von Peter Orzechowski
In Baden-Württemberg sind über 30.000 Flüchtlinge verschwunden. Das berichtet mmnews heute. Das heißt: Ein Fünftel der Migranten sind untergetaucht. Deutschlandweit bedeutet das: 160.000 Immigranten sind nicht mehr auffindbar. Oder sind es schon weitaus mehr?
»Das Land sperrt Flüchtlinge nicht ein. Es kommt vor, dass sie Erstaufnahmeeinrichtungen auf eigene Faust verlassen«, sagt Christoph Häring vom Integrationsministerium gegenüber den Stuttgarter Nachrichten, auf die sich der Blog beruft. Die Motive seien »dem Land im Einzelnen nicht bekannt«.
Für gefährlich hält man das beim Innenministerium des Bundeslandes nicht. »Man kann nicht bestreiten, dass man in diesen Fällen nicht weiß, wer sich wo aufhält«, sagt ein Sprecher. Das sei ein Sicherheitsthema, allerdings »kein dramatisches«. Denn: ohne Registrierung gebe es auch kein Geld.
Der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl sieht das anders. Er warnt die Politik davor, den Überblick zu verlieren, und weist auf Sicherheitsrisiken hin.
Und die gibt es wohl in ganz Deutschland: Wenn in Baden-Württemberg allein dieses Jahr über 30 000 Flüchtlinge verschwinden und dies laut Behördenangaben ein »niedriger zweistelliger Prozentsatz« sei (von 148.000 Flüchtlingen sind 32.000 verschwunden), so ist sicher davon auszugehen, dass dies in anderen Bundesländern nicht anders ist.
Bundesweit bedeutet dies: Von 800.000 Flüchtlingen, die allein bis jetzt in Deutschland einreisten, dürften 160.000 verschwunden sein.
Wovon leben sie? Wo wohnen sie? Dazu gibt es eine positive und eine negative Hypothese, mutmaßt mmnews. Gegenwärtig laufe die Operation »harmlos« bei den Medienkonzernen, weshalb man stets nur die harmlosen Hypothesen propagiert.
Die syrischen Siedler wollten eben mal die Oma besuchen, die in Deutschland lebt, oder die syrischen Kollegen leben eben in Berlin, da will man nicht im Süden bleiben.
»Die negative Hypothese, die stets verdrängt wird, sieht leider weit weniger appetitlich aus«, schreibt die Webseite. Denn diese negative Hypothese lautet: Einige oder gar viele der Untergetauchten bauen – finanziert von den Saudis und ihren Verbündeten ‒ Zellen und Operationsbasen des IS auf, mitten unter uns.
Die Bürger in Deutschland ahnen das schon länger. Vor gut drei Wochen veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach unter der Überschrift: »Kontrollverlust – die Besorgnis der Bürger wächst.«
In einem Interview mit der Berliner Tageszeitung Die Welt sprach Instituts-Chefin Renate Köcher wenige Tage später von »tiefer Beunruhigung in der Bevölkerung«.
Die Allensbacher Zahlen sprechen für sich: Im August hatten 40 Prozent der Befragten »große Sorgen« über die »Entwicklung der Flüchtlingssituation in Deutschland«. Im September waren es 44 und im Oktober schon 54. 57 Prozent der Bürger seien überzeugt, berichtet Köcher, »dass Deutschland jegliche Kontrolle darüber verloren hat, wie viele Flüchtlinge ins Land kommen«.
Diese Mehrheitseinschätzung ist leider richtig: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schätzt, dass sich bis zu 290.000 Migranten völlig unregistriert im Lande bewegen. Das Bundesinnenministerium gibt zu, dass es nicht einmal weiß, wie viele Migranten in Aufnahmelagern versorgt werden und wie viele sich zurzeit in Deutschland aufhalten.
Dazu passt, dass eine Mehrheit der Bürger die Politik in der Migrantenkrise schlicht für überfordert und ratlos hält. Köcher in der FAZ:
»Besonders kritisch ist, dass in der Bevölkerung Zweifel daran weit verbreitet sind, ob die Politik überhaupt eine Vorstellung hat, wie die Probleme eingegrenzt und bewältigt werden können.«
Vorschub geleistet hat diesem Gefühl des Kontrollverlusts wohl auch jene Bemerkung von Bundeskanzlerin Merkel, dass man 3000 Kilometer Grenzen in Deutschland gar nicht schützen könne. Es habe eine »enorme Wirkung, wenn ein solcher Satz fällt«, so Köcher zur Welt.
Wer die Landesgrenzen infrage stellt, stellt das ganze Land in Frage und alles was zu ihm gehört: Der Sozialstaat etwa verlangt nach Grenzen und ist ohne Grenzen gar nicht denkbar. Die Menschen, die für ihn Steuern und Sozialversicherungsbeiträge aufbringen und darauf rechnen, dass der Sozialstaat sie im Bedarfsfall auch auffängt, wissen das genau.