Wikimedia haftet für anonyme Verleumder – Schwere Zeiten für Wikipedia

von Michael Klein

Anonyme Autoren konnten sich bislang auf Wikipedia nach Lust und Laune austoben und ihre ideologische Weltsicht in Form von unwahren Behauptungen, Rufschädigungen und übler Nachrede verbreiten.

Der Konjunktiv ist hier wichtig, denn das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 28. August dem anonymen Verleumden einen Riegel vorgeschoben.

Vor dem Landgericht hatte die 27. Zivilkammer über eine Klage von Prof. Dr. Alexander Waibel zu verhandeln. Der Karlsruher Computerwissenschaftler, der am Institut für Technologie auf dem Gebiet der Spracherkennung, Sprachverarbeitung und Sprachübersetzung forscht, wurde in der Wikipedia kurzerhand beschuldigt,

„mit Hilfe deutscher Steuergelder für den US-amerikanischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein“.

Grundlage dieser üblen Nachrede war die für Wikipedia so typische Mischung von Auslassung und Verdrehung, bei der ein Bericht des ARD-Magazins Fakt, in dem Waibel der Vorwurf gemacht wurde,

„jahrelang für ein amerikanisches Regierungsprogramm namens Total Information Awareness geforscht zu haben“

in Konjunktiv verpackt als Tatsache ausgegeben wurde, denn, so hieß es im gleichen Wikipedia-Artikel es

„wurden Forschungen Waibels zur Analyse von massenhaft aufgezeichneten Sprechdaten von amerikanischen Geheimdienst- und Militärbehörden beauftragt und genutzt“.

Die Lust am Diffamieren, die bei vielen anonymen Wikipedia-Autoren so ausgeprägt zu sein scheint, sie hat sich auch hier Bahn gebrochen, um den Ruf des Karlsruher Computerwissenschaftlers zu schädigen.

Und eine Rufschädigung liegt nach Ansicht der drei Richter der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vor, da die von Wikipedia berichteten, vermeintlichen Fakten nicht wahr sind. Die falschen Behauptungen verletzten, so die Richter, nicht nur die Persönlichkeitsrechte Waibels, sie seien vielmehr in „höchstem Maße rufschädigend“ und stellten eine üble Nachrede dar.

Der Leser einer Enzyklopädie erwarte, (selbst wenn es sich um Wikipedia handelt), Fakten „und eben keine Verdächtigungen“. Entsprechend hätten Autoren der Wikipedia eine „Recherchierungspflicht“, die sogenannten pressemäßigen Sorgfaltsanforderungen entsprechen müsse. Dies gelte auch oder gerade für anonyme Autoren von Wikipedia.

Ein beliebtes Mittel unter manchen Wikipedia Autoren ist es, sich in boshafter Absicht, auf bestimmte Dinge zu berufen, die für die Person, die diffamiert werden soll, in ihren Augen negativ sind, diese zu verbreiten und andere, die positiv zu Buche schlagen würden, zu verschweigen. Auch dieser Praxis haben die drei Richter vom Berliner Landgericht einen Riegel vorgeschoben.

Dadurch, dass die

„Autoren ihre Angaben mit Presseartikeln belegt haben … war ihnen bekannt, dass der Kläger die Aussagen im ARD-Magazin Fakt bestritten hatte. Ohne eigene Prüfung durften sie diese daher nicht als feststehend übernehmen“.

Kurz: Auch die anonymen Wikipedianer müssen sich in Zukunft an den Maßstäben von Sorgfalt und Wahrheit messen lassen, die für andere Journalisten und Schreiber gelten.

Bislang war es Wikipedia-Autoren möglich, die Konsequenzen übler Nachrede, die auf Wikipedia verbreitet wurde, zu vermeiden, weil sich die Wikimedia-Foundation auf die Position zurückgezogen hat, dass die anonymen Autoren unbekannt sind, die Wikimedia-Foundation nur die Plattform bereitstelle, daher für die Inhalte nicht verantwortlich sei und an den Inhalten auch nichts ändern könne.

Mit dem Urteil des Landgerichts Berlin ist mit diesem Unsinn Schluss:

Wikimedia, so die Richter, sei einem Host-Provider gleichzustellen und somit in Störerhaftung zu nehmen, d.h., sobald Wikimedia Kenntnis von einer Rechtsverletzung erhalte, müsse Wikimedia tätig werden: „Weist ein Betroffener den Host-Provider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist dieser verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern, wenn der Hinweis ausreichend konkret ist“.

Mit anderen Worten (um das vage Juristendeutsch zu übersetzen): All diejenigen, die auf der deutschen Wikipedia verleumdet werden, denen Tatsachen angedichtet werden und über die unwahre Behauptungen aufgestellt werden, haben nun eine Handhabe, um auf Grundlage des Urteils des Landgerichts Berlin gegen die Wikimedia-Foundation vorzugehen, die ab dem Moment, ab dem sie von z.B. einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts erfährt, für diese Verletzung haftet.

Die Zeiten, in denen anonyme Autoren nach Gusto auf Wikipedia wüten und ideologische Kriege führen konnten, nähern sich dem Ende. Wenn die Wikimedia-Foundation nicht in einer Flut von Klagen wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder übler Nachrede ertrinken will, wird man sich dort Standards überlegen müssen, um die in der deutschen Wikipedia so häufig vorzufindenden Diffamierungen all derer, die dem Genderismus nicht huldigen oder sich des Kapitalismus schuldig gemacht haben, zu beseitigen und die nick-namentlich nur zu gut bekannten „usual suspects“, die für die Mehrzahl der Verletzungen von Persönlichkeitsrechten und üblen Nachreden verantwortlich sind, am besten gleich mit.

Denn nach dem Urteil aus Berlin ist klar, dass es mit der Wikipedia nicht so weitergeht, wie bisher.

***

Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Dann unterstützen Sie bitte das private Blog ScienceFiles!


Quelle und Kommentare hier: