von Stefan Frank
Polizei und Staatsanwaltschaft in der Hansestadt Hamburg wollen nicht, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass das einjährige Baby, das am 14. April zusammen mit seiner 34-jährigen Mutter in einer „Beziehungstat“ (so Polizeisprecher Timo Zill) von seinem Vater, dem aus dem Niger stammenden „Lampedusaflüchtling“ Mourtala Madou auf dem Bahnsteig der U-Bahnstation Jungfernstieg ermordet worden ist, geköpft wurde.
Darum gehen sie nun mit harter Hand gegen diejenigen vor, die sie dafür verantwortlich machen, dass diese Tatsache trotz Abschirmung und Schweigekartell nach außen gedrungen ist: einen christlichen Gospel-Sänger aus Ghana – der den Tatort mit eigenen Augen gesehen und gefilmt hat – und einen Hamburger Blogger, der das von dem jenem auf Facebook gestellte Video auf seinen YouTube-Kanal übertragen hat. Bei beiden wurden am Freitagmorgen Razzien in ihren Wohnräumen durchgeführt und persönliche Gegenstände beschlagnahmt.
„Alles hätte man auch an der Haustüre bekommen und die beschlagnahmten Gegenstände waren sowieso gaga“,
so der Blogger Heinrich Kordewiner gegenüber der Achse des Guten. „Ein Uralt-PC von Aldi, ein Billig-Phablet (für meine Blutzucker-Kontrolle, die Stadtrad-App und die Google-Home-App) und eine uralte Aldi-Digitalkamera (mit einem einzigen Foto der dummen Gesichter des versammelten Law Enforcements in dem Moment, als der Schlüsseldienst das Zylinderschloss aufgebohrt hatte).“
Er fügt hinzu:
„Davon abgesehen benötigt man fürs Kopieren eines Facebook-Videos nach Youtube nur ein Internet-Cafe oder ein Billigtelefon am anonymen Hotspot der Hochbahn. Alles absurd.“
Kordewiner berichtet, wie er und seine Mitbewohnerin um 6.45 Uhr von einem Trupp von mehreren Staatsanwälten und Polizisten geweckt wurden, die Zutritt zu ihrer Wohnung begehrten. Als dieser ihnen verweigert wurde, verschafften sie sich durch Aufbohren des Türschlosses gewaltsam Zutritt.
Staatsanwalt Ulf Bornemann macht sich verdient
Angeführt worden sei die Gruppe von Staatsanwalt Ulf Bornemann, einem Spezialisten für „Hass und Hetze“. Bornemann war letztes Jahr einer der sehr wenigen Juristen, die keine Bedenken gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hatten, sondern die Meinungsberichtigung im Internet emphatisch begrüßten.
Oberstaatsanwältin Nana Frombach von der Pressestelle der Hamburger Staatsanwaltschaft bestätigt auf Anfrage der Achse des Guten die Hausdurchsuchung. Kordewiner sei vorgeworfen worden, „die höchstpersönlichen Lebensbereiche einer Person“ – gemeint ist die von Mourtala Mardou ermordete Frau – „durch Bildaufnahmen verletzt“ zu haben. So steht es auch in dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg, der der Achse des Guten vorliegt. Die fragwürdige juristische Basis für die Razzia ist also der 2014 von der großen Koalition (gegen die Stimmen von Grünen und Linken) eingeführte „Papparazi-Paragraph“ (Paragraph 201a).
Im konkreten Fall geht es um Folgendes: Kurz nach dem Doppelmord war ein christlicher Gospelsänger aus Ghana vor Ort, der Filmaufnahmen des Bahnsteigs machte. In dem Video, das er auf Facebook stellte, hört man eine Frau weinen, sieht Polizisten, die Zeugen befragen, und man sieht, anders als in sämtlichen Pressefotos, die allesamt aufgenommen wurden, nachdem der Tatortreiniger dagewesen war, eine riesige Blutlache. An keiner Stelle filmt der Mann die Opfer in Großaufnahme oder zeigt ein Gesicht. Die meiste Zeit richtet er die Kamera auf den Fußboden oder die Gleise neben dem Bahnsteig. Es ist wohl der von ihm gesprochene Kommentar, der die Meinungshüter zum Durchdrehen gebracht hat:
„O my God. It’s unbelievable. [Oh mein Gott. Es ist unglaublich] O Jesus, o Jesus. O Jesus. They cut off the head of the baby [Sie haben dem Baby den Kopf abgeschnitten]. O my God. O Jesus.“
Der Ghanaer ist also nachweislich ein Augenzeuge – und er plaudert aus, was Staatsanwaltschaft und Polizei unter den Teppich kehren wollten. Nicht nur nämlich, dass in den Meldungen der Polizei kein Wort von einem abgeschnittenen Kopf steht, auch Oberstaatsanwältin Frombach will am Telefon die von der Achse des Guten gestellte Frage, ob es stimmt, dass das Baby enthauptet wurde, „nicht kommentieren“.
Lediglich, dass es „schwere Verletzungen am Hals“ erlitten habe, gibt sie zu. Nun wird vielleicht jemand fragen, woher wir wissen, dass der Augenzeuge aus Ghana nicht übertrieben hat? Vom Hamburger Amtsgericht selbst, das zwar die Öffentlichkeit nicht informiert, in dem Durchsuchungsbeschluss aber den Tathergang detailliert beschreibt:
Die Hamburger Staatsanwaltschaft muss meschugge sein
Der „gesondert verfolgte Täter“ (Mourtala Madou) habe
„aus Wut wegen der tags zuvor erfolgten Ablehnung des beantragten gemeinsamen Sorgerechts für seine Tochter und um die Kindsmutter zu bestrafen, seiner in einem Kinderbuggy sitzenden einjährigen Tochter in Tötungsabsicht und zur Durchsetzung seiner Macht- und Besitzansprüche mit einem unvermittelt aus seinem mitgeführten Rucksack gezogenen Messer von hinten einen Stich in den Bauch versetzt und ihr anschließend den Hals nahezu vollständig durchtrennt“.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft muss meschugge sein: Wenn sie verhindern will, dass bekannt wird, dass Madou das Baby geköpft hat – so wie es u.a. die radikal-muslimische Terrorgruppe Boko Haram in seiner Heimat Niger zu tun pflegt – warum unternimmt sie dann etwas, das nur dazu führen kann, die größtmögliche Aufmerksamkeit darauf zu lenken?
Sie führt eine durch und durch illegitime Hausdurchsuchung bei einem unbescholtenen Blogger durch, gleichzeitig steht im Durchsuchungsbefehl, dass der Hals des Kindes „nahezu vollständig durchtrennt“ wurde. Nun haben wir das, was niemand wissen soll, schwarz auf weiß, aus erster Hand, sozusagen mit Brief und Siegel.
Im Telefongespräch mit Oberstaatsanwältin Nana Frombach machte die Achse des Guten darauf aufmerksam, dass an dem Video nichts, aber auch gar nichts justiziabel ist. Man sieht kein Gesicht, man sieht keine Verletzungen. Was man sieht, ist eine Blutlache und die Füße des Opfers – und auch das nur jeweils für wenige Momente. Ihre Antwort: Darüber müsse noch entschieden werden, die Durchsuchung habe aufgrund eines „Anfangsverdachts“ stattgefunden.
Es gibt begründete Zweifel daran, dass Hannah Kütterer-Lang, die Richterin, die den Durchsuchungsbeschluss unterzeichnete, das Video überhaupt gesehen hat. Sonst wäre ihr wohl aufgefallen, dass darin keineswegs
„die am Tatort agierenden Ersthelfer bei den lebenserhaltenden Maßnahmen speziell bei der Durchführung der Herz-Rhythmus-Massage zugunsten der in einer ausgedehnten Blutlache auf dem Rücken liegenden schwerstverletzten Kindsmutter über einen Zeitraum von zwei Minuten und 20 Sekunden“
zu sehen sind, sondern fast ausschließlich der Bodenbelag und die Wandpaneele. Von wenigen Momenten abgesehen, in denen die Kamera aus der Entfernung auf die am Boden liegende Frau schwenkt, ist der Film ein reines Audiozeugnis. Kordewiner weist darauf hin, dass nicht einmal die für das Video angegebene Internetadresse stimmt:
„Man sieht ganz klar im Beschluss des Amtsgerichts, dass der Richterin eine kryptische URL des Einzelvideos als Name meines Youtube-Kanals vorgelogen wurde, dabei heißt der Kanal ganz klar User Kordewiner und ich habe alles unter meinem vollen und deutlichen Namen (Heinrich Kordewiner) veröffentlicht, für den das Internet mit Impressen und Anschriften meines Wohnsitzes überquillt.
Es gab nie einen Bedarf für eine Beweissicherung und ich habe dem Staatsanwalt und seinem lächerlichen Staatsapparat an der Haustüre auch noch einmal vorgetragen, dass selbstverständlich ICH das Video auf MEINEM Kanal veröffentlicht habe. Wer denn sonst.“
Der Paparazzi-Paragraph als Repressionsmittel
Die Achse des Guten konfrontierte Oberstaatsanwältin Frombach mit diesem schwerwiegenden Einwand: Da Kordewiner gar nicht leugnet, dass er das Video hochgeladen hat, war die Suche nach „Beweismitteln“ völlig überflüssig. Dazu sagte Frombach, dass sie zu „Einzelheiten des laufenden Verfahrens“ „keine Stellung“ beziehe, sie aber „versichern“ könne, „dass ein Richter den Durchsuchungsbeschluss geprüft und genehmigt“ habe. Wie beruhigend.
Die Sache wirft Fragen auf, die alle Journalisten nun gerne geklärt hätten. Wenn jemand von uns mit Fotos oder bewegten Bildern über einen Kriegsschauplatz, ein Katastrophengebiet oder den Schauplatz eines Terroranschlags berichtet, müssen wir dann fürchten, dass Staatsanwalt Bornemann am Tag darauf auch unsere Wohnungstür aufbohrt? Davor hatten viele schon 2014 gewarnt, als die Bundesregierung den „Paparazzi-Paragraphen“ verabschiedete. Der Deutsche Presserat etwa trug „verfassungsrechtliche Bedenken“ vor und warnte vor einer Gefährdung der journalistischen Berichterstattung.
Wenn weder sterbende oder tote Personen noch Personen „in einer hiflosen Lage“ gezeigt werden dürfen, dann hätten einige Fotografen statt des Pulitzer-Preises Besuch von der Polizei bekommen. Nehmen wir Fotos vom Vietnamkrieg: Was ist mit dem „Napalm-Mädchen“ Phan Thi Kim Phuc und der Erschießung des Vietcongoffiziers Nguyen Van Lem? Was ist mit Fotos von RAF-Opfern – hätte man die zeigen dürfen? Den sterbenden Studenten Benno Ohnesorg? Es geht noch weiter. Auch Holocaustleugner wären froh, wenn Fotos von getöteten oder überlebenden Insassen der Vernichtungslager nicht mehr gezeigt werden dürften.
Doch halt! Da ist ja noch Absatz 4 von Paragraph 201a, der besagt, dass das Bildverbot nicht gilt
„für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der … Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.“
Genau das ist bei der Berichterstattung über das Blutbad am Jungfernstieg der Fall. Der Doppelmord hat die Bevölkerung der Stadt erschüttert. Es gibt ein starkes öffentliches Interesse an – vollständiger – Berichterstattung, selbst Zeitungen in Afrika, Indien und Amerika haben berichtet. Und da glaubt Staatsanwalt Bornemann, den Fall so behandeln zu können, als hätte jemand einen Verkehrsunfall gefilmt.
Oberstaatsanwältin Frombach kommt ins Schwimmen
Bei der Frage, was Journalisten überhaupt zeigen dürfen, kommt auch Oberstaatsanwältin Frombach merklich ins Schwimmen. Sie könne, sagt sie am Telefon, nur „konkrete“ Fälle beurteilen, keine, die „in der Zukunft liegen“; wie das rechtlich im Falle des Filmens am Tatort eines Terroranschlags sei, könne sie „nicht sagen“. Es ist also amtlich: Weil Staatsanwälte den „Paparazzi-Paragraphen“ gerne zum Paragraphen zur Zensur der Nachrichten machen würden, gibt es für Journalisten in Deutschland keine Rechtssicherheit. Besser, sie verzichten darauf, Opfer von Gewalttaten auch nur verpixelt oder aus der Ferne zu zeigen.
Blogger und Journalisten sollen keine Bilder von den Tatorten der Messermorde veröffentlichen, die in Deutschland alltäglich geworden sind. Wer sich nicht fügt, wird bestraft. Die Hausdurchsuchungen bei Kordewiner und dem Christen aus Ghana sind reine Schikane – und mit Sicherheit illegal.
Ein Wortgefecht mit Staatsanwalt Bornemann, das im Anschluss an den Aufbruch der Wohnungstür stattgefunden habe, gibt Kordewiner gegenüber der Achse des Guten wie folgt wieder:
Ich: “Das durch mich von Facebook nach Youtube kopierte Video greift überhaupt nicht in die Privatsphäre von irgendjemandem ein. Anders als in den Fernsehbildern sieht man keine verpixelten Gesichter, keine Oberkörper und keine Herzdruckmassage zur Wiederbelebung. Es ist die Hamburger Justiz, die für die Scharia-Hinrichtung von Baby und Mutter politisch mitverantwortlich ist, indem sie dem Mörder trotz seiner bekannten Gewalttätigkeiten einen an das Kind geknüpfte Aufenthaltsberechtigung gewährt hat, statt ihn gemäß geltendem Dublin-Recht abzuschieben.”
Staatsanwalt Bornemann: “Aber Herr Kordewiner, Sie sind doch ein gebildeter Mensch. Sie sind doch Humanist! Sie müssen doch einsehen, dass so etwas nicht nicht geht, man sieht doch das Bein des Kindes…“
Ich: “Ja Herr Bornemann, man erkennt einen rosa Strampler, man sieht eine blutdurchtränkte grüne Hose der Mutter! Und eine zwei Meter lange Blutlache! Und eben nicht einen klinisch reinen weißen Jungfernstieg-Bahnsteig, wie ihn die Staatsanwaltschaft allen Zeitungslesern vorlügt.“
Ein Justizskandal, der für Empörung sorgen wird
Just zu der Zeit, als die Gruppe von Staatsanwälten, Experten für Cyberkriminalität des LKA Hamburg und Polizisten (insgesamt fünf Personen, so Kordewiner, seine Mitbewohnerin und ein weiterer Augenzeuge gegenüber der Achse des Guten) Kordewiners Wohnung blockierte, gab es unweit der Wohnung ein weiteres Messerverbrechen. Wenn die Polizei auch solche Taten nicht verhindern kann, und wenn sie auch der nun ermordeten Frau – die zweimal vergeblich die Polizei gerufen und dieser berichtet hatte, dass Madou sie bedrohe – nicht hatte beschützen können, so gibt sie sich doch immerhin alle Mühe, dafür zu sorgen, dass die schrecklichen Einzelheiten der Morde der Öffentlichkeit verborgen bleiben.
Die Hausdurchsuchungen zur Abstrafung von Augenzeugen und Bloggern, die Informationen über ein Ereignis von überwältigendem öffentlichen Interesse liefern, sind ein Justizskandal, der wohl über Deutschland hinaus für Empörung sorgen wird. Hier wurden weitere Grenzen überschritten. Jeder, der sich um die Freiheit der Berichterstattung sorgt, sollte Justizsenator Dr. Till Steffen (Bündnis 90 /Grüne) schreiben und ihn dazu auffordern, seine außer Kontrolle geratenen Zensoren zur Ordnung zu rufen.
PS 1: Das Video vom Jungfernstieg ist mit simplem Googeln immer noch auf YouTube und auf vielen anderen Internetseiten zu sehen. Jeder, der es sieht, wird zustimmen, dass es sehr diskret ist – ganz anders als etwa das Video, das der mutmaßliche Mörder Mourtala Madou am 23. November 2016 hochgeladen hat. Es zeigt einen Mann, der auf ein Starkstromkabel gefallen ist, Feuer gefangen hat und qualvoll stirbt. Wenn Staatsanwalt Bornemann das sieht, könnte Madou am Ende noch Ärger bekommen. Glück für Madou, dass er das Video dort abgelegt hat, wo es kein Staatsanwalt sehen wird: auf seinem völlig öffentlichen Facebook-Account.
PS 2: Richterin Kütterer-Lang, die den Durchsuchungsbefehl unterzeichnet hat, machte schon 2010 mit einem Urteil Schlagzeilen: Damals stellte sie das Verfahren gegen einen mehrfach vorbestraften Mann ein, der einen 19-jährigen Schüler an einer Ampel mit einer Axt und den Worten „Ich schlag dir den Kopf ab!“ bedroht hatte. Laut Zeitungsbericht sorgte sie sich um die Zukunft des Angeklagten: „Ihr Bundeszentralregister enthält ja so einige Einträge, aber seit 2007 nur zwei. Sie sind auf einem guten Weg.“