von Thomas Pritzl
Vor sieben Jahren sagt Georg Friedmann US-Truppenverlegungen ins Baltikum exakt voraus / USA haben kein übergeordnetes Interesse an Frieden / Wir wollen nichts erreichen, sondern verhindern / Demokratie und Menschrechte sind politische Rhetorik / EU schwächen / 2040 spielt Deutschland keine Rolle mehr
Geopolitische Analysen und Projektionen von Zbigniew Brzezinski oder Georg Friedman erweisen sich als erstaunlich zutreffend. So hat Brzezinski, der in Sachen Aussen- und Sicherheitspolitik von Jimmy Carter bis hin zu Barak Obama fünf US-Präsidenten beriet, die Serie von US-Invasionen im Kuwait, Irak oder Lybien bereits exakt vorausgesagt. Präzise beschreibt auch der Gründer und bis vor kurzem Chef des privaten US-Geheimdienstes Stratfor, Friedman, in seinem bereits 2010 erschienen Buch „Die nächsten Hundert Jahre“ die geopolitische Zukunft. Seine Voraussage im Blick auf das Baltikum ist gerade beklemmende Aktualität geworden.
Private Think Tanks steuern US-Aussen- und Sicherheitspolitik
Wer zwischen den Zeilen liest, erkennt nicht nur, dass die Aussen- und Sicherheitspolitik der USA zweifelsohne von privaten Think Tanks und Elitezirkeln wie dem Council on Foreign Relations (CFR) entwickelt und gesteuert wird, sondern dass es aller politischen Rhetorik zum Trotz, bei US-Interventionen eben gerade nicht um Demokratie, Freiheit oder Menschenrechte geht, sondern auf Kosten des Weltfriedens um den Erhalt einer monopolaren Weltordnung faschistischer Prägung.
Friedman benennt bereits vor sieben Jahren Regionen wie etwa den Nahen Osten, die heute durch USA-Interventionen paralyisert sind, beschreibt wie durch die totale Überwachung der Seewege der internationale Handel kontrolliert wird, erläutert die Funktion von US-finanzierten weltweiten Nichtregierungsorganisationen sowie die zivilisationsverachtende globale Gesamtstrategie hinter den US-Allmachtphantasien: nämlich die gezielte Herstellung von Chaos in Feindstaaten.
US-Truppenverlagerungen ins Baltikum sieben Jahre zuvor vorausgesagt
Für die deutsche Bevölkerung entscheidend ist aber, dass mit den aktuellen US-Truppenverlagerungen in die baltischen Staaten ein Szenario, das Friedman ebenfalls vor sieben Jahren mit Blick auf Osteuropa prognostizierte, in der Gegenwart angekommen ist. Es ist einzig dem unerwarteten Ausgang der US-Wahlen und der Neudefinition der Kooperation zwischen Russland und der Türkei nach dem Putsch-Versuch im letzten Sommer zu verdanken, dass weitere seiner Szenarien so nicht mehr eintreten und die geopolitischen Karten neu gemischt werden. Sollte Friedman indes mit der Prognose einer militärischen Konfrontation mit Russland um 2020 Recht behalten, dann steht die Welt vor einem globalen Konflikt.
Die USA ist ein moralfreier, totalitärer Staat
Die anschliessenden Zitate stammen aus seinem Buch und sind mit Seitenzahlen gekennzeichnet, so dass jeder sich über deren Authentizität und Kontext versichern kann. Friedman beschreibt die USA als einen moralfreien Staat ohne politische Glaubwürdigkeit bzw. Zuverlässigkeit auf dem Weg in den Totalitarismus. Als einen Staat, der von sich selbst behauptet, keine Freunde zu kennen, sondern nur Interessen zu besitzen.
Die USA sind eine kriegerische Nation. Statistisch befanden sie sich 10 Prozent der Zeit ihres Bestehens im Krieg. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es 22 Prozent und seit dem Beginn des 21 Jahrhunderts sind die USA permanent im Krieg. S. 39-40
Die fünf geopolitischen Imperative der USA S. 40-45
- Die komplette Domination Nordamerikas durch die Armee der Vereinigten Staaten,
- Die Auslöschung jeglicher Bedrohung für die USA durch eine Macht in der westlichen Hemisphäre,
- Die totale Kontrolle des maritimen Zugangs zu den USA durch Seestreitkräfte, die jeden Versuch einer Invasion vereiteln,
- Die totale Kontrolle der Ozeane, um Unversehrtheit und Kontrolle über das internationale Handelssystem zu garantieren,
- Die Hinderung aller Nationen, die globale Seemacht der USA herauszufordern.
Die USA haben kein übergeordnetes Interesse an Frieden in Eurasien. Ebenso wie in Korea oder Vietnam war der Grund dieser Konflikte einfach der, Mächte zu destabilisieren, nicht Ordnung einzuführen. S. 45
Die USA wollten den Aufstieg einer europäischen Supermacht verhindern. Interventionen waren nicht darauf ausgerichtet, etwas zu erreichen – egal was die politische Rhetorik verlautbarte – sondern etwas zu verhindern. Ziel war es eben nicht, zu stabilisieren, sondern zu destabilisieren. S. 46
Das 21. Jahrhundert wird für den Rest der Welt gefährlich. Die USA tendieren dazu, dass es ihnen egal ist, wie sie ihre globale Macht ausspielen. Sie besitzen Politiken, die anderen Staaten rücksichtslos erscheinen. Die Ergebnisse können für andere verheerend sein, die USA aber gedeihen. S. 47
Durch die erste Intervention in Kuwait blockierten die USA die Ambitionen des Iraks. In Jugoslawien ging es darum, Serbien daran zu hindern, regionale Macht auf dem Balkan zu werden. Die Intervention in der islamischen Welt verhinderte ein islamisches Imperium. S. 45
Eine islamische Welt im Chaos und unfähig sich zu einen, bedeutet, dass die USA ihr strategisches Ziel erreicht hat. S. 49
Das Problem ist, dass allein die Existenz eines geeinten Russlands eine signifikante Herausforderung für Europa darstellt. S. 101
Für ein Land, das in den letzten beiden Jahrhunderten dreimal überfallen wurde, ist es nicht akzeptabel, anzunehmen, dass die NATO keine Bedrohung darstelle. Russland kann mit einem neutralen Baltikum leben. Dagegen ist es ein Risiko, mit einer baltischen Region zu leben, die Teil der NATO und den USA zugewandt ist. S. 114
Russland weiss, dass die NATO durch die Aufnahme der baltischen Staaten nach Osteuropa systematisch ausgebaut wurde. Als die USA begannen, die Ukraine für die NATO zu rekrutieren, änderte Russland seine Absichten. Wenn die Ukraine und das Baltikum in die Hände eines Feindes fielen, etwa dadurch, dass sie der NATO beitreten, wäre Russland existenziell bedroht. S. 112
Die Russen betrachteten die Vorgänge in der Ukraine, als den Versuch der USA, das Land in die NATO zu integrieren und so den Startschuss für den Zerfall Russlands zu geben. Um ehrlich zu sein, in der russischen Wahrnehmung liegt ein Gutteil Wahrheit. S. 70
2015 wird sich eine globale Konfrontation auf dem Weg befinden und bis 2020 intensivieren. Keine Seite riskiert einen Krieg, sondern sie manövrieren. 2020 wird die Konfrontation weltweites Thema sein. S. 117
Russlands Strategie ist es, Pufferzonen in Osteuropa einzurichten und Nachbarn zu manipulieren, um so eine neue regionale Machtbalance in Europa herzustellen. Russlands Aktionen werden aggressiv ausschauen, während sie eigentlich defensiver Natur sind. S. 105
Russland hat drei Werkzeuge, um das Baltikum zu beeinflussen. Erstens verdeckte Operationen. In der Weise wie die USA überall auf der Welt Nichtregierungsorganisationen finanzierten, wird Russland russische Minderheiten im Baltikum finanzieren, ebenso wie alle pro-russischen Elemente, die gekauft werden können. Wenn die Balten mit der Unterdrückung dieser Bewegungen beginnen, gibt dies den Russen den Vorwand, ihr zweites Werkzeug einzusetzen – ökonomische Sanktionen. Schliesslich wird Russland substanzielle militärische Präsenz nahe der Grenzen der Länder zeigen. S. 115
Russland wird die Slovakei und Bulgarien destabilisieren. Diese Konfrontation wird entlang der gesamten Westgrenze Russlands passieren. Russland will Osteuropa isolieren und die NATO aufbrechen. Schlüsselfiguren sind Deutschland und Frankreich, die beide keine Konfrontation wollen. S. 116
Da die baltischen Staaten in Gefahr sind, wird eine kollektive Anstrengung mit Truppenpräsenz nötig sein. Einige Mitglieder der NATO werden dazu nicht bereit sein, daher wird diese Aktion ausserhalb der NATO stattfinden. Die NATO wird aufhören in einer effizienten Weise zu funktionieren. S. 138
Egal, was der Rest Europas unternehmen wird, Polen, die Tschechische Republik, Ungarn und Rumänien werden jeden Deal mit den USA machen, um Unterstützung zu bekommen. S. 119
Polen wird noch abhängiger von den USA. Für die USA ist dies eine kostengünstige Gelegenheit, die Russen nieder zu halten und die Europäische Union zu schwächen. S. 117
Eine Allianz osteuropäischer Staaten unter Einschluss der baltischen Staaten sowie Ungarns oder Rumäniens und angeführt von Polen wird die Möglichkeit erkennen, alten Grenzen wiederherzustellen, um vor Russland sicher zu sein. Gleichzeitig werden sie sich gegen traditionelle westliche Feinde wie Deutschland schützen. S. 138
Für Osteuropa ergibt sich aus dem Zusammenbruch Russlands die Notwendigkeit, eine aggressive Aussenpolitik zu betreiben. Osteuropa wird die dynamischste Region Europas. Da Russland ausgefallen ist, wird Polen nach Osten drängen, um Pufferzonen in der Ukraine zu bilden. S. 149
Der Zusammenbruch Russlands um 2020 wird Eurasien in ein Chaos stürzen. Kontrollierten Oligarchen bei vorherigen Kollapsen Russlands Wirtschaft, so werden nun regionale Führer die Verantwortungübernehmen. S. 136
Aus Sicht der USA ist dies ein hervorragendes Ergebnis. Der fünfte globale Imperativ der USA war, dass keine Macht in der Lage sei, Eurasien zu kontrollieren. Mit Russland im Chaos ist diese Möglichkeit weiter als jemals zuvor entfernt. S. 137
Bis 2020 ist die Türkei eine aufstrebende ökonomische und militärische Macht in einem Meer aus Chaos. Während der russisch-amerikanischen Konfrontation in den späten 2010-Jahren werden der Nahe Osten und der Süden der Türkei durch Russland weiter destabilisiert. Auch die Balkanstaaten im Nordwesten der Türkei werden instabil. S. 145
Die Türkei hat kritische Bedeutung in der Konfrontation mit Russland. Die Russen benötigen Zugang zum Bosporus, um den USA auf dem Balkan zu begegnen. Die Tuerken wissen, dass auf diese Weise ihre Autonomie bedroht wird. Sie werden daher zu ihrer Allianz mit den USA stehen. S. 146
2030 wird die Türkei die USA als Gefahr für ihre Interessen bewerten. S. 147
2040 werden Deutschland und Frankreich keine Rolle mehr spielen. Problem für beide sind die USA. S. 151