von Max Erdinger
Der BAMF-Skandal weitet sich aus. Nachdem publik geworden war, daß in der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flucht (BAMF) etwa 1.200 Asylanträge widerrechtlich positiv beschieden worden sind, sind nun zehn weitere Außenstellen im Visier des Rechnungshofes.
Die Bremer Außenstelle darf inzwischen über gar keine Asylgesuche mehr entscheiden. Es stehen außerdem drei Strafanzeigen im Raum, eine davon gegen BAMF-Chefin Cordt. In einer Art Vorwärtsverteidigung hat Innenminister Seehofer (CSU) den Rechnungshof nun sogar angewiesen, sein eigenes Innenministerium unter die Lupe zu nehmen, um etwaige Unregelmäßigkeiten aufzudecken.
Außer, daß Seehofer sehr spärlich Rückendeckung von der Kanzlerin bekommt, ist von Angela Merkel im Zusammenhang mit dem BAMF-Skandal nichts zu hören. Merkel stellte lediglich fest, daß etwaiger Rechtsbruch im Innenministerium einem Versagen von Seehofers Amtsvorgänger de Maizière geschuldet wäre.
Es ist erstaunlich, wie nonchalant deutsche Medien eine zentrale Frage meiden, als seien sie der Teufel und die Frage das Weihwasser. Diese Frage geht so: Wäre es denn nicht allzu verständlich, wenn die rechtswidrigen Positivbescheide in Bremen – und möglicherweise anderswo ebenso – einerseits zwar im Bewußtsein des Rechtsbruchs erfolgten, andererseits aber der Rechtsbruch selbst als „politisch erwünscht“ interpretiert worden wäre? Kann es sein, daß die Rechtsbrecher in den Außenstellen sich im ideologischen Einklang mit der Kanzlerin wähnten, als sie in einer Art vorauseilendem Gehorsam ihre rechtswidrigen Positivbescheide ausstellten? Das ist durchaus denkbar.
Es ist schließlich die Kanzlerin selbst gewesen, die bis dahin bereits eine „argumentative Blaupause“ geliefert hatte. Im Spätherbst 2015 auf ihre Verantwortlichkeit für die Schutzlosigkeit der deutschen Grenzen angesprochen, erklärte sie schließlich, daß es ihr egal sei, ob sie die Verantwortliche für die Flutung des Landes mit Illegalen ist. Die seien „nun halt da“. Deutschland sei „nicht mehr ihr Land“, so die Kanzlerin damals, wenn sie sich dafür entschuldigen soll, ein „freundliches Gesicht“ gemacht zu haben. Die Botschaft war doch eindeutig? – Ein freundliches Gesicht sticht Recht und Gesetz.
Es wäre also kein Wunder, wenn sich die „menschlich bewegten“ Sachbearbeiter in einer Außenstelle des BAMF aufgrund ihrer ideologischen Merkelaffinität – quasi unausgesprochen – dazu aufgefordert gefühlt hätten, Merkels kaum verbrämte Verachtung für Recht und Gesetz als Fingerzeig zu verstehen, es der Kanzlerin gleichzutun. Gut möglich ist, daß sie sich bei ihren Rechtsbrüchen darauf verlassen haben, die Kanzlerin würde ein Publikwerden derselben schon verhindern.
Der Schnack im Kanzleramt zu Berlin ist aber inzwischen ein anderer geworden. Aus „es ist mir egal …“ wurde dort inzwischen ein „Vorgänge von 2015 dürfen sich nicht wiederholen …“.
Das Abtauchen Merkels beim BAMF-Skandal ist deshalb ein Indiz für mehrere Sachverhalte – und keiner davon wäre schmeichelhaft für Angela Merkel.
- Vorauseilender Gehorsam dieser Kanzlerin gegenüber wird von ihr nicht mit Loyalität belohnt. So fragwürdig Thomas de Maiziére als Innenminister gewesen ist, so fraglos muß man seine Loyalität der Kanzlerin gegenüber bejahen. So eiskalt, wie sie ihn losgeworden ist, tickt Merkel jedesmal, wenn ihr etwas oder jemand gefährlich werden könnte. Das BAMF bekommt das gerade zu spüren.
- Merkel taucht ab, weil sie instinktiv weiß, wie sehr es ihr perönlich und ihrer stark beschädigten Akzeptanz als Kanzlerin schaden würde, sollte sie mit dem BAMF-Skandal eindringlicher in Verbindung gebracht werden als bisher.
- Es nützt niemandem, sich in einer weltanschaulichen Nähe zur Kanzlerin zu verschanzen. Sie selbst verhält sich nämlich wie ein General, der als erster desertiert, sobald der „Feind“ auftaucht, um als nächstes mit diesem Feind (hier: der Rechnungshof) gemeinsame Sache gegen die Gläubigen an ihre hohe Moral zu machen.
- Merkel kennt keine Moral. Sie behauptet bloß eine.
Was hätte Jutta Cordt, erst seit Februar 2017 als BAMF-Chefin im Amt, angesichts der Strafanzeige gegen sich eigentlich zu befürchten, wenn sie in der Öffentlichkeit vorpreschen würde mit der Feststellung, daß es wohl kaum einen sachlichen Unterschied mache, ob Mitarbeiter des BAMF das Recht mit Füßen treten, oder die Kanzlerin? Auch beim BAMF gebe es eben Menschen, die gerne ein freundliches Gesicht machen. Obendrein sei sie selbst aufgrund der Kürze ihrer Amtszeit bisher für die Mißstände im BAMF so wenig verantwortlich, wie Seehofer für diejenigen im Innenministerium von de Maizière. Wer wollte dem argumentativ etwas entgegensetzen, außer, daß Immunität vor Strafverfolgung eben für gewählte Volksvertreter gilt, nicht aber für Beamte? Das wäre nämlich die einzige Begründung, die sich anführen ließe dafür, daß Cordt ihren Kopf für denjenigen hinhalten soll, den Merkel durch ihr Abtauchen beim BAMF-Skandal aus der Schlinge zu ziehen versucht.
Zielführend wäre es daher, wenn sich deutsche Mainstream-Medien, anstatt das Abtauchen Merkels weitgehend unkommentiert zu lassen, darauf konzentrieren würden, den Urgrund des BAMF-Skandals deutlich zu benennen: Merkel und ihr wohlfeiler „Menschlichkeitswahn“, den sie als Kanzlerin, vor jeder möglichen Strafverfolgung gefeit, hemmungslos ausleben zu dürfen glaubt. Die Mitarbeiter der Außenstellen des BAMF und im Innenministerium sind nämlich nur die Bauernopfer. Der Fisch jedoch stinkt immer vom Kopf her. (ME)