von Michael Steiner
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts warnt vor der Etablierung einer Willkürherrschaft in Deutschland, weil sich die etablierte Politik über geltendes Recht hinwegsetze. Paradebeispiele seien die Diesel-Krise und die Migrationskrise.
Hans-Jürgen Papier, der langjährige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, geht mit der deutschen Bundesregierung hart ins Gericht. Diese würde die Demokratie in Deutschland gefährden.
„Es ist nicht akzeptabel, dass geltendes Recht stillschweigend ignoriert wird“, sagte Papier den Funke-Zeitungen. „Niemand darf sich ohne Sanktionen aus der Geltung des Rechts herausschleichen. Sonst sind Gebote und Verbote nur noch etwas für die Dummen, Braven und Schwachen.“
Dabei führt der Topjurist zwei Beispiele an, die in der letzten Zeit auch medial sehr präsent waren. So sei die sogenannte Diesel-Krise ein Exempel für die „Erosion von Rechtsstaatlichkeit“, so Papier. Die Politik setzt verbindliche Abgas-Grenzwerte fest, ist aber gar nicht Willens oder in der Lage, für ihre Einhaltung zu sorgen“, so der Ex-Verfassungsrichter.
„Und dann wundert sie sich, wenn Gerichte auf die Befolgung geltenden europäischen oder nationalen Rechts bestehen und Fahrverbote verfügen.“
Ohne Rechtsstaatlichkeit sei „Demokratie nicht viel wert“, so Papier. „Dann kann sie zur Willkürherrschaft der Mehrheit über die Minderheit werden.“ Es könne auch passieren, dass sich gesellschaftliche Gruppierungen nach ihren moralischen und ethischen Vorstellungen ein eigenes Recht bilden.
„Ich sehe die Gefahr, dass geltendes Recht durch persönliche Moralvorstellungen ersetzt wird“, erklärt er weiter.
Am deutlichsten werde die Diskrepanz zwischen dem geltenden Recht und der tatsächlichen Praxis auf den Gebieten Migration und Asyl.
„Illegale Zuwanderung nach Deutschland erfolgt nach wie vor – wenn auch nicht in dem Ausmaß wie 2015“, stellte er fest.
„Gesetzliche Ausreisepflichten von Personen ohne einen aufenthaltsrechtlichen Status werden vielfach noch immer nicht in ganz überwiegenden Fällen nicht durchgesetzt.“
Die Folge sei, dass die politische Mitte schrumpfe.
„Radikale Strömungen münzen diese Erosionstendenzen um in einen Kampf gegen das rechtsstaatlich-demokratische System als solches.“
Der große Zulauf zur AfD sei darauf zurückzuführen, dass viele Menschen das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Parteien der Mitte verloren hätten, so Papier. „
Wir haben Gott-sei-Dank keine Zustände wie am Ende der Weimarer Republik. Es gibt keinen Anlass für Hysterie. Aber es ist an der Zeit, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, die dringend korrigiert werden müssen.“