten des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Er befand sich während des Mordes in dem Internetcafé. Diese Tatsache und noch andere Merkwürdigkeiten hat Thomas Moser in seinem Artikel behandelt – ganz seriös recherchiert. Aber das scheint wohl nicht erwünscht zu sein. Vielleicht liegt es daran, dass einer der Verantwortlichen von „Kontext“ früher einmal beim MAD tätig war…

JvH: Aber auch der amerikanische Geheimdienst NSA, zur Zeit in Deutschland in aller Munde, spielte eine Rolle…

US: „NSA und NSU“ habe ich das Kapitel genannt, das sich mit den US-Geheimdiensten in Sachen Heilbronn und Mordserie beschäftigt. US-Dienste haben offenbar sämtlichen elektronischen Kommunikationsverkehr zwischen den deutschen Behörden mitgeschnitten und wissen von daher genauestens über die Hintergründe der NSU-Affäre Bescheid.

JvH: Und welche Rolle spielt die Russenmafia? Ein Zeuge beschrieb in Heilbronn, er habe nach den Schüssen auf die Polizistin Kiesewetter und ihren Kollegen, Martin A., einen Mann gesehen, der „Dawai, dawai!“ gerufen hatte, bevor er in ein Auto sprang und weggefahren wurde.  Das ist russisch und heißt: „Los, los.“ Aufgrund der Zeu­gen­aus­sage von Martin A. wurde ein Phantombild angefertigt – das im Buch veröffentlicht ist –, das klar einen südländischen Typ darstellt. Und dieses Bild wurde von der Staatsanwaltschaft nicht freigegeben bzw. nicht veröffentlicht. Wieso? Weil es keinerlei Ähnlichkeit mit Mundlos oder Böhnhardt hat? Was bedeutet das?

US: In den Ermittlungsakten zu Heilbronn tauchen immer wieder Osteuropäer aus der ehemaligen Sowjetunion im Zusammenhang mit Drogen, aber auch mit Islamismus auf – scheinbar ein Schlüssel zu den wahren Tätern. Die Staatsanwaltschaft verhinderte die Freigabe eines Phantombildes offenbar deswegen, um das in der Öffentlichkeit aufrechterhaltene Bild nicht zu zer­stö­ren.  Immer wieder – auch aktuell vor Gericht in München – wird be­haup­tet, Mundlos und Böhnhardt seien an den Tat­orten gewesen. Doch halten lassen sich diese Ver­schwörungs­theorien in keiner Weise. Deswegen auch das Zurückhalten des Phantombildes, das die Täter in ganz anderen Kreisen vermuten lässt.

Immer wieder wurde auch behauptet, die beiden Uwes hätten ihr gemietetes Wohnmobil nach dem Angriff auf die Polizisten am Hauptbahnhof Heilbronn abgestellt und seien per Bahn geflüchtet. Jetzt stellte sich heraus, dass der Vermieter des Wohnmobils sich am Tattag in Heilbronn aufhielt; nicht aber um zu morden, sondern um sich ein gebrauchtes Wohnmobil anzusehen.

JvH: Wie wird der NSU-Prozess in München Ihrer Meinung nach ausgehen?

US: Wie das berühmte Hornberger Schießen. Zschäpe – wahrscheinlich ist sie V-Frau des Verfassungsschutzes − schweigt weiterhin, ihr wird nichts nach­zu­wei­sen sein. Böhnhardt und Mundlos bleiben weiterhin die toten Sündenböcke, denen man alles in die Schuhe schieben kann, und am Ende kommt eine geringe Strafe für die Angeklagte heraus. Der Prozess erinnert in fast allen Details gegen das Verfahren gegen die ex-RAF-Frau Verena Becker, die ebenfalls sehr glimpflich davonkam und V-Frau des Verfassungsschutzes war.

JvH: Vielen Dank, Herr Schulze – einmal für dieses Interview sowie Ihren Mut, das alles ans Tageslicht zu bringen! Hoffen wir einmal, dass es etwas bewirkt.


Quelle und Kommentare hier:
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