Von Oswald Metzger
Ohne Nachweis erhalten MdBs eine steuerfreie Pauschale von 52.776 Euro im Jahr, während das gemeine Volk seine Ausgaben detailliert belegen muss.
Worüber sich der gemeine Steuerpflichtige immer dann ärgert, wenn er seine Einkommensteuererklärung erstellt, das können sich unsere 709 Bundestagsabgeordneten sparen: Ausgabenbelege überprüfen, um als Freiberufler oder Selbständige ihre berufsbedingten Ausgaben detailliert gegenüber dem Finanzamt zu belegen.
Schon zu meiner aktiven Bundestagszeit, im Jahr 2000, wertete der inzwischen emeritierte Staatsrechtler Prof. Dieter Birk von der Universität Münster dieses Steuerprivileg der Abgeordneten in einem Gutachten als Bruch eines elementaren Grundsatzes des deutschen Steuerrechts. Weil „beruflich bedingter Aufwand dokumentiert werden muss“, handele es sich bei dieser Pauschale um nichts anderes als eine verdeckte steuerfreie Einkommenszahlung.
Dass diese steuerfreie Pauschale in Höhe von fast 58.000 Euro im Jahr üppig bemessen ist, zeigt nicht nur der Vergleich zum aktuellen steuerpflichtigen Durchschnittseinkommen aller gesetzlich Versicherten. Das liegt in diesem Jahr voraussichtlich bei knapp 38.000 €. Manche Kollegen im Bundestag klagen zwar, die Pauschale reiche nicht für die Zwecke aus, für die sie offiziell gewährt wird.
Ich hege da aber große Zweifel, weil Miete und Nebenkosten für eine Zweitwohnung in Berlin sowie für ein Wahlkreisbüro und die Betreuung des Wahlkreises bei weitem keine 4.400 Euro im Monat kosten. Außerdem wird schlicht ausgeblendet, dass ein eingerichteter PC-Arbeitsplatz im Wahlkreisbüro samt Schreibtisch und Kommunikationsgeräten ebenfalls vom Bundestag kostenfrei gestellt wird.
Weil in Berlin von den Abgeordneten kostenfrei Dienstlimousinen genutzt werden können, eine DB-Freikarte 1. Klasse zur Amtsausstattung gehört und selbst mandatsbedingte Inlandsflüge bezahlt werden, klingt das Lamento über eine zu niedrige Pauschale für mich heuchlerisch. Denn zusätzlich, allerdings auf Nachweis, können die Abgeordneten bis zu 12.000 Euro im Jahr für Büromittel (vom Smartphone bis zur IT-Ausstattung und dem üblichen Büromaterial) zu Lasten des Steuerzahlers in Anspruch nehmen.
Rein rechtlich gesehen, muss sich eine im Steuerrecht gewährte Pauschale am tatsächlichen Aufwand orientieren. Selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestags vertrat vor einigen Jahren diese Ansicht. Doch um diesen Aufwand zu ermitteln, wären empirische Erhebungen nötig. Doch die scheut so mancher Abgeordnete, weil dann das steuerfreie Zusatzeinkommen offenbar würde. Weil die Parteien und ihre Gliederungen von ihren MdBs auch hohe Spendenbeiträge erwarten, die durchaus zwischen 500 und 1.000 Euro monatlich liegen, ist die steuerfreie Pauschale für viele MdBs ein willkommenes Instrument, um diese Zusatzbelastung aufzufangen. Obwohl die politischen Parteien und ihre Stiftungen vom Steuerzahler üppig genug alimentiert werden, steckt also auch in der individuellen steuerfreien Aufwandspauschale der MdBs ein kleiner Nebenarm der indirekten Parteienfinanzierung.
Dass aus dem Etat des Bundestags außerdem bis zu 20.870 Euro monatlich auf Nachweis für die Gehälter der MdB-Mitarbeiter zur Verfügung stehen (für den Dienstsitz Berlin und die Wahlkreisbetreuung), darf ebenfalls nicht unterschlagen werden. Daneben nehmen sich die steuerpflichtigen monatlichen Diäten des Abgeordneten von 9.780,28 € schon fast bescheiden aus.
Wiederholt war das Abgeordneten-Steuerprivileg Gegenstand von Klagen. Besonders spektakulär focht der Finanzrichter Michael Balke 2004 und in den Folgejahren gegen die hohe steuerfreie Zusatzhonorierung. Zusammen mit seiner Frau forderte er ebenfalls eine pauschale Steuerbefreiung von einem Drittel seines Einkommens. In allen Instanzen verlor er, auch vor dem Bundesfinanzhof, obwohl die Richter sich durchaus an der Höhe der Pauschale störten. Eine gegen die Ablehnung gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Schlussendlich klagte Balke auch vergeblich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Am 28. August wird vor dem Finanzgericht Niedersachsen wieder einmal eine Klage gegen dieses Steuerprivileg der MdBs verhandelt. Kläger ist ein 69-jähriger IT-Berater.
Kuriose Personalie auf der Richterbank: Einer der drei hauptamtlichen Richter in diesem Verfahren könnte ein gewisser Michael Balke sein.
Wenn das betroffene Finanzamt nicht noch einen Befangenheitsantrag gegen Balke stellt, dann ist er bei dieser Verhandlung dabei.
Allerdings geht Balke am 1. September, vier Tage später, in Ruhestand.