WIRD DIE BERLINER REPUBLIK ZUR WEIMARER REPUBLIK? – Schäubles Versuch ein Verfassungsorgan auszuhebeln

von Michael Grandt

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Abstimmungsregeln im Bundesrat ändern, und die Zwei-Drittel-Mehrheit abschaffen. Das ist ein heftiger Anschlag auf parlamentarische, rechtsstaatliche Prinzipien, die sich seit 60 Jahren bewährt haben.

Von der Weimarer Republik gelernt

Die Weimarer Republik endete 1933 mit dem Ermächtigungsgesetz, das die demokratischen Rechte der im Parlament vertretenen Parteien außer Kraft setzte. Damals sollten regierende Mehrheiten wiederhergestellt und die Zerstrittenheit der Parteien beendet werden, zum »Schutze des Volkes« – wie es hieß. Das endete schließlich mit der Installation der nationalsozialistischen Diktatur.

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde eine Verfassung konstituiert, die aus der unheilvollen Weimar Republik und der Hitler-Diktatur gelernt hatte und den Bürgern bis heute beispielhafte demokratische Rechte und Verfahren sichert. Dazu gehört vor allem die enge Verzahnung zwischen Bundestag und Bundesrat.

Der Bundesrat ist eines der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch den die Länder unmittelbar an der Willensbildung des Bundes beteiligt sind. Durch den Bundesrat, der von den Regierungen der Länder gebildet wird, sind die Bundesländer sehr eng in das politische Handeln des Gesamtstaates einbezogen. Sie fungieren dadurch nicht nur als »Befehlsempfänger«, sondern entscheiden mit. Der Bundesrat ist also ein wichtiges demokratisches Instrumentarium.

Schäuble will den Bundesrat aushebeln

rtemagicc_schauble-wolfgang.jpgInnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat nun eine Grundgesetzänderung zur Reform der Abstimmungsregeln im Bundesrat vorgeschlagen, in dem derzeit die absolute Mehrheit der Länderstimmen erforderlich ist, um ein Gesetz zu genehmigen. Enthaltungen wurden seither faktisch als »Nein«-Stimmen gewertet, was dazu führt, dass Koalitionspartner in Landesregierungen einen großen Einfluss auf bundespolitische Entscheidungen erhalten. Denn in der Regel ist in Koalitionsverträgen auf Landesebene eine Klausel formuliert, nach der man sich im Streitfall im Bundesrat enthält.

In Schäubles Augen führt aber genau das zu Blockaden durch Bundesratsmehrheiten gegenüber dem Bundestag. Er verkennt jedoch, dass gerade diese »Blockaden« den Willen jener Bevölkerungsteile widerspiegeln, die ihre Stimmen »kleineren« Parteien gegeben haben, die dann als Koalitionspartner der Länderregierungen fungieren können.

Anlass für Schäubles Vorschlag ist wohl die Lösung des festgefahrenen Streits über das BKA-Gesetz, das der Bundestag zwar bereits mit den Stimmen von CDU und SPD verabschiedet hat, aber in den Länderparlamenten heftig umstritten ist. Viele kleinere Koalitionspartner der Landesregierungen sind dagegen. So müssen sich diese im Bundesrat ihrer Stimme enthalten.

Schäuble scheint sich nicht mit der drohenden Niederlage bei der Abstimmung des Gesetzes im Bundesrat abzufinden zu können, sondern fordert die Abschaffung der Zwei-Drittel- Mehrheit, damit er sein Vorhaben durchsetzen kann. Enthaltungen sollen bei der Stimmzählung nicht mehr berücksichtigt werden.

Aber gerade die Zwei-Drittel-Mehrheit wurde von den Gründervätern der Verfassung dafür geschaffen, dass es keine politischen Alleingänge mehr geben kann.

Anschlag auf parlamentarische und rechtsstaatliche Prinzipien

Ein bewährtes Gesetzgebungsverfahren zu ändern, weil man politisch nicht weiterkommt, erinnert an die Zeiten der Weimarer Regierungs- und Verfassungskrisen, deren demokratische Grundordnung schließlich durch allerlei Notverordnungen und die Bildung verschiedener Präsidialregime ausgehebelt wurde.

Schäubles Vorschlag ist nicht nur ein Anschlag auf bewährte parlamentarische und rechtsstaatliche Prinzipien, sondern auch eine grob fahrlässige Nichtbeachtung des Wählerwillens.

Für Gesetze, die keine verfassungsmäßige Mehrheit finden, brauchen wir keine Ermächtigung der Regierenden, ihre Forderungen gegen den Willen des Volkes durchzusetzen. Das Grundgesetz darf man nicht nach Belieben passend machen, auch nicht, wenn Schäuble es so will.


Quelle und Kommentare hier:
http://info.kopp-verlag.de/news/wird-die-berliner-republik-zur-weimarer-republik-schaeubles-versuch-ein-verfassungsorgan-auszuh.html