von heplev
Der irakische Erzbischof Baschar Wanda machte während einer kürzlich gehaltenen Rede die folgende Feststellung:
„Nachdem wir 1.400 Jahre lang dem Zeitlupen-Völkermord ausgesetzt waren, der lange vor der andauernden heutigen Völkermord durch ISIS begann, ist die Zeit dafür dieses unmenschliche Verhalten und seine Ursachen zu entschuldigen vorbei.“
Dass Muslime seit dem siebten Jahrhundert bis in die Gegenwart nichtmuslimische Völker mit dem Schwert weggesäubert haben, ist natürlich sachlich gut dokumentiert. Aber was ist mit der subtileren Bezeichnung „Zeitlupen-Völkermord“? Wie funktioniert das? Die Antwort ist mit einer anderen Frage verbunden:
Warum wurden überhaupt so viele Nichtmuslime zu Muslimen?
Viele modernen muslimischen und westlichen Apologeten behaupten, die Vorfahren der heute 1,5 Milliarden Muslime traten wegen seines ihm innewohnenden Reizes zum Islam über; dass die vom Islamischen Staat und anderen ausgeübte moderne Zwangsausübung und Verfolgung eine Anomalie ist.
Im Gegenteil machen viele muslimische und nichtmuslimische historische Aufzeichnungen klar, das die meisten Menschen den Islam nicht aus aufrichtigem Glauben heraus annahmen, sondern aus einer Unzahl an Gründen – vom Übertritt, um den Segen zu genießen auf de „Siegerseite“ zu stehen, bis zum Übertritt, um dem Verderben auszuweichen, auf der „Verliererseite“ zu stehen.
Weil gut belegte Fakten wenig Einfluss auf das geschichtslose Realitätsgefühl des modernen Westens haben, bestätigt diese Ausübung von gesundem Menschenverstand fröhlich, was die Geschichte aufgezeichnet hat: Die islamische Welt ist weniger auf dem physischen Völkermord an den Ungläubigen gebaut, als vielmehr auf dem spirituellen und kulturellen Völkermord an ihrer Identität. Dass hier zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen wurden, war immer vorteilhafter für den Islam; denn während die ehemalige religiöse/kulturelle Identität des Nichtmuslims eliminiert wird, bleibt sein Körper, um die Reihen des Islam zu stärken.
Betrachten Sie Ägypten. Als der Islam im 7. Jahrhundert formuliert wurde, war es seit Jahrhunderten ein christliches Land gewesen. Alexandria war das wichtigste geistliche Zentrum des antiken christlichen Lernens und zusammen mit Rom und Antiochia einer der ursprünglichen drei heiligen Stühle gewesen. Als er über die rund 400 Jahre – ungefähr zweieinhalb Jahrhunderte vor der arabischen Invasion – schriebt, stellte der Europäer John Cassian fest:
„Der Reisende von Alexandria im Norden bis Luxor im Süden hätte während der Reise in seinen Ohren die Klänge von Gebeten und Chorälen der in der Wüste verteilten Mönche und Eremiten aus den Klöstern und aus den Höhlen gehört, von Mönchen, Eremiten und Einsiedlern.“
Vor kurzem wurden in separaten Regionen in Ägypten sowohl das älteste Pergament mit Worten aus dem Evangelium (wird auf das 1. Jahrhundert datiert) als auch das älteste Bild Christi entdeckt.
Was sorgte dafür, dass eine uralte und stark christliche Nation islamisch wurde? Genauer gefragt: Was sorgte dafür, dass die Vorfahren der heutigen ägyptischen Muslime – die zumeist koptische Christen waren – ihre Identität abstreiften und Muslime wurden?
Vor der Antwort auf diese Fragen darf ein weiterer übersehener Faktor nicht außer Acht gelassen werden. Seit der Zeit, als der Islam Ägypten (und einen Großteil der damals bekannten christlichen Welt) im 7. Jahrhundert eroberte und bis weit in die Vormoderne hinein war die Religion nichts, an dem man salopp festhielt oder das man leicht änderte, wie es im Westen heute der Fall ist. Die Menschen waren innig Gläubige; es gab kein alternatives Narrativ – keine sogenannten Ansprüche von „Wissenschaft gegen Gott“.
Trotz der vielen Filme, die auf die Christen des Mittelalters eine Art zynischer Modernität projiziere – wie bei der Hauptfigur in Königreich der Himmel, dem „nuancierten“ und „säkularisierten“ Christen Balian – „war die Religion für Menschen des Mittelalters nicht nur etwas, das die Kirche machte. Sie war ihre Wissenschaft, ihre Philosophie, ihre Politik, ihre Identität und ihre Hoffnung auf Erlösung. Sie war keine persönliche Vorliebe, sondern eine bleibende und universale Wahrheit.
Mit anderen Worten: Selbst wenn der Islam einen ihm innewohnenden Reiz bot, ist die Vorstellung, dass vormoderne Christen in ihrer Entscheidung zu konvertieren „frei“ waren – frei von Schuld, frei von Angst vor der Hölle, frei von einem existenziellen Trauma, das mit dem Abfall vom Glauben einher geht – anachronistisch und unglaubwürdig. Nochmal: Diejenigen, die ihre Religion so oft wechseln wie ihre Schuhe, dürften starke Probleme haben diese Vorstellung voll zu würdigen; aber trotzdem stimmt sie.
Waren die Europäer im Mittelalter dem Christentum derart hingegeben, dann waren es natürlich auch die Kopten Ägyptens, die schon Jahrhunderte früher Christen wurden. Die vor uns liegende Frage lautet also: Was ließ sie massenhaft also zum Islam konvertieren?
Um Professor John Esposito von der Georgetown University zu zitieren: Es stimmt, dass Christen
„frei entscheiden konnten ihrem Glauben zu huldigen und von ihren religiösen Führern und Gesetzen in Bereichen wie Eheschließung, Scheidung und Erbschaften regiert zu werden. Im Gegenzug mussten sie einen Tribut zahlen, eine Kopfsteuer (Jizya), die sie zu muslimischem Schutz vor Aggression von außen berechtigte und sie vom Militärdienst ausnahm“.
Und obwohl sie in Ruhe gelassen und nicht unter Druck gesetzt wurden, fanden die ursprünglichen Christen Ägyptens den neuen Glauben der Schwerter schwingenden, Kamel reitenden Araber so intrinsisch verlockend, dass sie bereitwillig in Massen die Religion ihrer Vorväter verließen?
Fakt ist, dass der gesunde Menschenverstand nahelegt, dass nichts weniger als extrem heftige Umstände und Not – Verfolgung – die Kopten und andere dazu veranlasste zum Islam zu konvertieren.
Wie erwähnt ist für den Historiker, der – im Gegensatz zu den fiktiven Mainstream-Schriften, die von Leuten wie Karen Armstrong als „Geschichte“ verbreitet werden – die Primärquellen liest, ist die Übung in gesundem Menschenverstand überflüssig.
Die Originalquellen machen nämlich uneingeschränkt klar, dass Ägyptens Kopten zwar den Dhimmi-Status hinnahmen – ständig große Summen Erpressungsgelder zu zahlen und ein Leben als Untertanen dritter Klasse mit wenigen Rechten zu führen, nur um Christen zu bleiben – flammten immer wieder Perioden extremer Verfolgung auf. Und mit jeder konvertierten sie mehr und mehr Christen zum Islam um Entlastung zu finden.
Ein vielsagendes Beispiel: In der maßgeblichen Geschichte Ägyptens des Historikers Taqi al-Din al-Maqrizi (gest. 1442) ist Anekdote um Anekdote davon verzeichnet, dass Muslime Kirchen abbrannte, Christen abschlachteten und ihre Frauen und Kinder versklavten. Das einzige Entkommen war – und ist es heute zunehmend weiter – der Übertritt von Christen zum Islam.
Nach der Aufzeichnung einer besonderen entsetzlichen Verfolgungsperiode, bei der zahllose Christen abgeschlachtet, versklavt und vergewaltigt wurden und in der Berichten nach rund 30.000 Kirchen in Ägypten und Syrien zerstört wurden – eine niederschmetternde Zahl, die zusätzlich signalisiert, wie christliche der Nahen Osten vor dem Islam war – macht der fromme muslimsche Historiker klar, warum Christen konvertierten:
„Unter diesen Umständen wurden sehr viele Christen Muslime.“
Während also viele Christen physisch eliminiert wurden, wurden viele weitere spirituell/kulturell dazu gebracht Muslime zu werden. Nach Angaben international anerkannter Definitionen ist beides eine Form von Völkermord. Mitglieder einer Gruppe Menschen zu „töten“ und ihnen „ernsten körperlichen oder mentalen schaden“ zuzufügen sind – im Fall der „Ungläubigen“ oder Nichtmuslime – die esten zwei von fünf rechtliche verbindlichen Definitionen von Völkermord.
Die dritte Definition bringt den „Zeitlupen-Völkermord“ auf den Punkt:
„Gewollt einer Gruppe Lebensbedingungen zu schaffen, die darauf ausgerichtet sind seine physische Vernichtung als Ganzes oder in Teilen aufzuerlegen“.
Das ist genau das, was der Islam seinen eroberten nichtmuslimischen Untertanen im Verlauf der Jahrhunderte antat; sie verhängten negative „Lebensbedingungen, die so ausgelegt“ waren, dass sie Ungläubige veranlassten ihre frühere Identität zu Überlieferung aufzugeben, um die Vorteile der Vereinigung mit dem Islam einzufahren (was die ständige Beendigung der Verfolgung und Diskriminierung beinhaltete). Tatsächlich ist es kein Zufall, dass die schariakonformen „kalkulierten Lebensbedingungen“, um die Existenz als Dhimmi so unerträglich zu machen, als „Omar-Bedingungen“ bekannt waren und sind.
Wenn also Perioden umfassender Verfolgung willkürlich waren, so war das auf den „Omar-Bedingugnen“ aufgebaute, fest eingewurzelte Dhimmi-System immer präsent, „inspirierte“immer zunehmend verarmte, nichtmuslimische Dhimmis im Verlauf der Jahrhunderte dazu zum Islam zu konvertieren, so dass Nationen wie Ägypten, das im 7. Jahrhundert zu etwa 95 Prozent christlich war, das heute nur noch zu 10 Prozent sind.
Bedenken Sie die Worte Alfred Butlers, eines Historikers des 19. Jahrhunderts, der schrieb, bevor die politische Korrektheit die akademische Welt zu beherrschen begann. In The Arab Conquest of Egpyt [Die arabische Eroberung Ägyptens] hob er das „brutale System der Bestechung der Christen für den Übertritt“ hervor:
Obwohl Religionsfreiheit in der Theorie für die Kopten unter der Kapitulation sichergestellt war, erwies es sich in Wirklichkeit bald als Tatsache, dass das undurchsichtig und illusorisch war. Denn eine Religionsfreiheit, die als mit sozialem und mit finanziellem Zwang identifiziert wurde, konnte weder Substanz noch Lebendigkeit haben.
Als der Islam sich ausbreitete, wurde der soziale Druck auf die Kopten enorm, während es zumindest dem finanziellen Druck schwerer war Widerstand zu leisten, während die Zahl der Christen und Jude, die zur Zahlung der Kopfsteuer [Jizya] verpflichtet waren, Jahr um Jahr geringer und ihre Isolierung immer offensichtlicher wurde …
Die Last der Christen wurde immer schwerer, während ihre Zahl schwand [heißt: Je mehr Christen zum Israel übertraten, desto größer wurde die Last für die wenigen Verbleibenden]. Das Wunder besteht daher nicht so sehr darin, dass so viele Kopten der Strömung nachgaben, die sie mit dramatischer Macht zum Islam zogen, sondern dass eine so große Vielzahl an Christen sich entschieden gegen den Strom stellten; auch haben nicht alle Stürme der dreizehn Jahrhunderte ihren Glauben vom Fels ihrer Grundlage geholt.
Obwohl die obige Darstellung Ägypten betrifft, gilt dasselbe „Zeitlupen“-Völkermordparadigma auch für den Rest der eroberten christlichen und nichtmuslimischen Ländern im Allgemeinen. Heute ist das gesamte Nordafrika und die Türkei zu 97% muslimisch – obwohl beide Regionen, wie Ägypten, einst das Herz der christlichen Welt bildeten. (Der heilige Augustinus – der Vater der westlichen christlichen Theologie – stammte aus dem heutigen Algerien und Anatoline – „die Türkei“ – ist der Ort der ältesten Kirchen, die die Briefe der Apostel erhielten.“
Kommen wir zur Moderne – beachten Sie die kürzlich geäußerten Worte des bekannten Schriftstellers, Journalisten und pakistanischen Politikers Farahnaz Ispahani:
Direkt vor der Teilung von Indien und Pakistan hatten wir eine sehr gesunde Balance der Religionen neben dem Islam. Hindus, Sikhs, Christen, Zoroastriker. Heute hat Pakistan keinen Anteil von 23 Pozent (fast ein Viertel) nichtmuslimischer Bevölkerung noch 3 Prozent. Ich nenne sie Gemeinschaften… Das geschieht nicht von einem Tag auf den nächsten. Das geschieht nicht innerhalb von ein paar Monaten. [Hervorhebung hinzugefügt].
Kurz gesagt: Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass „die islamische Welt“ nur einen Bruchteil so groß wäre – vielleicht gar nicht existieren würde – ohne die Tatsache, dass Nichtmuslime weniger vom Schwert ausgelöscht wurden, sondern mehr in Selbsteliminierung ihrer Ungläubigen-Identitäten gedrängt worden wären, um das Schwert und eine viele andere Nachteile zu vermeiden, womit sie die Reihen des Islam anschwellen ließen.