Wirtschaftlicher Profit und Volksidentität

von Herbert Ludwig

Deutschland benötige bis zum Jahr 2060 jährlich 260.000 Zuwanderer, um die durch den Rückgang einheimischer Arbeitskräfte freiwerdenden Arbeitsstellen zu besetzen – so eine im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellte und breit gestreute Studie.

Der Prognose zufolge sei zu erwarten, dass durchschnittlich jährlich 114.000 Migranten aus der EU in die Bundesrepublik kommen werden. Zusätzlich müssten daher weitere 146.000 Personen aus außereuropäischen Ländern einwandern.1 –  Zuwanderung rein für den Unternehmens-Profit also. Was für ein Gesellschaftsverständnis steht hinter solchen herrischen Forderungen?

Volk und Wirtschaft

Schon im ersten Satz steckt eine grundlegende Täuschung. Nicht „Deutschland“ benötigt diese Zuwanderungsmassen, sondern, wenn es überhaupt stimmt, die „Wirtschaft“, genauer die kapitalistischen Unternehmen. Sie brauchen billige Arbeitskräfte, um weiter den gewohnten Gewinn für ihre Eigentümer einzufahren.

Deutschland besteht aus dem deutschen Volk, das sich in einem Staat eine rechtliche Ordnung gegeben hat und im Wirtschaftsleben für seine physische Existenz sorgt. Die Wirtschaft hat also eine dienende Funktion für das Volk, das primär eine kulturelle Kategorie, eine Kulturgemeinschaft darstellt.

Indem sich der Mensch im Wirtschaftsleben um die Sicherung und den Komfort seiner physischen Existenz bemüht, unterscheidet er sich in seinem Verhalten prinzipiell nicht vom Tier. Ihm steht nur zusätzlich eine ungeheure gedankliche Raffinesse zur Verfügung, durch die er seine Bedürfnisse befriedigen kann. Während sich das Leben des Tieres aber in der Sicherung seiner irdischen Existenz erschöpft, bildet das Wirtschaftsleben des Menschen erst die Grundlage, um darauf sein eigentliches Menschsein, seine seelisch-geistige Entwicklung entfalten zu können. Und die Art und Weise dieser seelisch-geistigen Entwicklung ist durch die Eigenart und den Charakter des Volkes bestimmt, dem er angehört.

Dem unverstellten kulturgeschichtlichen Blick zeigt sich, dass jedes Volk eine historisch gewachsene Kulturgemeinschaft bildet, die von der politisch-staatlichen Geschichte vielfach verdeckt wird. In ihr nehmen die Menschen eine ganz spezifische seelische Grundhaltung zur Welt ein und neigen zu einer besonderen Art des gedanklichen, künstlerischen und religiösen Strebens. In der Sprache, in Wortbildung und Wortgebrauch, in Grammatik und Syntax, in Redewendungen und bildhaften Ausdrücken offenbart sich am unmittelbarsten die seelische Konfiguration einer Volksgemeinschaft. Und in den Künsten wie Malerei, Musik, Dichtung und Literatur, sowie in der Wissenschaft und der Art des religiösen Lebens verschafft sich die seelische Eigentümlichkeit eines Volkes ihren besonderen Ausdruck.

Der zentrale Eigenwert der Kulturgemeinschaft muss also erhalten und gepflegt werden, da er Basis und Anregung für die individuelle seelisch-geistige Entwicklung jedes einzelnen Menschen ist und Entwicklung überhaupt nur in der Differenzierung und wechselseitigen Befruchtung durch den kulturellen Austausch der Völker möglich ist und nicht in einer uniformen Einheitsfront.

Im deutschen Volk ist das tiefe Streben veranlagt, zu den Ursachen der materiell wahrnehmbaren Welt zu dringen und die Erkenntnis auf die hinter der Oberfläche wirkenden geistigen Kräfte zu erweitern, die den Erscheinungen zugrunde liegen. In den Worten Hebbels gesprochen, hat der Deutsche

„alle Eigenschaften, sich den Himmel zu erwerben.

Oder wie Schelling formulierte:

Die deutsche Nation strebt mit ihrem ganzen Wesen nach Religion, die mit Erkenntnis verbunden und auf Wissenschaft begründet ist.“2

Dieser kulturellen Aufgabe haben die staatliche Rechtsgemeinschaft und die Wirtschaft zu dienen. Sie sind im sozialen Organismus kein Selbstzweck.

Salvador de Madariaga, ein exzellenter Kenner der Völker Europas, der als Spanier kaum eines deutschen Nationalismus verdächtigt werden kann, schrieb nach dem Zweiten Weltkrieg im Blick auf den Chor der europäischen Völker und ihrer spezifischen Kulturen:

„Deutschland bildet das Herzstück Europas, ist im Mittelpunkt seines Körpers, am Gipfel seines Geistes, in den innersten Räumen seines bewussten und unbewussten Wesens: die Quelle seiner erhabensten Musik, Philosophie, Naturwissenschaft, Geschichte, Technik – sie alle sind undenkbar ohne Deutschland. Wenn Deutschland fällt, so fällt Europa. Wenn Deutschland verrückt wird, so wird auch Europa verrückt. Die moralische Gesundheit des deutschen Volkes ist eine der Hauptbedingungen für die moralische Gesundheit Euro­pas, ja für seine Existenz selbst.“3

Dies nur, um die eigentliche, die kulturelle Dimension des deutschen Volkes anzudeuten.4  Mit dem reaktionären rassistischen Nationalsozialismus wurde Deutschland gewissermaßen verrückt, aber die anderen Völker standen ihm vielfach an Nationalismus und Verlust ihrer edlen kulturellen Grundsätze nicht nach.

Zuwanderung und Integration

Eine Zuwanderung, soweit sie nicht zeitlich befristet ist, darf nur in dem Maße stattfinden, in dem eine Integration in die Kultur des Volkes erfolgen kann. Und davon muss selbstverständlich auch die Verleihung der Staatsangehörigkeit abhängig sein. Die Forderung der Wirtschaft nach Zuwanderung von Arbeitskräften ohne Rücksicht auf diese Bedingungen ist Ausdruck der heutigen arroganten Dominanz der kapitalistischen Wirtschaft über die staatliche Politik und damit auch über das vom Staat beherrschte kulturelle Leben.

Wenn ein Volk durch zu wenig Nachwuchs schrumpft, geht entsprechend auch das Maß seiner notwendigen wirtschaftlichen Versorgung zurück. Das Schrumpfen der Wirtschaft, d.h. der Abbau von Arbeitsplätzen ist die natürliche Folge. Für die Versorgung des eigenen Volkes sind keine Arbeitskräfte von außen erforderlich.

Nun ist die Wirtschaft heute natürlich längst keine reine Volkswirtschaft mehr, sondern hat sich zur Weltwirtschaft ausgeweitet. Das ist ja prinzipiell nichts Negatives. Die deutsche Wirtschaft ist zum großen Teil Exportwirtschaft für Kunden in aller Welt. Wollen die Unternehmen das Niveau des Exportes halten oder steigern, brauchen sie bei zurückgehenden deutschen Arbeitskräften solche aus dem Ausland.

Das ist aber das Interesse der Unternehmen zur Aufrechterhaltung bzw. Steigerung ihres Profits und nicht das Interesse des Volkes als Kulturgemeinschaft. Dieses muss auf die Entwicklung seiner Kultur und die Erhaltung seiner Identität achten und über seine Rechtsorganisation die Integration zur Voraussetzung der Einwanderung machen. Erhalten die Unternehmen auf diesem Wege nicht genügend Arbeitskräfte, müssen sie halt zu den Arbeitskräften ins Ausland gehen und dort Niederlassungen gründen, was ja auch schon in erheblichem Maße geschehen ist.

Funktionsfähigkeit des kulturellen Lebens

Die ungeschminkten Forderungen massenhafter Zuwanderung im Profitinteresse der Unternehmenseigentümer – wie auch die sowieso schon stattfindende rechtswidrige Zulassung grenzenloser Immigration durch die politische Kaste -, zeigen die materialistische Kultur- und Geistesferne der führenden „Eliten“. Für den Eigenwert des Volkes als Kulturgemeinschaft besteht in ihrer kulturgeschichtlichen Ungebildetheit kein Bewusstsein mehr.

Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Quelle und der Kern des kulturellen Lebens, das Bildungssystem, nicht originär und frei entwickeln kann, sondern vom Staat, also der jeweils herrschenden politischen Kaste, dirigiert und organisiert wird, die es stets mehr oder weniger für ihre eigenen gesellschaftlichen Interessen instrumentalisiert. Waren dort trotzdem lange Zeit noch in gewisser Weise die Humboldt´schen Erziehungsideale der allseitigen Bildung zum freien Menschen wirksam, so bestimmt heute die Abrichtung der Schüler auf gesellschaftliche, insbesondere wirtschaftliche Funktionsfähigkeit und Brauchbarkeit die staatlichen Lehrpläne. Die Kulturgeschichte und Wesen und Bedeutung der eigenen Kultur sind daraus weitgehend verschwunden.5

Mit dem seit Jahren ungebremst und unkontrolliert laufenden Zustrom kulturfremder Menschenmassen werden die Lehrer der staatlichen Schulen vor wachsende Schülerzahlen von nichtintegrierten und auch zumeist integrationsunwilligen Eltern gestellt. Die Lehrer haben als weisungsgebundene Ausführungsorgane keine Wahl, sie müssen die Schüler aufnehmen und unterrichten, die bereits in Brennpunktschulen der Großstädte die deutschen Kinder in die Minderheit gedrängt haben. Hilflos müssen sie mitansehen, wie zumeist alle Bildungsversuche an ihnen scheitern und die deutschen Schüler zur Anpassung an die fremden gezwungen werden.

Das Kulturleben wird an seiner Quelle verstopft. Wäre das Geistesleben mit dem Bildungssystem organisatorisch und inhaltlich von Staat und Wirtschaft unabhängig, wie es einer freiheitlichen Demokratie entspräche, müsste natürlich vorher vom Staat gefragt werden, ob die autonomen Schulen bereit und verantwortungsvoll in der Lage wäre, diesen andauernden Schülerstrom in die Schulen aufzunehmen und in ihre Bildungsaufgabe zu integrieren. Ein freies Bildungssystem müsste das natürlich aus seiner Verantwortung für die Pflege und den Erhalt der kulturellen Identität energisch ablehnen.

Dies zeigt, mit welch einer zerstörerischen Diktatur wir es in Wahrheit zu tun haben.

Ein freies Geistesleben würde die Politik in ihre Schranken weisen; und die unabhängigen Staats- und Verfassungsrechtler freier Hochschulen würden in unabhängigen Medien das verfassungswidrige Handeln der politischen Kaste wirksam entlarven, sodass diesen nur noch beschämt die Demission bliebe.

In dem derzeitigen Zwangsstaat gibt es nur einzelne mutige Verfassungsrechtler, die ihre Stimme gegen die fortgesetzte Herrschaft des Unrechts erhoben haben. An vorderster Stelle der Privatdozent Dr. Ulrich Vosgerau, der auf die Frage, wo denn die Stimmen der ganzen verfassungsrechtlichen Lehrstuhlinhaber an den Hochschulen blieben, mit einem treffende Bild die erbärmliche Lage kennzeichnete:

Die haben sich mit angelegten Ohren in die Furche geduckt.“

Es ist die Korrumpierung des Geistes, dessen Träger sich äußerer Vorteile wegen in die erniedrigende Knechtschaft der Macht begeben und die Würde des Geistes, die allein im Streben nach der Wahrheit gegründet ist, schmählich verraten.

Das Geistesleben als Quell des Staats- und Wirtschaftslebens

Dem Staat und dem Recht liegen die Staats, Rechts- und Sozialwissenschaften, der Wirtschaft die Volks-, Betriebs- und technischen Wissenschaften zugrunde. Aus den Wissenschaften des Geisteslebens gehen die Ideen und Gestaltungsimpulse der anderen Lebensbereiche und aus seinen Schulen und Hochschulen die grundlegenden Fähigkeit der Menschen für diese Lebensgebiete hervor.

Daher muss sich das Geistesleben frei, unabhängig und selbstbestimmt von Staat und Wirtschaft entfalten können, damit seine ursprünglichen Intentionen gestaltend in Staat und Wirtschaft einfließen und diese der Weiterentwicklung des Menschen dienen können. Ein freies Geistes- und Kulturleben mit seinem Kern, dem Bildungswesen, ist und muss der Quell sein, aus dem sich das Rechts- und das Wirtschaftsleben und damit der gesamte soziale Organismus ständig ernähren und immer wieder nach den höchsten Entwicklungszielen des Menschen erneuern und umgestalten.

Ein Bildungssystem, das von Staat und Wirtschaft bestimmt und abhängig ist, bildet für deren gegenwärtige Bedürfnisse aus und richtet die heranwachsenden Menschen auf deren Zwecke ab. Sie werden missbraucht, um eine bestehende Ordnung, in die sie sich einfügen müssen, für die Zukunft festzuschreiben. Das ist strukturelle Gewalt. In einer menschengemäßen Gesellschaftsordnung muss immer das in Wirtschaft und Staat einfließen können, was die aus dem freien Bildungswesen in sie eintretenden Menschen an Impulsen mitbringen, nicht aber darf die heranwachsende Generation in das Prokrustesbett des Gewordenen und Erstarrten gepresst werden.

Wenn die Ökonomie also mit Hilfe des Staates auf das Kulturleben mit seinem Kern, dem Bildungswesen, übergreift, es seines Eigenlebens beraubt und den wirtschaftlichen und staatlichen Anforderungen unterwirft, schneidet sie die Gesellschaft von ihrer Zukunft ab. Denn die nährenden, erneuernden Kräfte des Geisteslebens, insbesondere des Bildungswesens, werden korrumpiert, zur ständigen Reproduktion des Bestehenden missbraucht und zur Erstarrung gebracht. Ebenso wird mit der Instrumentalisierung des Staates für die wirtschaftlich-finanzkapitalistischen Interessen das herrschende Recht zum Recht der Herrschenden korrumpiert.

Das Geistesleben kann seine Unabhängigkeit nur gewinnen und bewahren, wenn es im Grundgesetz als eine eigenständige Organisation mit eigener koordinierender Verwaltung garantiert wird, die gegenüber der staatlichen Rechtsorganisation ihre eigenen Kompetenzen hat, in die dem Staat über den rechtlichen Rahmen hinaus keine organisatorischen und inhaltlichen Eingriffsmöglichkeiten zustehen.

Es ist ein grundlegend neues Denken und Handeln notwendig, die sich deswegen nicht entwickeln können, weil sie von einer politisch-wirtschaftlich-medialen Macht in Fesseln geschlagen sind. Eine gedeihliche Zukunft gebietet, diese Fesseln endlich abzuwerfen.

1   jungefreiheit.de 12.2.2019
2   Vgl. Volk oder Bevölkerung; Deutscher Geist
3   Salvador de Madariaga: Porträt Europas; Stuttgart 1953, S. 128
4   Vgl. Das eigentliche Europa
5   Vgl. Der marktradikale Griff nach der schulischen Bildung

 

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Quelle und Kommentare hier:
https://fassadenkratzer.wordpress.com/2019/03/11/wirtschaftlicher-profit-und-volksidentitaet/