Von Ulrich Rippert
Einen Tag nach dem der bisherige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen von seinem Posten entbunden und zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium befördert wurde, gab Innenminister Horst Seehofer (CSU) gestern bekannt, für welche Aufgaben Maaßen im Innenministerium künftig zuständig sein wird.
Auf einer Pressekonferenz lobte der Innenminister zunächst den Ex-Geheimdienstchef für die „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ der vergangenen Monate und erklärte Maaßen habe sich als Leiter einer wichtigen Bundesbehörde „hohe Verdienste“ erworben. Dann kündigte er an, dass Maaßen in seinem neuen Amt als Staatssekretär im Innenministerium für drei zentrale Bereiche der inneren Sicherheit zuständig sei. Er werde die Bereiche Bundespolizei, Cybersicherheit und öffentliche Sicherheit verantworten.
Damit übernimmt Maaßen sehr wichtige Bereiche des Sicherheitsapparats und hat sehr viel mehr politischen Einfluss als bisher. Allerdings soll er als Staatssekretär nicht die Aufsicht über den Verfassungsschutz übernehmen. Das sei im Koalitionsausschuss so vereinbart worden, erklärte Seehofer. Diese Verantwortung übernehme ein anderer Staatssekretär namens Hans-Georg Engelke. Doch diese Arbeitsteilung schmälert nicht Maaßens künftigen Einfluss bei den Geheimdiensten. Beide, Maaßen und Engelke sind langjährige CDU-Mitglieder und haben bereits in der Vergangenheit eng zusammengearbeitet.
Um Platz für Maaßen im Innenministerium zu schaffen, wird ein anderer Staatssekretär in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Es handelt sich dabei um Gunther Adler, ein SPD-Mitglied, der bisher für die Bereiche Bau und Wohnen zuständig war. Adler stammte aus der DDR, hatte später eng mit dem damaligen SPD-Bundespräsidenten Johannes Rau zusammengearbeitet und war als Sozialpolitiker anerkannt. Die SPD protestierte gegen seine Versetzung in den Ruhestand, doch Seehofer erklärte, als Minister entscheide er über die Ernennung der Staatssekretäre in seinem Ministerium und sonst niemand.
In vielen Medienkommentaren wurden gestern die Beförderung von Maaßen und die Umorganisation des Innenministeriums teils heftig kritisiert. Die Süddeutsch Zeitung bezeichnete die Ereignisse als „Konjunkturprogramm für Politikverdrossenheit“. Die taz schrieb über „Berliner Chaostage“ und Die Zeit warnte vor den Konsequenzen eines „unbefriedigenden Kompromisses“ und klagte, dass die Bundesregierung jedes Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung zu verlieren drohe. Andere schrieben über das „Schmierentheater an der Spree“ und so weiter.
Aber niemand erklärte, was tatsächlich vor sich geht. Hans-Georg Maaßen ist ein erklärter Rechter und Anhänger der AfD. Als er vor wenigen Tagen vor dem Innenausschuss des Bundestags erklärte, er sei seit über 30 Jahren CDU-Mitglied, bestätigte er lediglich, wie eng die Beziehung zwischen AfD und CDU ist und dass die AfD von oben, aus den Führungsetagen der andern Bundestagsparteien heraus mit viel Unterstürzung des Staatsapparats und der Leitmedien aufgebaut wurde. Auch AfD-Chef Gauland war vor seiner AfD-Karriere 40 Jahre lang CDU-Mitglied.
Maaßen nutzte seinen Führungsposten beim Verfassungsschutz, um die AfD und die rechtesten Kreise zu stärken. Mehrmals traf er sich mit Spitzenpolitikern der Rechtspartei, um sie zu beraten. Vorschläge einiger Landes-Verfassungsschutzämter, die AfD im Verfassungsschutzbericht als rechtsextrem aufzuführen und zu beobachten, schmetterte er ab und besprach den Inhalt des Berichts vor der Veröffentlichung mit AfD-Funktionären.
Nun wird der AfD-Mann Maaßen auf einen zentralen Posten im Innenministerium beordert. Das stärkt den Einfluss der AfD in der Regierung und im Staatsapparat und macht gleichzeitig den rechten Charakter der Großen Koalition deutlich.
Nun ist Maaßen für die Leitung der Bundespolizei, Cybersicherheit und öffentlichen Sicherheit verantwortlich. In der Vergangenheit hat er mehrfach betont, der gesamte Sicherheitsapparat müsse gestärkt und bundesweit zentralisiert werden. Diese Entwicklung sei bisher vernachlässigt worden und das dürfe nicht länger hingenommen werden.
Innenminister Seehofer ist als CSU-Vorsitzender im Wesentlichen ein rechter bayerischer Landespolitiker und hat auch in den Jahren als Bundeslandwirtschaftsminister vorwiegend Bayern-Interessen vertreten. Maaßen ist im Innenministerium nun der starke Mann, um die unterschiedlichen Bereiche des Sicherheitsapparats zu zentralisieren und Polizeistaatsstrukturen aufzubauen.
Betrachtet man die Debatten und Beschlüsse der Innenministerkonferenz im vergangen Jahr, wird sehr klar, was das bedeutet. Damals wurde die Errichtung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) in Berlin, in dem Vertreter von über 40 deutschen Sicherheitsbehörden unter einem Dach arbeiten, als wichtiger Erfolg gefeiert. Gleichzeitig wurde betont, dass das aber nicht ausreiche.
Vor allem im digitalen Bereich müsse nachgearbeitet und ein „Musterpolizeigesetz“ verabschiedet werden. Ziel sei die Vernetzung der Datenbanken, mit denen die Behörden all diejenigen Personen und Gruppen ausspionieren können, die sie in irgendeiner Weise für verdächtig halten. Mit den im vergangen Jahr beschlossenen Sicherheitsgesetzen ist es möglich, ganze Schattendatenbanken anzulegen, die sich jeder demokratischen Kontrolle entziehen.
Eine weitere geplante Maßnahme ist die sogenannte Online-Durchsuchung. Sie soll es ermöglichen, durch den Einsatz von Trojanern Festplatten auszulesen, ohne dass dazu ein physischer Zugriff notwendig ist. Anders als bei einer Hausdurchsuchung, bei der bisher schon regelmäßig Festplatten der Verdächtigen beschlagnahmt wurden, weiß der Betroffene bei einer Online-Durchsuchung nicht, dass diese Maßnahme gegen ihn durchgeführt wird, und kann sich dementsprechend auch nicht juristisch dagegen wehren.
In Zukunft ist Maaßen für diesen Bereich, der so genannten Cybersicherheit verantwortlich. Bei ihm laufen künftig die Informationen und Daten zusammen. Er kann sie auswerten lassen und an seine AfD-Freunde weitergeben, die daraus Listen zusammenstellen, um gegen Kriegsgegner, Kapitalismuskritiker und Sozialisten vorzugehen.
Alle Gespenster der Vergangenheit kehren zurück. Als die Nazis im Januar 1933 an die Macht kamen und kurze Zeit später Massenverhaftungen durchführten, konnten sie sich auf Verhaftungslisten stützen, die bereits lange vorher, in den Krisenjahren der Weimarer Republik, zuammengestellt worden waren. Niemand sollte glauben dieser Vergleich sei übertrieben, so weit werde es nicht kommen. Die größte Gefahr besteht heute darin, die Wiederkehr einer rechten Diktatur im Stile der Nazis für unmöglich zu halten.
Maaßen war im vergangenen Jahr daran beteiligt, ein so genanntes CDU-Sicherheitspapier auszuarbeiten. Unter dem Titel „Ein starker Rechtsstaat für die Sicherheit unserer Bürger“ wird darin ein Katalog von Maßnahmen vorgeschlagen, die jeden Diktator mit Stolz erfüllen würden. Das Papier beginnt mit dem Satz:
„Eine optimale Zusammenarbeit von Bund und Ländern, insbesondere von Polizei, Nachrichtendiensten und Justiz ist der entscheidende Erfolgsfaktor für die Sicherheit in unserem Land.“
Das Trennungsgebot von Nachrichtendiensten und Polizei und deren Dezentralisierung gehört zu den Grundsätzen der deutschen Nachkriegsordnung und wird in diesem Papier gezielt ausgeblendet. Diese Trennung war die wichtigste Schlussfolgerung, die nach dem Fall des Nazi-Regimes aus der kriminellen Rolle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) gezogen wurde.
Die deutsche Bourgeoisie war damals allerdings nicht freiwillig zu dieser Einsicht gelangt, sie wurde ihr von den alliierten Mächten 1949 im sogenannten „Polizeibrief“ aufgezwungen. Seit Deutschland mit der Wiedervereinigung seine volle Souveränität erlangte, wird die Gültigkeit des Trennungsgebots zunehmend in Frage gestellt und zurückgewiesen.
Wenige Wochen nach dem verheerenden Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz – der, wie wir heute wissen, unter den Augen des Verfassungsschutz durchgeführt wurde – forderte Anfang Januar vergangen Jahres der damalige Innenminister de Maizière für den Bund „eine Steuerungskompetenz über alle Sicherheitsbehörden“. Die Befugnisse des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei sollen ausgeweitet, die Landesämter für Verfassungsschutz aufgelöst und in einen zentralisierten Inlandsgeheimdienst integriert werden.
Die Bundespolizei, eine paramilitärische Truppe, die aus dem Bundesgrenzschutz hervorgegangen ist und ursprünglich ausschließlich für die Sicherung der Grenze verantwortlich war, soll zukünftig nicht nur im grenznahen Raum, sondern flächendeckend Fahndungsmaßnahmen durchführen können. Auch die Bundeswehr soll verstärkt im Inneren eingesetzt werden. „Die Debatten dazu mögen früher verständlich gewesen sein. Jetzt sind sie es nicht mehr“, drohte damals Innenminister de Maizière.
Jetzt hat Maaßen die Verantwortung im Innenministerium übernommen, um diese rechte Agenda der Polizeistaatsaufrüstung voranzutreiben und durchzusetzen. Dass er formal nicht für die Aufsicht über den Verfassungsschutz hat, ändert nichts an der Tatsache, dass er die beste Verbindung zum Geheimdienst hat und aufrecht erhält.
Während Tausende auf den Straßen gegen Maaßen, Seehofer, die AfD und ihre rechte rassistische Politik protestieren, verständigen sich die Regierungsparteien darauf, diese rechte Politik umzusetzen und einen Polizeistaat zu errichten, um den wachsenden Widerstand zu unterdrücken. Deutlicher könnte die rechte Verschwörung der Großen Koalition kaum sichtbar werden.
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