Warschau, Berlin, Frankfurt – Eine Perspektive

von Eisenhorn

Ich liebe Berlin. Ich lebe hier seit 27 Jahren, bin hier geboren. Aber irgendwann hat man auch mal die Schnauze voll von dem ganzen Dreck, den vielen Menschen und der Lautstärke. Nun hatte ich vor einiger Zeit das Glück die Bekanntschaft einer schönen Polin zu machen. Sie wohnt in Warschau, also besuchte ich sie dort für ein Wochenende. Seid meine Gäste und nehmt Teil an meinen Reisen der letzten Monate.

Warschau

Nach neun Stunden langer Flixbus-Fahrt, kam ich in Warschau an und wunderte mich sofort. Alles wirkte erstaunlich sauber und Graffiti-Schmiereien gab es auch fast keines. Am Abend gingen wir in einen größeren Park, ganz in der Nähe ihrer Wohnung. Ich war mir diesbezüglich zuerst unsicher, immerhin sind meine letzten Erinnerungen aus abendlichen Parkbesuchen in Berlin schon etwas länger her.

Wir gingen also los, es war genau der Abend des Blutmondes und zu meiner Verwunderung war nicht nur der Park ziemlich sauber, die Leute versprühten dort auch nur so die Lebenslust. Auf unserem gut drei Stunden dauernden Sparziergang bemerkte ich, wie viele Pärchen, kleine und große Gruppen von alten und jungen Leuten im Park saßen, friedlich und freundlich miteinander scherzten, tranken, und aßen. Sie alle warteten auf den Blutmond. Wäre ich dort nicht mit ihr gewesen, dann hätte ich mich mit einer Bierdose in der Hand mich sicherlich bei vielen nach kurzer Vorstellung dazu setzen und mit den neu gefundenen Menschen den Abend genießen können. Am nächsten Tag zeigte sie mir die großartigen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Egal ob an den Randbezirken von Warschau, im «polnischen Versailles» oder in der Innenstadt in der königlichen Burg – man sah die einen Trend. Warschau ist eine Großstadt und es gibt Müll in rauen Massen und auch heruntergekommene Gebäude, doch niemals so, dass es mein Stadtbild massiv störte.

So verlebte ich ein schönes Wochenende mit einer Frau, das ich trotz Vorahnungen in einer Stadt, die ich am liebsten nie wieder mit meiner Rückreise per Bus verlassen hätte. Und doch endete es und ich kehrte zurück nach Berlin.

Berlin

Es ist schon spät am Abend. Ich huste. Der Geruch ist das erste was wieder da ist. Er schlägt mir wie eine flache Hand ins Gesicht, als ich den Bus verlasse und mich auf den Weg zur U7 mache.

Aber mein Gedanke, das sei das Einzige was ich ausgeblendet habe, der irrt. Der Eingang der U7 sorgt für körperliches Übel bei mir. Er ist so klein, so eng, so schmutzig. Voller Absperrungen für Baumaßnahmen, die sich scheinbar ewig hinziehen. Und der Geruch wird hier nur schlimmer. Und im trüben Licht der Bahnhofs trifft es mich mit der geschlossenen Faust in den Magen. Die Tunnel zu den Gleisen sind mit Schmierereien und Müll übersät, zum ersten mal nehme ich das ganz deutlich wahr.

Ich fühlte mich vor meiner Reise nach Polen schon nicht sonderlich gut. Aber auch hier endet es nicht. Ich ziehe mir eine Karte, und steige in die Bahn. Hinten sehe ich einige Jugendliche sitzen. Kein ungewöhnlicher Anblick, zwei arabische oder türkische Jugendliche, beides Jungs, zwei deutsche Jugendliche, ein Junge und ein Mädel. Alle so um die 13 bis 15 Jahre alt. Doch kurz nachdem die Bahn wieder fährt, wird die Lautstärke lauter, sodass man sie ohne Kopfhörer nicht ignorieren kann. Was einem da an schlechter Sprache, dummen Vulgärausdrücken und islamischen Floskeln entgegen strömt, ist kaum zu ertragen, wenn man an das saubere und ordentliche Warschau denkt.

Und dort schlägt es mir wie eine Keule ins Gesicht. Ich steige aus und überlege was hier so anders ist. Jugendliche habe ich auch in Polen genug gesehen. Aber keine arabischen oder türkischen. Und auch die U-Bahn dort war nicht so dreckig. Irgendwie komisch, aber man kann das ja nicht alles auf eine einzige Gruppe abwälzen denke ich, und gehe nach Hause.

So verlebe ich die nächsten Wochen und nach kurzer Zeit ist alles beim Alten. Ich radele durch Berlins Straßen und nur selten sticht es mich noch ganz leicht, das Gefühl, das ich hatte als ich aus Warschau heimkehrte. Doch in immer größerer Gewissheit, dass mein Wochenende in Warschau sich nicht mehr wiederholen wird, stürze ich mich mehr und mehr in die Ablenkung. Da kommt es mir nur recht, als ein Freund aus Hessen fragt, ob ich unsere gemeinsamen Freunde nicht auf dem Weinfest in Wiesbaden besuchen möchte. Gesagt getan. Ich buche die Fahrt, plane noch etwas zusätzliche Zeit ein um mir dort auch mit genug Ruhe alles anzusehen, und fahre dann voller Ungewissheit in den Westen.

Frankfurt

Ich gestehe: ich war nie gut in Geographie. Genauso war mein Interesse für den Westen Deutschlands immer eher gering. Als ich also aus dem Zug steige, mir von meinem Freund nochmal einbläuen lasse, wie ich von Frankfurt (Main) Süd nach Frankfurt (Main) Hauptbahnhof und von dort nach Wiesbaden komme, erschließt sich mir noch nicht ganz die Tragweite seines Zeitmanagments.

Ich stapfe die Treppen vom Bahnhof herunter und finde mich an einem Ort wieder, der auch gut und gerne in Berlin stehen könnte. Ein langer Flur, der mit breiten Treppen auf oder abwärts zu entweder Fern- und Regionalzügen oder zur U-Bahn geleitet. Dazwischen ein geschlossener Infostand, mehrere schmuddelige Essensbuden und einige Fahrkartenautomaten. Sollte uns die Technik nicht alles einfacher machen?

Statt mir meine Info einfach zu erfragen, suche ich nun die Übersichtspläne. Die sind genauso versteckt wie in Berlin. Aber das kenne ich ja schon und wurschtel mich zunächst durch. Nach eingehender Betrachtung dessen, was wie mir nun klar wird. Es ist nicht nur in Frankfurt so, sondern ein  Konglomerat aus verschiedenen Städten.

Ich entschließe mich zum Hauptbahnhof zu laufen. Sind ja nur zwei Stationen. Für einen Berliner ein Klacks. Und sich erst einmal in einer neuen Umgebung orientieren, das finde ich auch gut, hat so etwas abenteuerliches, man kann sich immer verlaufen, aber man kann sich auch immer wieder einfinden. Ich stecke mir also eine Zigarette an und laufe los. Zuerst weiß ich gar nicht, ob ich wirklich in Frankfurt bin, alles wirkt zunächst wie in Berlin.

Laute, enge, schmutzige Straßen, die so schlecht gepflegt sind, dass man denken könne, man lebe in der Wüste, wenn nicht etwas Unkraut hier und dort die Staubwehen im Zaum halten würden, die vorbei fahrende Autos aufwirbeln. Die Menschen sind vorwiegend entweder arabisch oder türkisch.

Die wenigen Deutschen, denen ich begegne, wirken gehetzt, die Gesichter sind zu Masken erstarrt, die selbst wenn man sie anlächelt nicht mit Freundlichkeit reagieren. Sehr surreal das Ganze. Da wird einem als Berliner ja immer gerne unterstellt, die Unfreundlichkeit in Person der Republik zu sein, aber diese Menschen wirken selbst auf mich übermäßig schlecht gelaunt. Ich gehe zügig in die grobe Richtung. Zwischendurch komme ich an einem Schild vorbei, was den «Deutschen Orden» ankündigt. Doch zu sehen ist davon nichts. Nur Dönerbuden, Spielotheken und Schmutz. Erst als ich um die Ecke komme, sehe ich es.

Eine alte Kirche und ein Museum. Beide Gebäude lassen auf die reiche Vergangenheit der Stadt schließen. Ich gehe weiter. Endlich in Frankfurt, gehe ich am Ende der Brücke, die ich überquert habe ans Rheinufer. Hier ist es schon beschaulicher, Leute gehen Spazieren, sonnen sich im Rasen oder joggen. Ich mache mich auf zum Hauptbahnhof und komme in eine Straße. Hier ist die Frage, ob ich noch in Berlin bin zweifelsfrei beantwortet. Das hier ist viel Schlimmer als Berlin. Das gesamte Straßenbild erinnert mich an Fotos aus dem Nahen Osten.

Die einzigen Deutschen, die ich hier sehe, sind Reiche, die in exotischen Restaurants essen gehen. Bald habe ich es zum Hauptbahnhof geschafft. Immer wieder treffe ich auf Flecken des alten Frankfurts. Der Ratskeller verrät den Besuchern ebenfalls vom Reichtum und Einfluss, den die Stadt einst besaß.

Im Zug nach Wiesbaden passiert mir dann allerdings etwas, was mir noch nie in Berlin untergekommen ist. Zwei Jugendliche, deutlich arabisch, ihr Gespräch wird immer hitziger, am dauernden «Wallah» stört man sich als Hauptstadtbürger ja heute eh nicht mehr, aber als einer von ihnen sagt, er würde den anderen «Messer machen» und dieser ihm darauf antwortet, er spinne und er würde ihn «Jude machen», stutzte ich schon.

Niemand verzog das Gesicht in der Bahn, obwohl diese zum Bersten voll war. Beide schienen sich da ja eher im freundschaftlichen Austausch kleiner Vulgaritäten zu bewegen, was das ganze aber gerade umso entsetzlicher machte. Ich meine, wer sagt dann zum Spaß ich steche dich ab? Und dann mit «Ich mache dich Jude» zu antworten.

Endstation Berlin

Die restlichen Tage verlebte ich so sehr schön in Wiesbaden, Frankfurt, Mainz (was für ein toller Dom) und fuhr dann wieder nach Berlin. Aufgrund einer kleinen Affäre verpasste ich meinen Zug und fuhr anschließend nach Berlin im Bus. Als ich dort am ZoB ankam und zum Westend lief, was immer ganz gut beleuchtet ist, fiel mir der Dreck und die Schmiererei wieder sofort auf. Aber ehrlich gesagt machten sie mir nichts aus.

War ja nichts gegen Frankfurt.


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