Von der EU zum Deutsch-Französischen Nationalstaat

Von Tomas Spahn

Das Ziel der Staatsführungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Frankreich ist offensichtlich. Darüber, ob es tatsächlich Realität wird, werden am Ende die Völker dieser Staaten entscheiden.

Die Idee ist nicht neu: Erstmals 1994 forderten die CDU-Politiker Wolfgang Schäuble und Karl Lammers eine Umstrukturierung der Europäischen Union mit dem Ziel, zwischen einem „Kerneuropa“ und dem Rest der EU zu unterscheiden. Kerneuropa sollte, so die Idee, auf dem Weg zu einer Föderation der europäischen Staaten vorangehen, die anderen Staaten konnten folgen, so sie dazu gewillt waren und die notwendigen Voraussetzungen erfüllten. Kerneuropa, das waren damals vor allem jene Gründungsmitglieder Deutschland und Frankreich mit ihren unmittelbaren Nachbarn der Benelux-Staaten.

Eine Idee, die in Krisen wuchs …

Als es 2008 im Gebälk des Euro-Raumes gewaltig knirschte, gewann die Idee neu an Fahrt – um, wie auch zuvor, schnell zur Seite geschoben zu werden. Denn die EU-Visionäre befürchteten, dass diese Vorstellungen den Traum von einem Einheitsstaat von den schottischen Hebriden bis an das Schwarze Meer scheitern lassen müssten.

Dennoch: Unsinnig war die Idee nicht, wenn es das politische Ziel war, die europäischen Staaten derart eng miteinander zu verzahnen, dass national-chauvinistische Alleingänge künftig verunmöglicht werden sollten. Ohnehin: Die Idee eines Kerneuropas hätte die Chance gehabt, einen Basisfehler der EU zu heilen. Denn maßgeblich unter dem Druck der USA hatten die Gründungsmitglieder ein um das andere Neumitglied aufgenommen, dabei nicht selten für diese Neumitglieder einseitige Sonderregelungen zugelassen, die zwar nicht ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ produzierten, jedoch Privilegierungen schuf, die nicht selten insbesondere zu Lasten der Deutschen gingen.

… und die scheinbar gestorben war

Doch die Idee schien gestorben. Denn – so eine weitere Kritik insbesondere jener, die gleiche Teilhabe mit Gleichmacherei verwechseln – ein Kerneuropa, an dem maßgeblich jene Gründungsmitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hätten beteiligt werden sollen, würde nun auch offiziell EU-Mitglieder Erster und Zweiter Klasse schaffen. Das aber sei um jeden Preis zu vermeiden. Also wurschtelte man in Brüssel und Straßburg fröhlich weiter, schuf bürgerferne, undurchschaubare Bürokratie und politische Wasserköpfe, die die ursprünglich einmal gut gedachte Idee zunehmend mehr in ihr Gegenteil verkehrte. Die Kritik der „Europäer“ als Bürger unter dem Dach der EU wuchs auch deshalb ständig, weil neben der Vorstellung einer fremdbestimmenden Administration nichts mehr zu finden war, das die Phantasie der Bürger wie noch in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hätte fesseln können. Die europäische Idee verspielte ihren Kredit. Nun auch ganze Staaten wie Polen und Italien wandten sich nicht nur mental davon ab, bis dann mit der Abstimmung über den Brexit der Ausstieg eines Britannien, das einen Einheitsstaat niemals wollte, sondern die EU als großen Binnenmarkt betrachtete, unausweichlich zu werden schien.

Die EU, so die Befürchtung ihrer Befürworter und die Hoffnung ihrer Kritiker, liegt im Sterben. Die supranationale Vision der Vereinigten Staaten von Europa wird, so die gängige Erzählung, von Nationalisten und „Rechtspopulisten“ bedroht. Die Tatsache, dass die Protagonisten der EU selbst diese Bedrohungen schufen, weil sie – wie in Deutschland – den Völkern Europas ihre Identität rauben wollten oder mit der undurchschaubaren und undemokratischen Exekutive in Brüssel die Bürger so lange vor den Kopf stießen, bis diese nur noch diesen einen Ausweg der Unterstützung jener vorgeblich die Union bedrohenden Kräfte sahen, wurde und wird ausgeblendet.

Im Handstreich entsteht Kerneuropa

Doch nun, mit einem unerwarteten Mal, wird die Idee des Kerneuropas nicht nur erneut belebt – sie soll im Handstreich noch energischer Wirklichkeit werden, als sich das selbst Schäuble und seine Mitstreiter einst vorstellen konnten.

Am 22. Januar 2019 unterzeichneten in Aachen, der alten Hauptstadt des ersten zentraleuropäischen Großreichs unter Karl „dem Großen“, Deutschlands Bundeskanzler Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Vertrag, dem in einer deutschen Öffentlichkeit, die mit Debatten über Tempolimit, Dieselverbot und Feinstaubgefahren beschäftigt wird, nur wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde.

Ein Fehler, denn dieses Abkommen, das den offiziellen Titel „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration“ trägt, ist in seiner Konsequenz nichts anderes als die Vereinbarung, die Karlistischen Nachfolgestaaten der Deutschen und der Franken in einem gemeinsamen, deutsch-französischen Nationalstaat aufgehen zu lassen.

Ohne Übertreibung und ohne damit den manchmal verschleiernden Floskeln Unrecht zu tun, kann dieses nur 16 Seiten umfassende Vertragswerk als „Gründungsakt“ eines künftigen Nationalstaats zwischen Pyrenäen und Rügener Kalkfelsen bezeichnet werden. Es ist damit gleichzeitig ein Signal nicht nur an die Briten, sondern an alle Staaten der Europäischen Union, das eine grundsätzliche Neuausrichtung der bisherigen EU-Einigungspolitik definiert. Dieses Signal lautet: Künftig wird niemand mehr aufgehalten werden, der das aus dem Ruder gelaufene Konstrukt EU verlassen will. Denn der Kern dieser Union ist ab sofort – so, wie es sich dereinst Konrad Adenauer und Charles de Gaulle erhofften – die unteilbare Einheit von Deutschen und Franzosen. Diese beiden Länder sollen künftig ihren Weg gemeinsam gehen – und wer diesen, von diesen beiden europäischen Mächten definierten Weg mitgehen will, der ist mag herzlich willkommen sein. Wer dieses nicht will, wird dazu nicht gezwungen werden. Er wird dann aber nicht mehr dazu gehören. Die EU, an der im Vertrag pro forma offiziell festgehalten wird, wird durch den in Aachen geschlossenen Vertrag durch ein neues, ein anderes Konstrukt ersetzt.

Was tatsächlich beschlossen wurde

Eine Übertreibung? Ein Missverständnis des Autors? Schauen wir auf einzelne Passagen des Vertrages, um zu verstehen, was hier tatsächlich beschlossen wurde.
Ist in Artikel 1 noch eher zurückhaltend von „Vertiefung“ und „Bemühen“ die Rede, so wird es ab Artikel 2 konkret. Deutschland und Frankreich, so wird hier festgeschrieben, wollen ihr Wirken in der EU „auf allen Ebenen“ abstimmen. Das bedeutet nichts anderes als ein in jeder Hinsicht geschlossenes Vorgehen – und damit die Hegemonie über den Rest der EU-Staaten.

Die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht soll in Frankreich und Deutschland künftig abgestimmt werden. Bedeutet: Die Gesetzbücher beider Staaten werden Stück für Stück identisch – eine erhebliche Erleichterung, wenn es dereinst offiziell zum Zusammenschluss der Staaten kommen wird. Alle Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik sollen künftig ebenfalls „abgestimmt“ erfolgen. Auch in der Welt wollen Frankreich und Deutschland künftig als Einheit wahrgenommen werden.

Im Falle, dass eines der beiden Länder angegriffen werden sollte, ist das andere uneingeschränkt zu jeglichem Einsatz auch militärischer Mittel verpflichtet. Das bedeutet in der Konsequenz nichts anderes, als dass die Bundesrepublik ab sofort faktisch auch Atommacht ist. Denn die Gegenschlagsdrohung der Force de Frappe gilt nun unabhängig jeglicher NATO-Vereinbarungen auch für Deutschland. Rüstung und Einsatz der Streitkräfte beider Staaten werden künftig umfassend koordiniert. Mit einem einzurichtenden, gemeinsamen „Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat“, der „regelmäßig auf höchster Ebene“ tagt, wird der Grundstein für eine gemeinsame Armeeführung gelegt. Das gemeinsame Vorgehen soll selbst „friedenserhaltende Maßnahmen“ (also auch militärischer Art) und die Entwicklungspolitik vor allem in Afrika umfassen. Der gemeinsame Einsatz in Mali ist insofern nur ein Probelauf.

Deutschland als ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat

Auf der Ebene der diplomatischen Vertretung der beiden Staaten wird die künftige Zusammenarbeit noch konkreter. Die Diplomaten werden noch enger zusammenarbeiten, die jeweiligen Personale durch ständigen Austausch zusammenwachsen. Das bedeutet: Künftig kann ein französischer Staatsbürger als Diplomat der bundesdeutschen Botschaft beispielsweise im Kreml oder in Washington vorstellig werden und dort die Interessen des deutsch-französischen Noch-nicht-Staates vertreten. Eine Vorstellung, die in dieser Form bislang weltweit unvorstellbar gewesen ist.

Auch in „allen Gremien“ der Vereinten Nationen wird künftig gemeinsam agiert – und, notabene!, Frankreich verpflichtet sich, „die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen“ zu einer „Priorität der deutsch-französischen Diplomatie“ zu machen. Das stellt angesichts der wechselseitigen Geschichte beider Länder eine Neuausrichtung dar, an die in dieser Deutlichkeit kaum jemand zu denken wagte. Nebenbei: Sollte dieses gelingen, so hätte der nicht offizielle Deutsch-Französische Bundesstaat im Sicherheitsrat künftig mehr Gewicht als die USA, Russland oder China.

Die Sicherheitskräfte beider Länder – Justiz, Dienste, Polizei – sollen gemeinsam ausgebildet und gemeinsam eingesetzt werden. Auch hier soll das zusammenwachsen, von dem Willy Brandt vielleicht behauptet hätte, dass es zusammen gehört.

Grenzüberschreitende Kooperation soll das Zusammenwachsen fördern

Um das unübersehbare Ziel der Föderation zu erreichen, werden umgehend die in die Jahre gekommen Austauschprogramme reanimiert. Doch es ist weitaus mehr vorgesehen als gegenseitiges Hin- und Herreisen. Forschung, Ausbildung und Berufsbildung werden aufeinander abgestimmt, gegenseitige Schul- und Universitätsabschlüsse ohne jede Einschränkung anerkannt. Hierzu verpflichten sich beide Länder, den gegenseitigen Spracherwerb zu forcieren. Selbst die finanzielle Ausstattung der Universitäten soll auf der Grundlage vernetzter Strukturen erfolgen.

Bemerkenswert auch die Ziele in der nachbarschaftlichen Kooperation. Um „grenzüberschreitende Vorhaben“ umsetzen zu können, werden vorhandene Hindernisse beseitigt. Funktionieren kann dieses nur, wenn die jeweiligen Bürokratien ständig an einem Tisch sitzen und die Rechtslage weitestgehend identisch ist. Hierzu sind, so keine anderen Wege möglich sind, „angepasste Rechts- und Verwaltungsvorschriften einschließlich Ausnahmeregelungen“ vorgesehen. Soll heißen: Notfalls schalten sich Berlin und Paris direkt ein, sollte es im Zusammenwachsen der Grenzregionen haken.

Weiterhin ist die enge Zusammenarbeit der grenznahen Parlamente und Kommunalvertretungen vorgesehen. Die Idee der „grenzüberschreitenden Europaregionen“, die bereits vor Jahren feststellte, dass die Bewohner Badens und des Elsass‘ oder des Saarlands und Lothringens mehr gemeinsame Interessen haben als der Saarländer mit dem Vorpommer oder der Elsässer mit dem Bretonen, soll hier in besonderem Maße forciert werden. Dazu verpflichten sich beide Staaten, in den Grenzregionen Zweisprachigkeit zu erreichen. Letzteres ist eine radikale Abkehr von jener Politik der Franzosen, die jene im Zuge des Dreißigjährigen Krieges eroberten, seit dem frühen neunten Jahrhundert reichsdeutschen Gebiete Elsass und Lothringen von ihren deutschen Wurzeln lösen wollte. Die enge Kooperation der Körperschaften soll darüber hinaus auf grenzferne Regionen ausgedehnt werden.

Doch nicht nur Regionen und Kommunen sollen zusammenwachsen. Festgeschrieben wird die Teilnahme eines „jeweils wechselnden Mitglieds der Regierung eines der beiden Staaten an der Kabinettssitzung des anderen Staates mindestens einmal im Quartal“. Die Regierungen beider Länder tagen künftig mindestens einmal jährlich gemeinsam. Ein Deutsch-Französischer Ministerrat hat die Aufgabe, „eine mehrjährige Vorhabenplanung für die deutsch-französische Zusammenarbeit“ zu verabschieden. Über die Fortschritte wird regelmäßig berichtet. Das Ziel der „Konvergenz zwischen beiden Staaten“ soll über „die Integration hin zu einem deutsch-französischen Wirtschaftsraum mit gemeinsamen Regeln“ mit der Harmonisierung des Rechts erreicht werden. Das bedeutet in der Konsequenz: Identische Steuerpolitik, gemeinsames Wirtschaftsrecht, identische Verwaltungsvorschriften.

Der Deutsch-Französische Nationalstaat tritt an die Stelle der EU

Schaut man sich die Gesamtheit all dessen an, was Deutschland und Frankreich in Aachen vereinbart haben, so führt, auch wenn dieses nirgends explizit so steht, an der Feststellung kein Weg vorbei: Am Ende kann nur ein Ergebnis stehen, das als deutsch-französische Föderation zweier Nationen in einem gemeinsamen Staat an die Stelle der Europäischen Union tritt. Diese Föderation soll jene Attraktivität entwickeln, die die EU verloren hat. Begriffen zu haben scheinen das der polnische Präsident des Europäischen Rats, Donald Tusk, und der deutschstämmige Präsident Rumäniens, Klaus Johannis. Beide begleiteten den Vertragsabschluss wohlwollend in der offensichtlichen Erwartung, dass dieser nun aus der Taufe gehobene Kern eines Kerneuropas jene Impulse generieren kann, die der EU verloren gegangen sind und der jene Bindungswirkung auch für ihre Länder schafft, die der EU verloren zu gehen scheinen.

Eine Chance für die Zukunft?

Kann das funktionieren – und macht das überhaupt Sinn?

Sinn machen kann es dann, wenn dieses Ziel auf jenen, beiden Gesellschaften gemeinsamen Werten der christlich-europäischen Prägung auf der Grundlage der Werte der westeuropäischen Aufklärung beruht. Funktionieren wird es jedoch nur, wenn die gegenwärtig auf allen Ebenen zu beobachtende Vernichtung zumindest der deutschen Nationalidentität beendet wird. Solange die deutschen Bürger eines künftigen deutsch-französischen Bundestaats den Eindruck haben, darüber ihr Deutschsein aufgeben zu müssen, werden die Widerstände gegen dieses Ziel ständig wachsen. Das gilt auf der französischen Seite nicht minder. Bereits heute speist diese falsche Politik jene Kräfte, die der EU mehr als überdrüssig sind.

Doch es gibt für solche Zielvorstellungen in der Vergangenheit durchaus Beispiele. Die Schweiz mit ihren regionalen Volksidentitäten ist eines – es funktioniert deshalb, weil Deutsche, Franzosen, Italiener und Rätoromanen unter einem gemeinsamen Dach ihre kulturellen Eigenarten und ihre jeweilige Identität bewahren können. Doch über die Landesgrenze müssen wir überhaupt nicht schauen. Auch der deutsche Einigungsprozess unter Bismarck akzeptierte unter der gemeinsamen, deutschen Identität das Fortbestehen von Preußen, Sachsen, Hessen, Bayern. Das Deutsche Reich von 1871 schuf seinen Bürgern über ihre, in der Verfassung als „Stämme“ festgeschriebene Regionalidentität mit der deutschen eine, die nicht den Anspruch erhob, das regional-kulturelle Selbstverständnis zu ersetzen. Vielmehr wollte der Einigungsprozess die vorhandenen Identitäten durch eine darüber liegende, attraktive Idee ergänzen. Hätte Bismarcks Einigungsprozess dieses nicht getan, wäre der deutsche Staat niemals entstanden. Ob jedoch eine Merkel, die die deutsche Flagge achtlos in den Staub wirft, dieses begreifen kann, darf zu Recht angezweifelt werden. Ob ein vom Zentralismus geprägter Macron, dem die Gelbwesten im Nacken sitzen, das versteht, nicht minder.

Die Hybris der Herrschenden überwinden

Ein weiteres Hindernis wird jenseits des ohnehin holprigen Weges der Anpassung der unterschiedlichen Rechts-, Verwaltungs- und Wirtschaftssysteme jene Hybris der Herrschenden sein, über die Köpfe ihrer Bürger hinweg entscheiden zu wollen. Steht im Ergebnis dieses Vertrages ein bürgerfernes Administrationsmonster, ein Diktat von Oben in der Weise, wie es die Brüsseler EU-Administration heute exekutiert, wird das deutsch-französische Projekt zwangsläufig scheitern.

Und doch, das sei bei aller Skepsis festgehalten, könnte es die konsequente Fortsetzung dessen sein, was die „Erbfeinde“ Adenauer und de Gaulle vor 56 Jahren, an ebenfalls einem 22. Januar des Jahres 1963, angeschoben hatten: Die Überwindung der selbstzerstörerischen Feindschaft zwischen jenen europäischen Stämmen, die im Mittelalter unter Karl auch mit Gewalt vereint worden waren. Für Adenauer wie für de Gaulle stand damals fest: Die Überwindung der über Jahrhunderte gepflegten „Erbfeindschaft“ darf niemals dazu führen, das Selbstverständnis von Deutschen und Franzosen zu vernichten.

Hält sich der Aachener Vertrag an diese Maxime, dann mag er eine Chance haben. Die Chance, an die Stelle der künstlich aufgeblähten, sich vom Bürger entfremdenden EU etwas zu setzen, dem die Menschen zwischen Atlantik und Ostsee vielleicht tatsächlich etwas abgewinnen können. Hält er sich hingegen nicht an diese Maxime, dann wird er kläglich scheitern. Und in den Geschichtsbüchern – falls es solche noch geben sollte – als jenes Dokument erwähnt werden, das die Idee eines gemeinsamen Vorgehens der Völker Europas abschließend zu Grabe getragen hat.

Die Perspektive bleibt offen

Erhebliche Bauchschmerzen mit dem Vertrag werden ohnehin vor allem heute schon jene Briten haben, die mit der Idee supranationaler Föderationen schon immer gefremdelt hatten. Britische Politik war seit je darauf ausgerichtet, Hegemonie auf dem Kontinent zu verhindern. Funktioniert die angestrebte, deutsch-französische Föderation, dann wird es auf dem europäischen Kontinent zur Mitte des Jahrhunderts nur noch zwei Mächte geben, die die Politik der Zukunft bestimmen: Russland und die Deutsch-Französische Union. Das Vereinigte Königreich wird außen vor bleiben. Und die kleineren Staaten können sich am Ende nur entscheiden, an wem sie sich lieber orientieren.

Insofern bleibt die Perspektive spannend. Und trotz allem offen. Das Ziel der Staatsführungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Frankreich ist offensichtlich. Darüber, ob es tatsächlich Realität wird, werden am Ende die Völker dieser Staaten entscheiden.


Quelle und Kommentare hier:
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/von-der-eu-zum-deutsch-franzoesischen-nationalstaat/