Von A. Graham, übersetzt von Lucifex. Das Original The Christian Destruction of the Classical World erschien am 7. August 2018 auf Counter-Currents Publishing.
Catherine Nixey
The Darkening Age: The Christian Destruction of the Classical World
Boston: Houghton Mifflin Harcourt, 2018
Catherine Nixeys The Darkening Age ist eine starke und sehr lesenswerte Darstellung der christlichen Zerstörung der klassischen Antike. Es ist sicherlich nicht ohne Mängel, aber es bietet schonungslose und prägnante Widerlegungen weitverbreiteter Mythen, die die Geschichte des frühen Christentums umgeben.
Es gibt überraschend wenige Bücher zu diesem Thema. Die einzige umfassende Darstellung der Verbrechen des Christentums gegen die heidnische Welt ist Karlheinz Deschners zehnbändige Kriminalgeschichte des Christentums, die nie ins Englische übersetzt worden ist. Der Hauptgrund dafür ist natürlich, daß das Christentum das intellektuelle Leben in Europa mehr als ein Jahrtausend lang beherrschte, und die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Nixey weist darauf hin, daß Oxford bis 1871 von all seinen Studenten verlangte, Mitglieder der Church of England zu sein. Wenige wagten es, das Christentum in solch einer Atmosphäre zu kritisieren.
The Darkening Age ist (soweit ich weiß) das einzige populärgeschichtliche Werk zum Thema der christlichen Gewalt gegen Heiden. Anders als Deschners Werk ist es kein dichter, wissenschaftlicher Band, sondern vielmehr eine Polemik, die für ein allgemeines Publikum geschrieben wurde. Nixeys Prosa ist mutig und lebhaft, und sie gibt nicht vor, unparteiisch zu sein, wie sie in ihrer Einführung klarstellt:
Dies ist ein Buch über die christliche Zerstörung der klassischen Welt. Der christliche Angriff war nicht der einzige – Feuer, Flut, Invasion und die Zeit selbst spielen alle ihre Rolle -, aber dieses Buch konzentriert sich speziell auf den Angriff des Christentums. Dies soll nicht heißen, daß die Kirche nicht auch Dinge bewahrte: das tat sie. Aber die Geschichte der guten Werke des Christentums ist wieder und wieder erzählt worden; solche Bücher wuchern in Bibliotheken und Buchhandlungen. Die Geschichte und die Leiden derjenigen, die das Christentum besiegte, sind nicht erzählt worden. Dieses Buch konzentriert sich auf sie.
Nixey anerkennt, daß die katholische Kirche tatsächlich klassische Manuskripte und Kunstwerke bewahrte. Sie lobt „das Christentum der alten klösterlichen Bibliotheken, der Schönheit illuminierter Manuskripte, des Ehrwürdigen Bede.“ Jedoch wurde, wie sie hervorhebt, viel mehr zerstört, als bewahrt wurde. Daß die Kirche einen Bruchteil des Gesamtbestandes klassischer Manuskripte und Kunstwerke bewahrte, ändert nicht die Tatsache, daß der Triumph des Christentums zum großen Teil durch die Vernichtung des Heidentums möglich gemacht wurde.
Christlichen Mönchen wird oft das Verdienst zugeschrieben, klassische Texte bewahrt zu haben. Weniger oft anerkannt ist, daß Mönche selbst ebenfalls Mittäter bei der Zerstörung der klassischen Antike waren. Dazu gehörte der heilige Benedikt, der berühmte Gründer des Benediktinerordens. Bei der Ankunft in Monte Cassino, wo er sein erstes Kloster gründete, war seine erste Tat die Zerstörung einer Statue des Apollo zusammen mit einem ihm gewidmeten Altar, worauf er eine Kapelle baute, die Johannes dem Täufer gewidmet war. Er ging weiter und „riß die Idole nieder und zerstörte die Haine auf dem Berg… bis er den letzten Rest des Heidentums in jener Gegend mit der Wurzel ausgerissen hatte.“
Der heilige Martin von Tours, ein Mönch und Bischof, dem das älteste Kloster in Europa gewidmet ist, zerstörte heidnische Schreine und Statuen im gesamten ländlichen Raum Galliens. Eine Zeile im Leben des Heiligen Martin lautet: „Er zerstörte völlig die Tempel, die der falschen Religion gehörten, und verwandelte all die Altäre und Statuen in Staub.“ Übertreibungen sind in Hagiographien natürlich reichlich vorhanden, aber es ist vielsagend, daß die Hagiographen sowohl von Benedikt als auch von Martin Tempelzerstörung als lobenswert ansahen und von ihren Eskapaden schwärmten.
Banden christlicher Mönche waren für ähnliches Wüten in Syrien bekannt. Das Buch beginnt mit einer Beschreibung (die mit etwas dichterischer Freiheit gezeichnet ist) des Sturzes von Palmyra 385 n. Chr. Der Altar des Tempels von Al-Lat (einer nahöstlichen Göttin, die mit Athene assoziiert wird) wurde zerstört, und die Statue von Allat-Athena wurde enthauptet, und ihre Arme und Nase wurden abgeschlagen. Nahezu zweitausend Jahre später vollendete ISIS, was ihre monotheistischen Vorgänger begonnen hatten, indem sie Tempel und Statuen in Palmyra zerstörten, einschließlich dessen, was von der Statue Athenas übrig war.
Der griechische Redner Libanius beschrieb die Zerstörung der Tempel in Syrien: „Diese Leute beeilen sich, die Tempel mit Stöcken und Steinen und Eisenstangen anzugreifen, und in manchen Fällen diese verschmähend mit Händen und Füßen. Dann folgt die völlige Zerstörung mit der Abdeckung von Dächern, dem Einreißen von Mauern, dem Niederreißen von Statuen und dem Umstürzen von Altären, und die Priester müssen entweder still sein oder sterben…“
Somit war die Zerstörung von Tempeln und Kunstwerken nicht die Domäne einsamer Wölfe und isolierter Verrückter. Sie wurde von christlichen Mönchen, Bischöfen und Theologen inszeniert und unterstützt, von denen manche später heiliggesprochen wurden. Sogar St. Augustinus erklärte einmal, „daß die Vernichtung allen Aberglaubens von Heiden das ist, was Gott will, was Gott befiehlt, was Gott verkündet!“ Johannes Chrysostomos erfreute sich am Niedergang des Heidentums: „Die Tradition der Vorväter ist zerstört worden, der tief verwurzelte Brauch ist ausgerissen worden, die Tyrannei der Freude und der verfluchten Feste… sind wie Rauch ausgelöscht worden.“ Er freute sich hämisch, daß die Schriften „der Griechen alle vernichtet worden sind und ausgelöscht sind.“ „Wo ist Plato? Nirgendwo! Wo ist Paulus? In aller Munde!“
Chrysostomos ermutigte andere Christen dazu, die Häuser von Menschen zu durchsuchen und darin nach jeglichem Anzeichen von Häresie zu stöbern. Diese Taktik wurde auch von Schenute übernommen, einem ägyptischen Mönch, der nun von der koptischen Kirche als Heiliger betrachtet wird. Schenute und seine Schlägerbanden pflegten in Häuser von Menschen einzubrechen, die verdächtigt wurden, Heiden zu sein, und „heidnische“ Statuen und Literatur zu zerstören. Nach seinen Worten „gibt es kein Verbrechen für diejenigen, die Christus haben.“ Ein syrischer Bischof des fünften Jahrhunderts riet Christen, „Bücher der Ketzer… an jedem Ort zu suchen, und wo immer ihr könnt, bringt sie uns entweder, oder verbrennt sie im Feuer.“
Eines der größten Verbrechen, die von einem Amtsträger der Kirche angestiftet wurden, war die Zerstörung des Serapeums 392 n. Chr. Das Serapeum wurde von Ptolemäus III. im dritten vorchristlichen Jahrhundert erbaut und Serapis gewidmet, einer griechisch-ägyptischen Gottheit, die Osiris und Apis kombinierte. Es soll einer der größten und großartigsten Tempel der antiken Welt gewesen sein. Es beherbergte Tausende Schriftrollen, die zu einer Nebensammlung der Großen Bibliothek von Alexandria gehörten und alles waren, was von der Bibliothek nach deren Zerstörung blieb. Im Zentrum des Tempels war eine große Statue von Serapis, die mit Elfenbein und Gold belegt war. Der heidnische Historiker Ammianus Marcellinus schrieb, daß die Pracht des Tempels solcherart war, daß „bloße Worte ihr nicht gerecht werden können.“
Die Darstellungen der Ereignisse um die Zerstörung des Serapeums weichen voneinander ab, aber man denkt, daß sie begonnen hatte, als Theophilus, Bischof von Alexandria, und seine Anhänger in spöttischer Weise heidnische Artefakte in der Öffentlichkeit vorführten, womit sie heidnische Angriffe provozierten. Die Christen unternahmen einen Gegenangriff, und die Heiden nahmen im Serapeum Zuflucht. Kaiser Theodosius, der im Jahr 391 eine Anordnung erlassen hatte, die alle Tempel schloß und heidnische Gottesdienste verbot, schickte einen Brief an Theophilus, in dem er die Heiden begnadigte und ihn anwies, den Tempel zu zerstören.
Die Zerstörung des Serapeums wurde von christlichen Chronisten gefeiert. „Und das war das Ende des eitlen Aberglaubens und alten Irrtums von Serapis“, schloß einer. Serapis wurde als „altersschwacher, dementer Greis“ beschrieben.
Man denkt, daß Christen etwa zweieinhalbtausend Schreine, Tempel und religiöse Stätten in ganz Alexandria zerstört haben (eine Fußnote erläutert, daß diese Zahl aus einem Register der fünf Bezirke der Stadt aus dem vierten Jahrhundert stammt). Ein griechischer Professoer schrieb: „Die Toten ließen früher die Stadt lebendig zurück, aber wir Lebenden tragen nun die Stadt zu Grabe.“
Etwa zwanzig Jahre später, 415 n. Chr., wurde die berühmte Philosophin, Mathematikerin und Astronomin Hypatia von Alexandria von einem christlichen Mob ermordet. Dies war der Höhepunkt einer Kette von Ereignissen, die aus dem Zusammenstoß zwischen Orestes, dem kaiserlichen Präfekten von Alexandria, und Kyrill, dem Erzbischof von Alexandria, wegen der großen jüdischen Population der Stadt entstanden waren. Hypatia war eine Freundin von Orestes, und Christen gingen auf sie als Sündenbock für Orestes‘ Unwilligkeit zu Verhandlungen mit Kyrill los. Eines Tages im März wurde sie von einem Mob von Christen angegriffen, die sie zu einer nahegelegenen Kirche zerrten, nackt auszogen und mit Keramikscherben erstachen. Ihr Körper wurde zerstückelt und verbrannt.
Es ist wahr, daß der Konflikt, der zu Hypatias Tod führte, letztendlich ein politischer war und daß ihre Ermordung kein spontaner Akt war, der allein von christlichem Hass auf das Heidentum motiviert war. Aber der Mord an Hypatia zeigt, daß Christen ungeachtet ihrer genauen Motive keine Skrupel hatten, eine der größten Denkerinnen Alexandrias brutal zu ermorden. Hypatias Tod wurde sogar von späteren christlichen Chronisten wie Johannes von Nikiu gefeiert, der ihre Lehren mit „satanischen Listen“ gleichsetzte und Cyril für die Ausradierung der Götzenverehrung lobte.
Nixey spielt die Tatsache herunter, daß beide Parteien im Laufe dieser Ereignisse Gewalt übten. Andererseits war ihre erklärte Absicht die Dokumentation christlicher Gewalt allein, und somit kann man ihr ihre Einseitigkeit nicht vorwerfen. Außerdem: während es stimmt, daß heidnische Mobs sporadische Gewaltakte gegen Christen verübten, können diese nicht in gerechter Weise mit der christlichen Gewalt verglichen werden. Zu letzterer gehörte die Zerstörung von Kulturerbe (Statuen, Schreine, Tempel, Bibliotheken), wohingegen erstere als Reaktion auf die zivilisatorische Bedrohung entstand, die das Christentum darstellte.
Die Vernichtung des Heidentums fand auch innerhalb von Klostermauern statt. Mönche pflegten die Texte klassischer Manuskripte mit kirchlicher Literatur zu überschreiben und radierten sie aus, indem sie ihre Oberflächen mit Bimsstein abrieben. Ciceros De re publica wurde von Augustinus überschrieben. Eine Biographie von Seneca wurde mit dem Alten Testament überschrieben. Archimedes Methode mechanischer Theoreme wurde mit einem Gebetbuch überschrieben. Erst seit kurzem waren Wissenschaftler mit Hilfe moderner bildgebender Technologien in der Lage, den Palimpsest des Archimedes in seiner Gänze wiederherzustellen.
Basilius‘ von Caesareas einflußreiche „Rede an junge Männer über griechische Literatur“ hatte zweifellos eine Wirkung darauf, welche Texte bewahrt wurden und welche nicht. Im dem Essay erläuterte Basilius (St. Basilius „der Große“), welche Werke der klassischen Literatur in seinen Augen akzeptabel waren. Er riet Christen, die derberen und brutaleren Werke der klassischen Literatur zu meiden, sowie jene Werke, in denen griechisch-römische Gottheiten übermäßig gepriesen wurden. Viele Werke wurden als Ergebnis einfach aus dem Kanon entfernt. Was Werke der Philosophie betrifft, so hatten Mönche wenig Interesse daran, die Schriften von Philosophen abzuschreiben, die gegen das Christentum waren, außer in der ausdrücklichen Absicht, sie zu widerlegen (wie es Origenes in seinem Contra Celsum tat).
Der Niedergang der klassischen Literatur war somit „langsam, aber verheerend.“ Man schätzt, daß weniger als zehn Prozent der klassischen Literatur bis in die Neuzeit überlebt haben. Spezifisch hinsichtlich der lateinischen Literatur schätzt man, daß nur ein Prozent überlebt hat. Das Interesse an klassischen Autoren erreichte während der ersten paar Jahrhunderte des frühen Mittelalters einen Tiefpunkt und wurde erst im späten achten Jahrhundert wiederbelebt. Nixey schreibt:
Vom gesamten sechsten Jahrhundert überleben nur „Fetzen“ zweier Manuskripte des satirischen römischen Dichters Juvenal und bloße „Überreste“ zweier anderer, eines von Plinius dem Älteren und eines von Plinius dem Jüngeren. Aus dem nächsten Jahrhundert überlebt nichts außer einem einzigen Fragment des Dichtes Lukan. Vom Beginn des nächsten Jahrhunderts: gar nichts.
Die katholische Kirche assimilierte aber doch Elemente der klassischen Philosophie. Der Neoplatonismus zum Beispiel beeinflußte eine Anzahl christlicher Philosophen, von Augustinus, Origenes und Pseudo-Dionysius Areopagita bis zu späteren Gestalten wie Marsilio Ficino und Ralph Cudworth. Sie repräsentieren das Christentum in seiner besten, d. h., seiner am meisten hellenisierten Form. Aber wenn man den heidnischen Anstrich von der Kirche entfernt und zum Kern der christlichen Lehren vorstößt (für den die frühen Christen die besten Vertreter sind), dann findet man heraus, daß die allgemeine Einstellung zur klassischen Gelehrsamkeit und zu Wissen im Allgemeinen feindselig ist. Ein Autor lästerte gegen diejenigen, die „das heilige Wort Gottes beiseitelegen und sich der Geometrie widmen… Manche von ihnen wenden all ihre Energien für das Studium der euklidischen Geometrie auf und behandeln Aristoteles… mit Ehrfurcht; für manche von ihnen ist Galen beinahe ein Objekt der Verehrung.“ Diese Verdammung weltlichen Wissens war unter frühen Christen üblich. Sie ist in der Bibel integriert, beginnend mit Adam und Eva und der Geschichte des Turms zu Babel. Dieses Thema zieht sich durch die gesamte Schrift. Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Korinther „Die Weisheit diesr Welt ist Torheit vor Gott“ (1 Korinther 3:19). Eine weitere Passage in diesem Brief ist besonders illustrativ für die christliche Mißachtung des Wissens sowie für die Sklavenmoral, die dem Christentum eigen ist:
…Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten (1. Korinther 1:26-28)
Celsus bemerkte, daß „Sklaven, Frauen und kleine Kinder“ und „die Törichten, Ehrlosen und Dummen“ für die christliche Botschaft am empfänglichsten waren, was im Lichte der Verachtung der Christen für das Weise, das Starke und das Ehrenhafte nicht überrascht.
Bücherverbrennungen waren nicht unüblich. Die Werke des neoplatonischen Philosophen Porphyrios zum Beispiel wurden auf Befehl Konstantins verbrannt; etwa ein Jahrhundert später übergaben Theodosius II und Valentinian III seine Werke ebenfalls den Flammen. Ammianus Marcellinus schreibt:
…unzählige Bücher und ganze Haufen von Dokumenten, die aus verschiedenen Häusern aufgestöbert worden waren, wurden aufgehäuft und unter den Augen der Richter verbrannt. Sie wurden als verbotene Texte behandeln, um die durch die Verbrennungen verursachte Empörung zu beschwichtigen, obwohl die meisten davon Abhandlungen über verschiedene Geisteswissenschaften und Rechtslehre waren.
Tatsächlich wurden, obwohl Christen vorgeblich nur Bücher über Magie, Wahrsagerei und christliche Häresien verbrannten, manchmal Werke der Philosophie mit dieser Kategorie zusammengefaßt. Dirk Rohmann schreibt:
Außerdem wurden, während es antike Präzedenzfälle gegeben haben mag, die darauf hindeuten, daß bestimmte Philosophen als Magier charakterisiert wurden, Magie und Häresie in der Spätantike deutlicher mit diesen philosophischen Traditionen in Verbindung gebracht. … Häretiker wurden somit nicht nur als nichtkonformistische Christen verstanden, sondern gelegentlich konnten jene Heiden, deren Meinungen den christlich-häretischen Diskurs inspirierten, in der Spätantike ebenfalls als Häretiker bezeichnet werden, im Gegensatz zum modernen Verständnis des Begriffes, daß Häresie auf Christen beschränkt ist. Zusammen mit kaiserlichen und kirchlichen Gesetzen, die magische, häretische und astrologische Texte verboten, habe ich argumentiert, daß innerhalb christlicher Gemeinschaften ein Widerwille nicht nur gegen die Bewahrung von Texten zu diesen Themen entstand, sondern auch von Texten, die mit diesem Genre in Bezug standen oder als die Grundlage für astrologische oder häretische Weltsichten betrachtet wurden.[1]
Ein gängiger Glaube unter frühen Christen war, daß heidnische Werke der Kunst, Literatur, Philosophie und so weiter dämonisch seien. Sie glaubten an die buchstäbliche Existenz von Dämonen, geflügelten Lakaien Satans, die Menschen zur Begehung von Sünden verlockten. Heidnische Tempel hielt man für Zentren dämonischer Aktivität. Laut Augustinus: „standen alle Heiden unter der Macht von Dämonen. Tempel wurden für Dämonen erbaut, Altäre wurden für Dämonen errichtet, Opfer wurden Dämonen dargebracht, und ekstatisch Tobende wurden als Propheten für Dämonen herbeigeholt.“
Dies ließ eine große Paranoia entstehen. Christen sorgten sich zum Beispiel darum, ob die Benutzung derselben Bäder wie Heiden sie mit Dämonen infizieren würde. Ein Christ schrieb an Augustinus, um ihn zu fragen, ob es für Christen in dem Fall, daß sie am Verhungern wäre und es keine andere Option gäbe, in Ordnung sei, Nahrung zu essen, die sie in einem heidnischen Tempel gefunden hatten. (Augustinus antwortete, daß es besser sei, zu verhungern.) Das Heidentum wurde so beschrieben, als wäre es eine Krankheit. Es war also natürlich, daß Christen es auslöschen wollen würden.
Christen glaubten, daß heidnische Statuen von Dämonen besessen seien und nur von dämonischem Einfluß gereinigt werden konnten, wenn sie in irgendeiner Form beschädigt wurden (mindestens durch Abschlagen der Nase oder von Gliedmaßen). Sie umherzuschleifen, zu bespucken oder mit Dreck zu bewerfen wurde für ungenügend gehalten. Die christliche Verstümmelung antiker Statuen ist heute in den Museen zu sehen. Nixey schreibt:
In Athen ist eine überlebensgroße Statue der Aphrodite durch ein grobes Kreuz entstellt worden, das man in ihre Stirn geschnitten hatte; ihre Augen sind entstellt worden, und ihre Nase fehlt [Anm. d. Ü.: siehe das Titelbild ihres Buches]. In Kyrene sind einer lebensgroßen Büste in einem Heiligtum der Demeter die Augen ausgestochen und die Nase entfernt worden; in der Toskana ist eine schlanke Statue des Bacchus enthauptet worden. … Eine schöne Statue des Apollo aus Salamis ist kastriert worden, und dann hat man ihr hart ins Gesicht geschlagen und die Nase des Gottes abgeschert. Quer über seinem Hals sind Schrammen, die darauf hindeuten, daß Christen ihn zu enthaupten versuchten, aber daran gescheitert waren.
Es ist auch wahrscheinlich, daß etwas von dem Schaden, den der Parthenon erlitten hatte, besonders der Ostgiebel (der die Geburt der Athene darstellt), Christen zugeschrieben werden kann. Bilder von Göttern im Tempelkomplex von Dendera weisen ebenfalls Anzeichen dafür auf, daß sie mit stumpfen Waffen angegrgiffen worden waren.
Der von den meisten Christen gehegte Glaube, daß das Heidentum dämonisch und krank sei, hinderte sie daran, ihre heidnischen Nachbarn friedlich zu tolerieren. Konstantins berühmtes Mailänder Edikt, das 313 n. Chr. erlassen wurde, stellte nominell Religionsfreiheit im gesamten Reich her, aber die Verfolgung von Heiden begann bald nach dem Erlaß des Edikts. Konstantins Biograph pries ihn dafür, daß er „den abergläubischen Irrtum der Heiden auf alle möglichen Arten widerlegt“ habe. In der Tat befahl Konstantin während der zweiten Hälfte seiner Herrschaft selbst die Plünderung und Zerstörung heidnischer Tempel, wie des Tempels des Asklepios in Kilikien und eines Tempels der Aphrodite im Libanon. Er befahl auch die Hinrichtung heidnischer Priester. Statuen wurden auch zwangsweise aus Tempeln entfernt und eingeschmolzen, was zum wachsenden Reichtum der Kirche beitrug. Andere wurden gestohlen und in den Häusern reicher Christen aufbewahrt. Der Dichter Palladas bemerkte über diese, daß „sie wenigstens hier dem Kessel entgehen werden, der sie für Kleingeld einschmilzt.“
Konstantins Sohn verbot Opferungen im Jahr 341 und verkündete, daß „der Aberglaube enden soll.“ Im Jahr 356 wurde die Verehrung heidnischer Bildnisse zu einem Kapitalverbrechen. Nach der kurzen Herrschaft von Julian Apostata (dem „Abtrünnigen“, 361 – 353) wurde Rom bis zum Ende von christlichen Kaisern regiert. Auf Julian folgte Jovian, der die Zerstörung der Königlichen Bibliothek von Antiochia befahl und die Todesstrafe für diejenigen wieder einführte, die heidnische Götter verehrten. Das nicänische Christentum wurde während der Herrschaft von Theodosius I. im Jahr 380 zur offiziellen Religion des Imperiums erklärt. Von 389 bis 392 erließ Theodosius eine Reihe von Dekreten, die heidnische Opferungen und andere Rituale verboten, heidnische Tempel schlossen und heidnische Feiertage abschafften. Er erklärte: „Niemandem soll das Recht gewährt werden, Opfer darzubringen; niemand soll um die Tempel gehen; niemand soll die Schreine verehrten.“ Er löste auch die vestalischen Jungfrauen auf und schaffte die olympischen Spiele ab. Im Jahr 399 erließ er ein Dekret, das die Zerstörung von Tempeln autorisierte und verkündete: „Falls es irgendwelche Tempel in den Landbezirken geben sollte, sollen sie ohne Unruhe oder Tumult abgerissen werden. Denn wenn sie abgerissen und entfernt sind, wird die materielle Grundlage allen Aberglaubens zerstört sein.“
Der Fall der Entfernung des Altars der Viktoria im Jahr 382 ist illustrativ für die Einseitigkeit der „Toleranz“, die vorgeblich allen Untertanen des Imperiums gewährt wurde. Christen erhoben Einwände gegen die Anwesenheit des Altars der Viktoria im römischen Senatsgebäude, und der christliche Kaiser Gratian ließ ihn entfernen. Der Senator Symmachus richtete eine Petition an Valentinian II., in der er um die Wiederherstellung des Altars ersuchte und an die religiöse Toleranz appellierte, aber er wurde abgewiesen.
Im Jahr 399 verfügte Theodosius‘ Sohn Arcadius, daß alle verbliebenen heidnischen Tempel abgerissen werden sollten. Im Jahr 408 erließ sein Bruder und Mitkaiser Honorius ein Dekret, das verkündete: „Falls irgendwelche Bildnisse jetzt noch in den Tempeln und Schreinen stehen, sollen sie von ihren Sockeln gerissen werden. … Die Tempelgebäude selbst, die in Städten oder Ortschaften oder außerhalb der Ortschaften liegen, sollen für die öffentliche Nutzung in Anspruch genommen werden. Altäre sollen an allen Orten zerstört werden.“
Nixey betont, daß dies keine leeren Dekrete waren. Christliche Aufzeichnungen bezeugen dies selbst. Marcellus, Bischof von Apamea, wurde als „der erste Bischof, der das Edikt umsetzte und die Schreine in der Stadt zerstörte, die ihm überantwortet waren“ bezeichnet. (Er wurde später von Heiden als Vergeltung lebendig verbrannt.) Ein christlicher Autor jubelte, daß Kaiser „toten Idolen ins Gesicht spucken, auf den gesetzlosen Riten von Dämonen herumtrampeln und über die alten Lügen lachen.“ Ein anderer äußerte sich schadenfroh: „Eure Statuen, eure Büsten, die Instrumente eures Kultes sind alle gestürzt worden – sie liegen am Boden, und jeder lacht über eure Täuschungen.“
Man schätzt, daß im Jahr 312 etwa sieben bis zehn Prozent des römischen Impiriums christlich waren (vier bis sechs Millionen aus einer Bevölkerung von etwa sechzig Millionen). Innerhalb eines Jahrhunderts war das Gegenteil zustande gekommen, und zwischen siebzig und neunzig Prozent des Imperiums waren christlich. Die meisten Bekehrungen geschahen aus Einschüchterung und wurden durch die Zerstörung von Tempeln und heiliger Gegenstände veranlaßt. Libanius, der im Jahr 346 aus dem Reich verbannt wurde, bemerkte am Ende des vierten Jahrhunderts, daß Tempel „in Ruinen lagen, ihr Ritual verboten war, ihre Altäre umgestürzt, ihre Opferungen unterdrückt, ihre Priester davongejagt und ihr Eigentum unter einer Bande von Halunken aufgeteilt.“
Während die christliche Zerstörung des klassischen Erbes üblicherweise heruntergespielt oder übersehen wird, haben Geschichten von christlichen Märtyrern in der Spätantike in der allgemeinen Vorstellung tiefe Verwurzelung gefunden. Märtyrer wurden von der Kirche verehrt, und ihre Geschichten wurden erzählt und wieder erzählt, oft übertrieben und aus dem Zusammenhang gerissen. Daher gibt es einige anhaltende Fehlvorstellungen um das christliche Märtyrertum im alten Rom.
Die Vorstellung, daß Christen von einer fortlaufenden Abfolge blutdürstiger römischer Kaiser massenhaft gefoltert und hingerichtet wurden, ist falsch. Während der ersten zweieinhalb Jahrhunderte nach der Geburt Christi war der einzige Fall kaiserlicher Christenverfolgung Neros kurze Verfolgung im Jahr 64. Im Laufe dreier Jahrhunderte römischer Herrschaft gab es weniger als fünfzehn Jahre regierungsgeführter Verfolgung von Christen. Wichtig ist, wie Nixey anmerkt, daß die Römer nicht versuchten, das Christentum selbst auszulöschen. Wenn Rom das volle Gewicht seiner imperialen Macht auf das Stoppen der Ausbreitung des Christentums in dessen frühesten Tagen gerichtet hätte, wäre ihm das gelungen.
Nach Nero begann die kaiserliche Verfolgung von Christen erst nahezu zwei Jahrhunderte später, während der Herrschaft von Decius. Die Decische Verfolgung begann 250 n. Chr., nachdem Decius verfügte, daß alle Römer ihm und den römischen Göttern Opfer darzubringen hatten. Sein Edikt zielte nicht spezifisch auf Christen ab; seine Absicht war, das Imperium zu einigen und die Loyalität seiner Untertanen sicherzustellen. Auf die Nichtbefolgung des Erlasses stand die Todesstrafe, aber Christen gab man die Möglichkeit, vom Glauben abzufallen. Das Edikt bestand nur ein Jahr. Darauf folgte bald die Valerianische Verfolgung, die in ihrer Wirkung ähnlich war und von 257 bis 260 dauerte.
Die schwerste kaiserliche Verfolgung von Christen war die „Große Verfolgung“ unter Kaiser Diokletian, die von 303 bis 313 dauerte. Hunderte Christen wurden getötet, gefoltert oder eingesperrt. Jedoch konnte die Mehrheit der Christen im Reich der Bestrafung entgehen, entweder durch Glaubensabfall, Bestechung oder Flucht aus dem Reich. Diokletians Anstrengungen waren insgesamt unwirksam.
Nixey widmet ein Kapitel der Analyse des Schriftverkehrs zwischen Plinius dem Jüngeren, dem Gouverneur von Bithynien, und Kaiser Trajan zum Thema der Christen im Reich. 112 n. Chr. schrieb Plinius an Trajan und ersuchte um Rat darüber, wie er mit örtlichen Christen umgehen solle, die den Frieden störten. Dieser Brief (Epistulae X.96) ist die erste aufgezeichnete Erwähnung von Christen durch einen römischen Autor und bietet viel Einsicht darin, wie frühe Christen von den Römern wahrgenommen wurden. Plinius sah sie als lästigen Kult, der die Reichseinheit untergrub und Unordnung provozierte. Seine „Verfolgung“ der Christen war nicht aus fanatischem Hass geboren, sondern aus Pragmatismus. Er hatte nichts aus religiösen Gründen gegen sie und bezeichnet sie nie als böse, von Dämonen besessen und so weiter. Trajans Antwort an Plinius besagt, daß die Christen bestraft werden sollten. Aber er fügt auch eine wichtige Klausel hinzu: „Diese Leute dürfen nicht davongejagt werden“ (conquierendi non sunt).
Plinius sah somit die Hinrichtung als letztes Mittel. Er gab widerspenstigen Christen mehrere Gelegenheiten, sich dem Gesetz zu fügen. Es gibt einen Bericht über ein junges christliches Mädchen, das sich freiwillig dem römischen Gouverneur Dacian darbot in der Hoffnung, zur Märtyrerin gemacht zu werden. Er wollte sie nicht töten und beschwor sie, sich zu fügen: „Denke an die großen Freuden, von denen du dich abschneidest… Die Familie, die du [ihres Kindes] beraubst, folgt dir unter Tränen.“
Die Verherrlichung des Märtyrertums bedeutete, daß viele Christen begeistert darüber waren, zu Märtyrern gemacht zu werden. Als der Gouverneur Arrius Antoninus im späten zweiten Jahrhundert einige Christen in seiner Provinz hinrichtete, strömten örtliche Christen zu ihm und verlangten, auf ähnliche Weise getötet zu werden. Dies veranlaßte ihn zu der Bemerkung: „Oh, ihr entsetzlichen Leute. Wenn ihr sterben wollt, habt ihr Klippen zum Herunterspringen und Schlingen, um euch damit zu erhängen.“
Es sagt etwas über das Christentum aus, daß seine größten Helden nicht dijenigen sind, die große Dinge vollbrachten, sondern vielmehr diejenigen, die man leiden lassen hatte. Es erinnert einen an Julius Evolas Beschreibung des christlichen Asketentums als „eine Art von Masochismus, eines Geschmacks am Leiden, der nicht völlig unvermischt ist mit einem schlecht verhüllten Groll gegen alle Formen von Gesundheit, Stärke, Weisheit und Männlichkeit.“[2] Es zeugt auch für den inhärenten Egalitarismus des Christentums; George Bernard Shaw definierte das Märtyrertum einmal als „die einzige Möglichkeit für einen Mann ohne Fähigkeiten, berühmt zu werden.“
Die lebensverneinende Natur des Christentums manifestierte sich auch in der christlichen Einstellung zu alltäglichen römischen Arten des Zeitvertreibs. Christen waren abgestoßen von der freimütigen Einstellung der Römer gegenüber der Sexualität und suchten erotische Kunst und Literatur zu unterdrücken. Sie verurteilten Lustberkeitsfeste, und ein Dekret, das „gesellige Bankette zu Ehren frevelhafter Riten“ verbot, wurde 407 erlassen. Das Ringen wurde als „des Teufels Gewerbe“ bezeichnet. Christen schimpften auch über Badehäuser, die als Stadtplätze funktionierten und von denen sie dachten, sie seien mit Dämonen verseucht. Statuen römischer Gottheiten, die in Badehäusern standen, wurden oft zerstört.
Es ist ironisch, daß frühchristliche Mönche in ihren Streben, sich von der materiellen Welt zu trennen, in krankhaftem Ausmaß eine Fixierung auf irdische Sünden entwickelten. Mönche verbrachten ihre Tage damit, über ihre Sünden nachzudenken und sich selbst zu tadeln. Frühchristliche Beschreibungen von Dämonen und den Sünden, zu denen sie anstiften, sind akribisch und ausführlich. Darstellungen von Märtyrertum verweilen oft bei den grausigen Prozeduren, mit denen Christen angeblich getötet wurden, und bekunden eine beinahe masochistische Beschäftigung mit Folter.
Nixey weist zu Recht darauf hin, daß die Römer nicht niedrige Zügellosigkeit und Verkommenheit feierten, wie manchmal angenommen wird. Die Römer schätzten Sittsamkeit (pudicitia oder pudor) und Selbstdisziplin (gravitas). Es gab gesetzliche Einschränkungen der Sexualität, und auf Hypersexualität wurde herabgeschaut, genauso wie auf Unmännlichkeit. Anders als Christen nahmen die Römer jedoch die Sexualität als natürlichen Teil des Lebens an und suchten sie nicht zu unterdrücken.
Nixey unterläßt es jedoch, eine ähnliche Klarstellung zum Thema der religiösen Toleranz anzubringen. Ihre Beschreibung der römischen Zivilisation als „grundsätzlich liberal“ ist in dieser Hinsicht irreführend. Die Römer waren tolerant gegenüber anderen, sofern diese den römischen Göttern und dem Kaiser opferten; das Imperium setzte Orthopraxie statt Orthodoxie durch. Daher brachten gebildete römische Eliten, trotzdem viele Ungläubige waren, dennoch den Göttern Opfer dar und hielten an traditionellen römischen Bräuchen fest (mos maiorum).
Der römische Polytheismus war pluralistisch in dem Sinn, daß ein Mann, sagen wir, sowohl Jupiter als auch Isis oder Mithras verehren konnte. Importierte Kulte aus Ägypten und dem Osten wurden im ersten Jahrhundert in Rom eingeführt und wurden allmählich ein Teil der römischen Religion (obwohl sie nie den Status traditioneller römischer Gottheiten erwarben). Jedoch erlegte die Regierung Kulten, die als Bedrohung für die imperiale Einheit wahrgenommen werden, doch Einschränkungen auf. 186 v. Chr. zum Beispiel verbot der Senat die Bacchanalien (einen Mysterienkult mit Wurzeln in den dionysischen Mysterien) mit der Begründung, daß die Heimlichkeit des Kultes Verschwörung und politische Subersion züchten könnte.
Natürlich war es nicht der Zweck des Verbots der Bacchanalien, den Kult auszulöschen, sondern ihn zu regulieren und die Vorrangstellung der römischen Religion sicherzustellen. Das Verbot stellte die Eingeweihten bloß unter die Beobachtung durch die Konsuln und schrieb vor, daß die bacchanalischen Riten die Genehmigung des Senates für die Durchführung brauchten. Dies ist weit von der christlichen Einstellung gegenüber Heiden entfernt, die eine der durchgeknallten Feindseligkeit war, die auf die totale Auslöschung des Heidentums aus war. Hierein liegt einer der wesentlichen Unterschiede zwischen dem Heidentum und dem biblischen Monotheismus.
Tatsächlich wurde die Auslöschung des Heidentums von Christen gefeiert. Isidor von Pelusium verkündete im frühen fünften Jahrhundert triumphierend: „der heidnische Glaube … [war] von der Erde verschwunden.“[3] Im Jahr 423 verordnete Theodosius, daß „die Vorschriften zuvor veröffentlichter Statute alle Heiden unterdrücken sollen, obwohl wir nun glauben, daß es keine gibt“[Hervorhebung von mir (d.h., A. Graham)].[4] Um die Zeit der Ermordung von Hypatia im Jahr 415 lag das klassische Heidentum im Sterben.
Bis zu Justinians Thronbesteigung im Jahr 527 hatte die Zerstörung des Heidentums bereits mehr oder weniger stattgefunden. Heiden gab es immer noch, aber der größte Schaden war bereits angerichtet worden. Nixey überdramatisiert Justinians Schließung der neoplatonischen Akademie im Jahr 529, die großteils eine Sache der Beendigung der öffentlichen Finanzierung der Institution war (sie schreibt dies als „ein oder zwei pingelige Details über die Bezahlung“ ab). Die neoplatonische Akademie konnte keine „goldene Kette“ bis zurück zu Plato vorweisen, da sie keine direkten Verbindungen zur ursprünglichen platonischen Akademie hatte (die zerstört wurde, als Sulla Athen 86 v. Chr. brandschatzte). Die Schließung der Akademie stürzte Europa nicht in das Dunkle Zeitalter, wie sie behauptet. Die „sieben letzten Philosophen“ flohen tatsächlich aus Athen und suchten Zuflucht am Hof des persischen Großkönigs Chosrau I., aber sie kehrten kurz darauf nach Athen zurück. Bei ihrer Rückkehr gewährte Justinian ihnen das Aufenthaltsrecht im Reich und erlaubte ihnen, Philosophie privat zu praktizieren und zu lehren. Der Philosophieunterricht ging in Athen etwa fünfzig Jahre lang weiter, bis Athen im Jahr 582 von den Slawen geplündert wurde.[5] Dies soll nicht heißen, daß Justinian unschuldig war; er verbot das Heidentum, richtete Heiden hin und inszenierte im gesamten Reich Bücherverbrennungen.
Nixeys Unterstellung lautet, daß das Dunkle Zeitalter das gesamte Mittelalter überspannte. Sie geht nicht näher darauf ein, aber einer ihrer Haupteinflüsse ist Edward Gibbon, dessen Sicht auf das Mittelalter notorisch düster war. Jüngere Forschungsarbeiten über das Mittelalter haben diesen Tropus in Frage gestellt. Die ersten paar Jahrhunderte des frühen Mittelalters waren von kulturellem und wirtschaftlichem Niedergang charakterisiert, aber das Mittelalter als Ganzes sah viele große Leistungen. Drei kulturelle Wiedergeburten fanden während des Mittelalters statt: die karolingische Renaissance im achten und neunten Jahrhundert, die ottonische Renaissance im zehnten Jahrhundert und die Renaissance des zwölften Jahrhunderts. Diese Perioden sahen ein erneuertes Interesse an der griechischen und römischen Philosophie, Literatur, Wissenschaft und so weiter. Natürlich verdanken die Leistungen, die während des Mittelalters stattfanden, nichts dem Christentum und alles den Europäern selbst. Trotz des Christentums, und nicht wegen ihm, fanden die mittelalterlichen Wiedergeburten statt. Trotz des Christentums war die europäische Zivilisation im Allgemeinen in der Lage, solch große Höhen zu erreichen.
Es gibt das ganze Buch hindurch eine Handvoll schlampiger Fehler. Zum Beispiel ist Nixeys Behauptung, daß die Jahrhunderte nach Konstantin keine satirischen Dichter hervorbrachten, falsch; es gab einige. Sie waren im Allgemeinen nicht begeistert vom Christentum. Die letzte Elegie des Dichters Maximianus aus dem sechsten Jahrhundert, den man für den letzten wahren römischen Dichter hält, diskutiert seinen bevorstehenden Tod und ist als eine Klage über den Niedergang der heidnischen Welt interpretiert worden.
Sogann gibt es einige tiefere Fehler, zusätzlich zu den bereits erwähnten. Sie projiziert Ideale der Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts auf die griechisch-römische Zivilisation, wie es zu ihrer neuatheistischen Fabel paßt. Sie übersieht, daß Philosophie und Mystizismus einander in der antiken Welt nicht ausschlossen. Die Grenze zwischen Philosophie und Theurgie [weiße Magie; d. Ü.], Mystizismus und Magie war unscharf; wie zuvor erwähnt, führte Überantwortung von Texten über Magie und Wahrsagerei an das Feuer dazu, daß auch Werke über Philosophie verbrannt wurden. Die Skepsis war auch auf die Eliten beschränkt; die meisten gewöhnlichen Griechen und Römer glaubten wirklich an die Götter und übernatürlichen Kräfte.
Sie erwähnt nicht, daß die römische Aristokratie sich im Niedergang befand, da dies ihr Lob für deren Atheismus und Kosmopolitismus untergraben würde. Bis zur Zeit von Konstantin hatte die Aristokratie ihren Kriegergeist verloren und war weich und selbstgefällig geworden. Ammianus Marcellinus beklagte, daß „die wenigen Häuser, die ehemals für ihre Hingabe an ernsthafte Aktivitäten berühmt waren, nun voll vom Sport der faulen Trägheit sind.“[6] Dies machte es dem Christentum leichter, die Elite zu infiltrieren. So wie die Elite mehr christianisiert wurde, konvertierten viele aus einem Wunsch nach Aufwärtsmobilität zum Christentum.
Ein weiterer Fehler, der hervorsticht, ist die seltsame Weglassung eines gewissen Stammes. Nixey erwähnt Juden nicht außerhalb des Zusammenhangs mit dem Mord an Hypatia, außer um sie als „die verhassten Feinde der Kirche“ zu bezeichnen, wobei sie Johannes Chrysostomos‘ antijüdische Moralpredigten anführt. Aber die Juden trugen sowohl direkt als auch indirekt zur Zerstörung der klassischen Welt bei. Der fanatische Hass und der Dogmatismus der frühen Christen war direkt von ihren jüdischen Vorgängern ererbt. In Exodus 22:20 heißt es: „Wer irgendeinem Gott opfert außer dem HERRN allein, soll völlig vernichtet werden.“ Juden betätigten sich auch selbst in der Zerstörung heidnischer Statuen, Tempel und Kunstwerke. Während des Diasporaaufstandes zum Beispiel verheerten von Lukuas angeführte jüdische Rebellen die Cyrenaika und zerstörten dabei heidnische Statuen und Tempel ebenso wie römische Amtsgebäude und Badehäuser. Zusätzlich betrieben sie ethnische Säuberungen in der Region, indem sie bis zu zweihundertvierzigtausend ihrer Bewohner brutal ermordeten.[7] Das Gemetzel war solcherart, daß Rom die Bevölkerung durch Gründung neuer Kolonien dort wiederherstellen mußte. Lukuas und die Juden steckten dann Alexandria in Brand, zerstörten ägyptische Tempel und entweihten die Gruft von Pompeius dem Großen. Dies war nur eine von mehreren jüdischen Rebellionen gegen das römische Reich.
Die Parallelen zwischen den jüdischen und den christlichen Verbrechen gegen Heiden sind auffallend. Römische Behörden erkannten das Christentum richtigerweise als eine verkleidete Form des Judaismus. Die Zerstörung von Statuen und dergleichen war in der antiken Welt nicht unbekannt, aber sie fand üblicherweise im Zusammenhang mit imperialer Eroberung und Regimewechsel statt. Die jüdischen und christlichen Verbrechen gegen Heiden andererseits stammten allein aus dem Hass und der Rachsucht, die für den biblischen Monotheismus wesenhaft ist. Sowohl Juden als auch Christen beanspruchten ein Monopol auf die religiöse Wahrheit und erklärten, daß alle „falschen“ Religionen ausgelöscht werden müssen. Man stelle diese semitische Intoleranz Celsus‘ Aussage gegenüber, daß „es eine uralte Doktrin [ἀρχαῖος λόγος] gibt, die von Anfang an existiert hat und immer von den weisesten Nationen und Städten und Menschen bewahrt worden ist.“[8] (Celsus schließt im Folgenden die Juden von den „weisesten Nationen“ aus und bezeichnet den Judaismus als eine Perversion der uralten Weisheit.)
Sowohl die jüdischen als auch die christlichen Angriffe auf das indoeuropäische Heidentum waren im Wesentlichen von Ressentiments befeuerte Sklavenrevolten. In einem sehr buchstäblichen Sinn: Juden im römischen Reich stammten tatsächlich von Sklaven ab, die aus dem Osten importiert worden waren, und die frühesten und eifrigsten Konvertiten des Christentums kamen in gleicher Weise aus den niedrigsten Stufen der Gesellschaft. Das Christentum sprach Sklaven an, weil es wie der Judaismus alles schätzte, was das Gegenteil ihrer überlegenen Herren war. Nietzsche stellte diese Parallele fest und merkte an, daß das Christentum „alle Werte auf den Kopf“ stellte und daß der Judaismus eine „Umkehrung der Werte“ darstellte.[9][10] Jan Assmann hat den Begriff „normative Umkehrung“ verwendet, um den Prozeß zu beschreiben, durch den Elemente des Judaismus sich als bewußte Rebellion gegen die ägyptische Religion entwickelte.[11] Den Begriff könnte man leicht auch auf das Christentum anwenden.
Es ist möglich, daß Nixey sich für das Herunterspielen der jüdischen Wurzeln des Christentums entschied, um potentielle Antisemitismusvorwürfe zu vermeiden. Falls dies der Fall ist, so bezeugt dies, daß die jüdische Subversion zwei Jahrtausende nach den jüdisch-römischen Kriegen immer noch ein sehr reales Phänomen ist.
Ein Christ mag erwidern, daß die Handlungen eifernder Mönche vor zwei Jahrtausenden wenig Bedeutung für das Christentum heute und wie es sich in Europa entwickelte hat. Jedoch kann man das Christentum nicht wahrhaft verstehen – und somit den Kern, der hinter dem großartigen Bauwerk der katholischen Kirche begraben liegt -, ohne seine frühe Geschichte und Schrift zu studieren. Keine Menge an heidnischen Einflüssen kann das Gift voll unterdrücken, das sich im Kern des Christentums befindet, das sich im Grunde im Krieg mit dem indoeuropäischen Heidentum wie auch mit Europa selbst befindet.
Ich kann The Darkening Age nicht ohne vorbehalte empfehlen, aber es ist dennoch eine fesselnde und stark geschriebene Darstellung der christlichen Zerstörung der klassischen Antike. Die überall verstreuten Fehler sind bedauerlich, und man hofft, daß eines Tages ein anderer englischsprachiger Autor daherkommen und ein besseres populäres Werk zu dem Thema schreiben wird. Aber in der Zwischenzeit bietet dieses Buch ein solides Gegengewicht zu weitverbreiteten Fehlvorstellungen über die frühchristliche Geschichte. Es zerstört gekonnt die Mythen, die besagen, daß das Christentum allein mit friedlichen Mitteln triumphierte, daß frühe Christen Unschuldige waren, die von bösen römischen Kaisern brutal abgeschlachtet wurden, und daß das Christentum mehr bewahrt hat, als es zerstörte. Keiner der Fehler des Buches ist so schwerwiegend, daß er die Wahrheit seiner These mindern würde. Es dient als machtvolle Erinnerung an die Bedrohung, die der biblische Monotheismus für die europäische Zivilisation dargestellt hat und weiterhin darstellt.
Fußnoten:
[1] Dirk Rohmann, Christianity, Book-Burning, and Censorship in Late Antiquity: Studies in Text Transmission (Berlin: De Gruyter, 2016), S. 148.
[2] Julius Evola, The Doctrine of Awakening: The Attainment of Self-Mastery According to the Earliest Buddhist Texts (Rochester, Vt.: Inner Traditions International, 1996), S. 74.
[3] Peter Brown, Power and Persuasion in Late Antiquity: Towards a Christian Empire (Madison: University of Wisconsin Press, 1992), S. 128.
[4] Ebd., S. 128.
[5] Alan Cameron, „The Last Days of the Academy of Athens,” Proceedings of the Cambridge Philological Society, vol. 195 (1969), S. 8, 25.
[6] Ammianus Marcellinus, Res Gestae XIV.6.18.
[7] Dio Cassius, Hist. rom. 5.68.32.
[8] Origenes, Contra Celsum 1.14.
[9] Friedrich Nietzsche, Beyond Good and Evil [Jenseits von Gut und Böse], übers. v. Judith Norman (Cambridge: Cambridge University Press, 2001), S. 56 (§62).
[10] Ebd., S. 84 (§195).
[11] Jan Assmann, Moses the Egyptian: The Memory of Egypt in Western Monotheism (Cambridge: Harvard University Press, 1997), S. 31. Greg Johnson hat eine exzellente Serie von Artikeln über dieses Buch geschrieben.