von Mike Whiskey
Anfang Oktober 2014 trat ich meinen Dienst bei der Bundeswehr an. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, aber der Gedanke, die Uniform tragen zu dürfen und das Grundgesetz, auf dem unser demokratisch gemeinter Staat fußen sollte, zu verteidigen, erfüllte mich mit einer unglaublichen Vorfreude.
Ich habe mir immer ausgemalt, wie es wohl sein würde. Ob es so sein würde, wie in irgendwelchen bescheuerten Filmen oder wie in irgendwelchen Erzählungen altgedienter Kalter Krieger.
Die drei Monate Grundausbildung war für mich Militär. Es war alles ganz anders und doch irgendwie genau wie erwartet. Wir waren Kameraden, wir haben Kameradschaft gelernt, wir wussten, dass einer allein niemals bestehen kann in dieser Welt. Man hat uns unsere individuellen Grenzen in Belastbarkeit und Fähigkeit gezeigt und wir haben, so denke ich, vieles aus dieser Zeit mitgenommen. Wir waren ein Zug voller Kerle, die alle mehr oder weniger Soldaten werden wollten. Viele aber waren dabei, die aus Überzeugung dienen wollten, nicht in erster Linie für Geld oder Materielles.
Auch die Zeit danach im Freiwilligen Wehrdienst hat mich meistens sehr erfüllt, auch wenn man hier erkennen musste, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Ich habe in meiner Verwendung geplant, Ausbildungen gehalten und war oft der, der im Hintergrund vieles am Laufen hielt und den man nicht bitten musste, etwas zu tun, sondern der es halt einfach gemacht hat. Ich habe auch so manche Überstunde nicht aufgeschrieben, weil ich bis zu einem bestimmten Punkt der Auffassung war, ein Soldat sei 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche im Dienst.
Es war alles in allem eine schöne Zeit. Dann aber begann die Geschichte mit der Offizierslaufbahn und bald musste ich dort feststellen, dass das Soldatenbild, an dem ich immer festgehalten habe und das ich bis heute trotz aller Widrigkeiten versuche, irgendwie hoch zu halten, so nicht mehr existiert.
Ich musste dort feststellen, dass der Diensteifer vieler sich darin erschöpft, pedantisch jede einzelne Sekunde, die über die Rahmendienstzeit hinaus Dienst verrichtet wurde, genauestens zu dokumentieren, um diese dann an anderer Stelle ebenso pedantisch vom Vorgesetzten einzufordern. Für mich, der mit einer Grundausbildung ohne die EU-Arbeitszeitrichtlinie vertraut war, eine völlige Anmaßung.
Mangel an Motivation
Wenn es aber hieß «Rucksäcke stanmäßig packen,Gefechtsanzug anlegen, Waffenkarte und MPG am Mann», dann plötzlich kam einigen in den Sinn, dass sie Schnupfen haben oder sowieso nie zum Gehen oder überhaupt für Bewegung geschaffen wurden.
Der Weg zum Sanitätsbereich war doch einigen eher vertraut, als der sichere Umgang mit der Waffe, ganz zu schweigen, mit dem Schussgeräusch fertig zu werden.
Simulation hat viele vor zu großer Anstrengung bewahrt und auch die haben nun teilweise den gleichen Dienstgrad und den gleichen Sold, wie ich auch.
Und da haben wir dann diese Bazillen an der Bundeswehr-Uni hocken. Die erste Freiheit, die sie ausleben, ist es, die Uniform zusammen zu knüllen und für die Zeit des Studiums möglichst nicht mehr zu tragen. Es gibt «Kameraden», die existieren nur auf einer Liste oder einem Stubenschild. Leibhaftig aber haben die wenigsten diese Person jemals gesehen.
Die, die diese Person aber gesehen haben, die wissen, dass diese Person angeblich «krank» ist, aber trotzdem alle paar Tage bis in die frühen Morgenstunden zum Saufen bereit ist (solange sich die Person an der Uni aufhält) und die meiste Zeit «krank» zu Hause verbringt, bei vollem Sold natürlich.
Über Frauen in der Truppe kann man lange streiten. Ich weiß, dass es hier auch fähige Kameradinnen gibt, die körperlich und moralisch ohne jeden Zweifel ihre Leistung bringen, aber viele sind schlichtweg Matratzen, die das doch noch stark von Männern geprägte Umfeld auskosten und in beachtlicher zeitlicher Abfolge diverse Männer «durcharbeiten».
Und dann gibt es da natürlich die viel beschworene Kampfeinheit. Ich weiß nicht, wie ihr hier es empfindet (die Kameraden unter euch), aber ich habe es so erlebt, dass sich morgens zuerst ein Viertel des Zuges neukrank meldet und am Tagesdienst nicht Teil nimmt.
Ich erlebte Frustration, ich erlebte Demotivation. Dienen nur für Geld, nicht für Ideale. Hauptsache bald aus der Kaserne wieder raus und bloß nicht schmutzig machen. Alles in allem ein träger Haufen, wo manche keinen Kilometer lockeren Laufschritt überstehen, ohne direkt nach einem Sauerstoffzelt zu rufen.
Da kommt die angedachte Trendwende Wohnen (nenne ich das jetzt mal) genau richtig. Anstelle in Wichtiges zu investieren, soll nun jeder Soldat künftig eine Einzelstube, mit Sessel, Minibar, Flatscreen usw bekommen. Auch die Uniform für Schwangere ist beschaffungswürdig (nur der Flecktarnanzug für die Schwangere hat im Trageversuch nicht so gut abgeschnitten).
Vielleicht stellt ihr ja fest, dass sich vom Beginn bis zur gegenwärtigen Situation vieles geändert hat.
Nun, das hat es auch, nicht nur intern, sondern auch politisch. Sah es 2014 noch nach einem langsamen Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr aus, haben wir heute Soldaten in diversen Ländern, darunter Mali, Afghanistan, Kosovo usw.
Immer mehr Unzulänglichkeiten im Bezug auf Material und Belastbarkeit der heutigen Bewerber werden offensichtlich und zusätzlich von der Presse gern ausgeschlachtet und die Generalität ist eher ein willenloser Erfüllungsgehilfe der Politik, als ein starkes Rückgrat der Truppe. Wenn ein ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, behauptet, von Wehrmachtsdevotionalien in Kasernen nichts gewusst zu haben, dann ist er entweder ein Lügner, oder er hatte niemals mit der Truppe zu tun.
Die Wehrmacht, das nur am Rande, ist für so manchen Soldaten auch heute noch in Auftreten, Pflichterfüllung, Mut, Schneid und militärischer Leistung ein Vorbild.
Und dieser Soldat ist deshalb nicht gleich ein Nazi. Die größte Feuertaufe für einen Soldaten wäre das Gefecht. Die wenigsten Bundeswehr-Soldaten haben ein solches jemals erlebt. Das ist natürlich ein großes Glück, hinterlässt aber immer die Ungewissheit, wie ein wirklicher Ernstfall sich anfühlen würde.
Man klammert sich daher oft an die Vorbilder von damals, die sich teilweise durch scheinbar übermenschlichen Mut und waghalsige Manöver profilierten. Die Bundeswehr hat sich in vier Jahren meines Dienstes gravierend verändert. Man wundert sich über Bewerber, die den Anforderungen weder geistig noch körperlich gewachsen sind, ja, man muss sogar die Grundausbildung, die eigentlich soldatische Grundfähigkeiten vermitteln sollte, zu einem Wehrertüchtigungsprogramm umstrukturieren, in dem erst mal ausgiebig Sport gemacht werden muss und Maschinengewehr und Pistole gar nicht mehr ausgebildet werden können.
Wenn die heutigen Vorbilder und Vorgesetzten keine tapferen Helden mehr sind, sondern sich dadurch auszeichnen, dass ihnen mit 40/50 Lebensjahren plötzlich einfällt, im falschen Körper zu sein, was erwartet man denn dann von den Leuten, die da kommen?
Man denkt sogar ernsthafter darüber nach, EU-Ausländer in die Truppe zu holen, die durch den Dienst mit dem deutschen Pass belohnt werden, als die Wehrpflicht wieder einzuführen. Für mich lässt das alles nur noch wenige Schlüsse zu. Dieses Land und diese Armee gehen ihrem Ende entgegen.
Zumindest ist ein Fortbestehen in der Form, wie wir es vielleicht heute noch kennen, sehr unwahrscheinlich. Die Enttäuschung jedenfalls, über den Betrug durch falsche Versprechen und falsche Bilder, wiegt schwer.
Wir können nur hoffen, dass diese Söldnertruppe, die unsere Armee bereits jetzt ist, niemals in die Lage kommen muss, dieses Land verteidigen zu müssen.
Die meisten dienen nur für Geld.
60 Jahre Deutsches Heer – Eine Zeitreise –
Begebt Euch mit uns auf eine Zeitreise durch sechs Jahrzehnte Deutsches Heer: Stets hat sich das Heer seit seiner Aufstellung im Jahr 1956 bewährt – in den Zeiten des Kalten Krieges, in der Katastrophenhilfe und aktuell in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Aber schaut selbst….
Posted by Bundeswehr Karriere on Friday, June 17, 2016
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